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Sopranistin Annette Dasch Liebesleid als Motor der Kunst

Unerfüllte Liebe - darum geht es in Gustav Mahlers Liedern aus "Des Knaben Wunderhorn" und in den "Wesendonck-Liedern" von Richard Wagner. Ein Gefühl, das die Sopranistin Annette Dasch an Tagebucheinträge aus ihrer Kindheit und Jugend erinnert. Wie sie die Lieder gemeinsam mit dem Fauré-Quartett umsetzt und warum sie gern in einer Zeitmaschine zu Brahms reisen würde, erzählt sie im Interview mit BR-KLASSIK.

Porträt der Sängerin Annette Dasch, Sopran | Bildquelle: © Schlosser Georg

Bildquelle: © Schlosser Georg

BR-KLASSIK: Unerfüllte Liebe: Nichts, was man sich oder einem anderen wünscht - und trotzdem hat jeder von uns wahrscheinlich entsprechende Erfahrungen. Können Sie sich noch eine Lebensphase erinnern, während der das Gefühl für Sie aktuell war?

Annette Dasch: Ja, die hat auch ziemlich lange gedauert, weil man ja eigentlich so mit neun Jahren anfängt sich irgendwie zu vergucken. Das ist natürlich alles ganz unkonkret. Aber ich kann mich daran erinnern, dass ich damals schon meine Tagebücher vollgekritzelt habe, und das blieb dann erst mal noch ein paar Jahre per se schon unerfüllt, weil ich einfach noch ein Kind war. Ja klar kann ich mich daran sehr lebhaft erinnern.

Aus quälenden Gefühlen entsteht Kunst

BR-KLASSIK: Bei allem Mitleid mit Brahms, Mahler und Wagner für ihre unerfüllten Liebschaften oder Lieben, können wir ja eigentlich ganz froh sein: Wir haben jetzt ihre Musik dadurch - ein bisschen paradox, oder?

Annette Dasch: Ja, aber das ist doch eigentlich immer so mit den Künstlern. Man kann ja nicht davon ausgehen, dass alle Künstler zu jedem Zeitpunkt irgendwie gute Laune hatten und deswegen ihre größten Werke geschrieben, gemalt, gedichtet haben, sondern eigentlich eher das Gegenteil der Fall ist.

Seelenqualen oder Herzweh sind doch eigentlich ziemlich oft der Motor für große Kunst.
Annette Dasch

BR-KLASSIK: Wobei es mit einer unerfüllten Liebe dann doch noch mal etwas anderes ist als wenn jemand aus irgendeinem äußeren Anlass oder vielleicht auch manchmal aus einem materiellen Anlass unglücklich ist.

Annette Dasch: Das stimmt, aber ich glaube schon, dass Seelenqualen oder Herzweh doch eigentlich ziemlich oft der Motor für große Kunst sind.

BR-KLASSIK: Wenn Sie sich Brahms anschauen: Hätte der überhaupt eine Chance gehabt auf eine wirklich erfüllte Liebe? Oder war das eher vielleicht generell ein misanthropischer Typ?

Annette Dasch: Das würde ich so gerne mal herausfinden! Ich würde ja gerne so eine kleine Zeitmaschine reinkriechen und mal ein Konzert hören, wo er selber gespielt hat.

Der Komponist Johannes Brahms | Bildquelle: picture-alliance/dpa Johannes Brahms | Bildquelle: picture-alliance/dpa Ich kann sowas ganz schwer beurteilen, weil das, was man in Biografien zu lesen kriegt, ist ja doch stark aus der Sicht des Betrachters. Und was weiß man schon davon? Ich kann nur sagen, aus meinem Leben heraus glaube ich nicht an das, was manche Leute sagen: "Man kriegt das, was man verdient." Ich habe schon manchmal das Gefühl, wenn ich mich in meinem Freundeskreis umschaue, dass es einfach Leute gibt, die hätten eine große Liebe verdient und sind trotzdem alleine. Ich glaube nicht, dass man nur seines eigenen Glückes Schmied ist, sondern es gehören eben zwei dazu.

Klavierquartett trifft Sopran

BR-KLASSIK: Wenn ein Klavierquartett, also vier Individualisten, auf eine Sopranistin trifft, die ja auch eine Individualistin ist, wie einigt man sich da? Wer hat das Sagen? Geht das immer harmonisch zu?

Annette Dasch: In diesem Fall kann ich sagen: ja. Ich meine, man muss davon ausgehen, wenn so ein Quartett nicht eine Art der gewaltfreien Kommunikation findet, dann können die vier als Gruppe gar nicht existieren. Das liegt dieser Form zugrunde.

Fauré Quartett | Bildquelle: © Tim Klöcker Das Fauré-Quartett | Bildquelle: © Tim Klöcker Wenn man Kammermusik macht, kann man nicht anfangen mit Feindseligkeiten à la: "Ach, jetzt hat der aber einen Vorschlag mehr gemacht, der angenommen wurde, als ich" oder so. So etwas habe ich noch nie erlebt, wenn ich als Außenstehende zu so einer kammermusikalischen Formation dazu gekommen bin.

Die Musiker des Fauré-Quartetts haben einen extrem humorvollen und offenen Umgang untereinander. Ich glaube, in den ersten Proben haben wir ein bisschen versucht abzutasten, ob das mit mir auch geht, dass man einfach mal sagt, sorry, da bist du zu früh, ohne dass ich mich angegriffen fühle. Und da haben wir ziemlich schnell festgestellt, dass wir da ähnlich ticken. Das war nie ein Problem.

BR-KLASSIK: Kristallisiert sich dann im Laufe einer Probephase heraus, wer für welches Lied, wer für welche Stimmung der Spezialist ist?

Annette Dasch: Ich würde sagen, dass bei Liedern letztlich schon die Sängerin oder der Sänger entscheidet, weil man einfach derjenige ist, der den Text irgendwie auch verkaufen muss. Wir müssen aus uns heraus fühlen und das wirklich den Menschen darbringen. Aber trotzdem ist es natürlich für mich auch spannend gewesen, diese Lieder, die ich alle schon oft gemacht hatte, auch mit Pianisten, nochmal völlig anders zu spüren. Wenn die eben sagen, huch, so haben wir es nie gedacht oder so. Dieser Dialog ist schön. Und dann kommt ja immer noch hinzu, dass man die Dinge probt, plant und festlegt - und dann im Konzert kommt sowieso nochmal viel Spontaneität hinzu.

Wenn die Leute es schaffen, nicht zu applaudieren zwischen den Stücken, sind diese Übergänge so, als hätten sich das Herr Brahms und Herr Mahler zusammen ausgedacht.
Annette Dasch

BR-KLASSIK: Jetzt ist ja das Werther-Quartett von Brahms wie eine Semmel um die Wesendonck-Lieder und "Des Knaben Wunderhorn" von Mahler außenrum gepackt. Wieso haben Sie das auseinander genommen?

Annette Dasch: Weil es unglaublich gut passt, von den Tonarten her und auch vom Gestus. Wir haben ziemlich lange gebastelt.

Sopranistin Annette Dasch | Bildquelle: picture-alliance / dpa Sopranistin Annette Dasch | Bildquelle: picture-alliance / dpa Wir hatten auch andere Reihenfolgen überlegt, aber wir fanden es auch für so einen Abend ungünstig, wenn die Sängerin immer so dazukommt und dann wieder die Bühne verlässt, dann gibt es diesen peinlichen Moment, dass die Leute überlegen: müssen wir jetzt applaudieren oder nicht? Und das hat dann was von einem Gala-Konzert, wo die Sängerin immer so reinrauscht und dann wieder rausrauscht.

Mir war ziemlich schnell klar, ich möchte eigentlich gerne von Anfang bis Ende dabei sein, damit es nicht so wirkt wie "Annette Dasch and the Fauré-Quartett", sondern dass die Leute kapieren, dass dieser Abend einen Bogen hat und uns allen am Herzen liegt. Und so ist es - es ist wirklich unglaublich. Wenn die Leute es schaffen, nicht zu applaudieren zwischen den Stücken, sind diese Übergänge so, als hätten sich das Herr Brahms und Herr Mahler zusammen ausgedacht. Ich bin total begeistert davon.




Sendung: "Leporello" am 6. Dezember 2017 auf BR-KLASSIK.

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