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Münchens "Aphasingers" Singen kann Sprachstörungen heilen

Musik ist zauberhaft und kann Wunder bewirken – ein etwas zum Klischee verkommener Satz. In München zeigt sich dieses Wunder jedoch ganz konkret: Dort proben die Aphasingers, ein Chor für Menschen mit Sprachstörungen.

Die "Aphasingers" München | Bildquelle: Uwe Wildberger

Bildquelle: Uwe Wildberger

Einmal im Monat treffen sich die Mitglieder der "Aphasingers" im Münchner Stadtteil Haidhausen. Geleitet werden die Proben des Ensembles von der Musiktherapeutin und Gesangspädagogin Ulrike Wanetschek. Seine Ursprünge hat dieser Chor in einer Selbsthilfegruppe. 1999 fand sich diese Gruppe als "Junge Aphasiker München" zusammen. So jung sind sie heute nicht mehr. Zusammen sind sie aber immer noch.

Musik bringt verlorenen gegangene Sprache zurück

Die "Aphasingers" München | Bildquelle: Uwe Wildberger Die Aphasingers 2018 beim Weihnachtskonzert "Glühwein fürs Herz" | Bildquelle: Uwe Wildberger Schon beim Einsingen passiert für die Sängerinnen und Sänger etwas, was über das reine gemeinsame Musizieren hinausgeht. Plötzlich schaffen sie es, Silben rhythmisch aneinander zu hängen. Über die Musik beginnt die verlorenen gegangene Sprache wieder zu fließen. Für die Chorleiterin Ulrike Wanetschek sind das die ganz besonderen Momente: "Das Tolle ist, dass die Menschen, die eigentlich keinen gemeinsamen Sprachrhythmus haben, wie wir das so kennen, im Gespräch miteinander einen gemeinsamen Rhythmus finden können. Und im Endeffekt geschieht der Zauber dann auch über die Harmonie." 

Natürlich musste sich Ulrike Wanetschek erst einmal von den Standards verabschieden, die sie im Musikstudium und in der Arbeit mit anderen Chören gelernt hatte, um mit den Aphasingers arbeiten zu können. Auch wenn die Chormitglieder kognitiv nicht wirklich eingeschränkt sind, sei es anfangs durchaus schwierig gewesen. Doch wenn die Sänger dann – oft auch erst nach mehreren Ansagen und Versuchen – die Melodie hören, kommt die Erinnerung an das eine oder andere bekannte Stück.

Mehr als Musiktherapie

Tragik und Freude liegen in Ulrike Wanetscheks Arbeit nah beinander. Die Beeinträchtigung der Menschen ist immer spürbar, die Musik rührt, hebt Emotionen hervor. Für die Aphasingers ist der Chor aber auch weit mehr als bloß Musiktherapie, die ihnen ein bisschen über ihre Beeinträchtigung hinweg hilft. Vor der Probe wird geratscht, nach der Probe geht’s zum Essen in die Wirtschaft. Der soziale Aspekt ist wie bei den allermeisten Chören ebenso wichtig der musikalische, denn die Sängerinnen und Sänger machen sich auch gegenseitig Mut. Diese Gemeinschaft mitzuerleben, berührt Chorleiterin Wanetschek immer wieder.

Ich habe gelernt, dass Freude verschiedene Gesichter hat. Dadurch bin ich sensibler geworden.
Chorleiterin Ulrike Wanetschek 

Am Ende bleibt ein Raum, in dem Glück spürbar wird. Die Glückseligkeit dieser Menschen, wenn sich im Singen etwas löst, was ihnen im Alltag unfassbar schwerfällt. Wenn wieder etwas läuft, was normalerweise für sie harte Arbeit ist. 

Die Aphasingers treten am Samstag, 6. November, beim Lab-Symposium "Kultur und Gesundheit" im Saal X des neuen Gasteigs HP8 auf.

Sendung: "Allegro" am 5. November 2021 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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