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Last Night of the Proms im Zeichen des Brexit Rule, Britannia!

Am Samstag steigt die traditionelle Last Night Of The Proms in der Londoner Royal Albert Hall - wie immer mit wehenden Union Jacks und "Rule, Britannia!" zum Mitsingen. Was in den vergangenen Jahren als unbeschwerter Patriotismus durchgegangen ist, könnte man 2016 auch als Hymne des Brexit interpretieren.

"Last night of the proms" Royal Albert Hall | Bildquelle: picture-alliance/dpa

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"Rule, Britannia! Britannia rule the waves. Britons never will be slaves". Herrsche Britannia! Britannia beherrsche die Wellen. Briten werden niemals Sklaven sein. Diese patriotischen Strophen, die jedes Jahr bei der Night Of The Proms ertönen, lassen sich problemlos zur Brexit-Hymne ummünzen: Die Dominanz Brüssels brechen, die Souveränität zurück gewinnen, die Herrschaft des britischen Volks wieder herstellen - das waren ja die Slogans der Brexit-Anhänger, der Kämpfer für den Austritt aus der EU vor dem Referendum.

"Rule, Britannia!" ist allerdings viel älter als die Europäische Union. Das Lied wurde 1740 geschrieben, der Text stammt von Thomson und Mallet, komponiert von Thomas Augustine Arne. Der Hintergrund damals: Die britische Marine musste sich die Herrschaft auf See mit Franzosen und Niederländern teilen - erst später, nach der Niederlage Napoleons, konnten die Briten die alleinige Herrschaft über die Weltmeere erringen.

BBC Proms auf BR-KLASSIK

Seit 1895 gibt es die Sommerkonzertreihe der "Proms", seit 1942 findet sie in der viktorianischen Royal Albert Hall statt, die fast 10.000 Proms-Besuchern Platz bietet. Höhe- und Schlusspunkt ist alljährlich die populäre "Last Night of the Proms"

BR-KLASSIK überträgt The Last Night Of The Proms live im Radio am 10.09.2016 ab 20.05 Uhr.
Weitere Konzerte von den BBC Proms sind unten zu finden.

Britische Weltoffenheit - auch mit "Rule, Britannia!"

1969 hatte die BBC "Rule, Britannia!" aus dem Programm der Last Night Of The Proms gestrichen, weil die Hymne den Veranstaltern zu nationalistisch schien. Doch sie ist längst wieder da. Man muss an diesem Abend auch kein schlechtes Gewissen haben. Denn die Promenadenkonzerte, deren Abschluss die Last Night bildet, waren auch in diesem Sommer wieder ein Schaufenster britischer Weltoffenheit. Es gab Lieder von Kurt Weill, die großen europäischen Komponisten von Beethoven bis Boulez waren vertreten, Martha Argerich, Daniel Barenboim mit der Staatskapelle Berlin und Simon Rattle mit den Berliner Symphonikern traten auf. Und auch die bevorstehende Last Night wird zu einem Schaufenster der Internationalität: Dirigent des Abends ist der Finne Sakari Oramo, der peruanisch-österreichische Tenor Juan Diego Flórez ist nur einer aus der international besetzten Solistenriege. Auf dem Programm stehen diesmal unter anderem Borodin, Offenbach, Rossini und Donizetti.

Selbst die Gassenhauer des Abends können ihre europäischen Wurzeln nicht verleugnen: "Rule, Britannia!" folgt den Kompositionen Händels, Parrys "Jerusalem" ist ohne Wagners Einfluss nicht denkbar, und Edward Elgar, der Komponist von "Land of Hope Glory", war einst der englischen Provinz entflohen, um auf dem Kontinent die Musik von Brahms, Liszt, Berlioz und eben auch Wagner aufzusaugen.

Europa-Fähnchen vs. Union Jacks

Und wer trotzdem immer noch ein schlechtes Gewissen hat - der kann während der Last Night Of The Proms in der Royal Albert Hall Europa-Fähnchen schwenken. EU-freundliche Aktivisten planen, vor dem Eingang der Konzerthalle Tausende der blauen Flaggen mit gelben Sternchen zu verteilen und klarzumachen, dass immerhin 48 Prozent der Briten gegen den Brexit gestimmt haben. So könnte diese Last Night im Jahr des Brexit doch noch eine europäische Nacht werden.

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