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Der Spätstarter Dem Bariton Renato Bruson zum 85. Geburtstag

"Ich lehne Partien ab, die viel Schreien verlangen." Deswegen hat Renato Bruson auch schon relativ früh von einer seiner Paraderollen, dem Scarpia in Puccinis "Tosca", zur Seite gelegt. Als nobler Stilist hat er sich im Sängerolymp verewigt, vor allem in zentralen Partien von Giuseppe Verdi: als Renato im "Maskenball", als Rodrigo im "Don Carlo" und als Macbeth, als Vater in "Luisa Miller" und als Simon Boccanegra. Vor zehn Jahren hat er sich von seinem Publikum verabschiedet, das ihn auch in München immer wieder gefeiert hat. Am 13. Januar wird Renato Bruson 85 Jahre alt.

Renato Bruson | Bildquelle: © Koch / Schwann

Bildquelle: © Koch / Schwann

Manche Baritone auf der Opernbühne fahren in bestimmten Szenen gern mal den Lautstärkeregler hoch. Aus Frust, weil der Tenor wieder die Sopranistin gekriegt hat. Aus Imponiergehabe, weil sie die Macht besitzen, sich die Sopranistin zurückzuholen. Oder auch aus Gefühligkeit, weil es sich mit lauten Schluchzern so effektvoll leiden oder sterben lässt. Zu diesen Baritonen hat Renato Bruson nie gehört. Sein Renato im "Maskenball" ist nobel, sein Scarpia in der "Tosca" kein entmenschlichtes Monster – und sein Giorgio Germont in der "Traviata" kein sentimentaler Heuchler. Renato Bruson kommt im Veneto zur Welt, in einem kleinen Ort in der Nähe von Padua. Schon früh verliert er seine Eltern, seine Familie hält nichts von einer Sängerkarriere.

Damals war es auf dem Land so, dass man in einem, der Musik zu seinem Beruf machte, jemanden sah, der nicht arbeiten wollte.
Renato Bruson

Bruson, das Anti-Alphatier

Renato Bruson | Bildquelle: picture-alliance/dpa Bildquelle: picture-alliance/dpa Renato hat sich da aber schon von der Musik packen lassen, singt im Kirchenchor – und beißt sich gegen seine Verwandtschaft durch. Mit 24 gewinnt er einen Gesangswettbewerb in Spoleto und wird anschließend als Graf Luna in Giuseppe Verdis "Trovatore" gefeiert. So beginnen Sängerkarrieren, oder? Nicht die von Renato Bruson. Man nimmt ihn nicht wahr, er wird nicht engagiert. Später wird er die Taubheit der Agenten und Stimmexperten  anprangern – und den Jet-Set-Wahn des internationalen Opernbetriebs. Den Rummel um die wenigen Stars, "die von einem Ende der Welt zum anderen hetzen." Als er mit 27 an der Mailänder Scala vorsingt, heißt es: schöne Stimme, aber keine Persönlichkeit. Arroganz schlägt Talent. Bruson begehrt nicht auf. Er akzeptiert das Urteil. Er ist nicht das Alphatier mit dem übergroßen Ego. Im Leben nicht und auch nicht auf der Bühne.

Später Triumph an der Scala

Renato Brusons Stimme sei "weich und so modulationsfähig wie ein erstklassig gespieltes Cello", hat der Musikkritiker Jürgen Kesting einmal gesagt. Da hat er wohl recht: Bruson singt mit ausgesucht warmem, rundem Ton, mit schier endlosem Legato und feinen dynamischen Abstufungen. Er dröhnt nicht, orgelt nicht, brüllt nicht. Der Prototyp eines "baritono nobile".

Und dann macht Renato Bruson doch noch Karriere. Nicht irgendeine. Eine große, eine Weltkarriere. Sogar die Metropolitan Opera in New York will ihn. Doch der Vertrag sieht nach Ausbeutung aus, nach Verschleiß im Repertoirebetrieb. Bruson fliegt zwar hin, kehrt aber bald zurück – und triumphiert doch noch in der Scala. Und endlich auch anderswo. In London. In München. Und in Wien, das ihn ganz besonders herzlich ins kollektive Opernherz schließt und ihn zum Kammersänger macht.

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Renato Bruson in "Di Provenza il mar" Traviata 2007 Los Angeles | Bildquelle: pavarottithebest (via YouTube)

Renato Bruson in "Di Provenza il mar" Traviata 2007 Los Angeles

Belcantist für Verdi, Puccini und Donizetti

50 Jahre lang bleibt er der große Belcantist für Verdi, Puccini und Donizetti. Einer, der das Lieben, Leiden und Sterben – und alles, was dazugehört – in seiner Stimme hat.

Sendung: "Allegro" am 13. Januar 2021 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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