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ARD-Musikwettbewerb 2016 - Rückblick Kontrabass Grummelndes Ungetüm im Rampenlicht

Mit einem Marathon von 50 Teilnehmern im ersten Durchgang ging es etwas langwierig los, aber dann legten die Kontrabassisten einen Zahn zu - und wurden sogar in einen Kriminalfall verwickelt. BR-KLASSIK-Reporter Ulrich Möller-Arnsberg blickt zurück auf vier spannende Wettbewerbsrunden mit einem Instrument, das sonst eher in den hinteren Reihen zu Hause ist.

Zum Wettbewerbsauftakt ahnte ich noch nicht, dass ich mich erstmal daran gewöhnen musste, soviel Solo- und Kammermusik mit einem Instrument zu hören, das mir sonst eher als grummelndes Ungetüm im Hintergrund des Orchesters bekannt ist. Andererseits natürlich auch vom Jazz her - aber das ist ja etwas anderes. Spannend war, in der ersten Runde zu erleben, dass es mindestens zwei Typen von Kontrabassisten gibt. Die einen sind die, die - wie es früher so war - erst Geige oder Cello gelernt haben, bevor sie auf den Bass umgestiegen sind. Die anderen haben gleich von früh an mit einem Mini-Bass angefangen. Der sorgt für die Beliebtheit des Instrumentes auch schon bei jüngeren Musikschülern, weshalb es jetzt viele bestaunenswerte Bass-Talente gibt, die atemberaubend übers Griffbrett fingern und anscheinend nicht die geringsten Probleme haben, in Stegnähe jede Menge Flageoletts herauszuzaubern.

ARD-Musikwettbewerb 2016 Kontrabass | Bildquelle: © Daniel Delang

Bildquelle: © Daniel Delang

Finale Kontrabass als Video

Geheimnisvolle Silben und ein Kriminalfall auf der Bühne

Der Kontrabass klingt sehr eigen, wenn er aber so wie Cello oder Geige gespielt wird, gelten auch ähnliche musikalische Maßstäbe. Weshalb von den fünfzig Teilnehmern der ersten Runde überraschend wenige für den zweiten Durchgang übrig blieben. Und ab dieser Runde wurde es richtig spannend. Nicht nur, weil es um einen ungeklärten Mord ging. In "Tamam Shud", dem Auftragswerk des Wettbewerbs von Moritz Eggert - er hat sich von einem historischen Kriminalfall inspirieren lassen - murmelten die Kandidaten geheimnisvolle Silben vor sich hin, während sie sich dazu auf dem Kontrabass mehr oder weniger virtuos begleiteten. Und immer wieder stellte sich die Frage: Wer schreit am Ende auf welche Weise das "Shuuuudddd" in den Saal. Aber auch die Gambensonate von Johann Sebastian Bach und Schuberts "Arpeggione"-Sonate forderten zum Höchsten heraus, was Geläufigkeit und Tongestaltung angeht.

Töne in wertende Zahlen umgewandelt

Ab dem Semifinale interessiert mich mehr und mehr die Frage: Warum kommen Kandidaten, die ich nicht so gut finde, weiter, warum scheiden manche, die ich großartig finde, aus. Es ist ganz einfach: Ich habe nur eine Meinung, die Jury hat sieben Meinungen, die sie in wertenden Zahlen ausdrückt. Das durch sieben geteilt muss zwangsläufig für jeden Zuhörer zu einem anderen als seinem eigenen Ergebnis führen. Es sei denn, man hat eben genau den Mittelwert als Meinung, aber das ist selten.

Die eindrücklichen Gewinner

Später dann aber doch Einigkeit mit der Jury: Die ersten Kandidaten, deren Fan ich wurde, waren Wies de Boevé, der am Ende Erster Preisträger wurde und Michael Karg, der Zweiter wurde. Der eine hat mich schon beeindruckt, weil er mit zwei Instrumenten - eines davon in historischer Wiener Stimmung - antrat. Den anderen fand ich gut, weil er eine volle, in allen Registern durchgestalte Tongebung hatte. Aber auch die Finnin Maria Krykov fand ich faszinierend, die nach dem Semifinale ausgeschieden ist. Sie hatte diese lässige Art, Töne in schnellen Läufen, die nicht so wichtig sind, wie ein Fiddler wegzufluppen.

Aus ganz anderen Gründen hat mich Dominik Wagner, der Jüngste, beeindruckt. Er ist erst 19 und kann deshalb noch gar nicht einen so durchgestalteten, fehlerfreien Ton haben, wie seine älteren Kollegen. Von Runde zu Runde kam er weiter und ich staunte. Aber als ich erfuhr, dass der Drittplatzierte des Finales, parallel zum ARD-Wettbewerb sich noch den dritten Preis beim Eurovisions-Young-Musicians-Contest in Köln erspielt hat, war ich wirklich perplex.

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