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Berliner Philharmoniker Kirill Petrenko geht nach Berlin - aber wann?

Die Berliner Philharmoniker haben Kirill Petrenko zu ihrem neuen Chefdirigenten gewählt. Derzeit ist Petrenko noch Generalmusikdirektor an der Bayerischen Staatsoper. Und eigentlich würde München ihn auch nach 2018 gerne behalten.

Kirill Petrenko geht nach Berlin, um die Nachfolge von Simon Rattle anzutreten. Der wird sein Amt als Chefdirigent bei den Berliner Philharmonikern 2018 niederlegen. Petrenkos Vertrag in München läuft im gleichen Jahr aus - falls er nicht verlängert wird. Und genau darum kämpft die Bayerische Statsoper nun. Denn einen so hervorragenden Dirigenten lässt München nur ungerne ziehen. "Ich gratuliere meinem Generalmusikdirektor Kirill Petrenko herzlich zur Berufung als Chefdirigent der Berliner Philharmoniker", sagt Nikolaus Bachler, Intendant der Bayerischen Staatsoper. "Gleichzeitig freue ich mich, dass Herr Petrenko und ich gemeinsam eine vom Bayerischen Kultusminister angebotene Vertragsverlängerung an der Bayerischen Staatsoper anstreben."

Doppelposition in Berlin und München?

Am Montagnachmittag äußerte sich auch das Kunstministerium zur Personalie Kirill Petrenko. Demnach habe Bayerns Kunstminister Ludwig Spaenle dem Münchner Generalmusikdirektor eine Vertragsverlängerung über das Jahr 2018 hinaus angeboten. Über die konkreten Modalitäten werde gegenwärtig verhandelt, heißt es in der Pressemitteilung des Ministeriums. Petrenko ist seit drei Spielzeiten an der Bayerischen Staatsoper. Wie erfolgversprechend die Versuche sind, ihn an der Isar zu halten, ist offen. Denn Chefdirigent bei den Berliner Philharmonikern zu sein und gleichzeitig Generalmusikdirektor an der Bayerischen Staatsoper wäre einekaum zu meisternde Doppelbelastung. Wie die Süddeutsche Zeitung erfahren haben will, soll Petrenko erst 2020 nach Berlin gehen. Dann bräuchten die Berliner Philharmoniker eine Übergangslösung.

"Petrenko mit großer Mehrheit gewählt"

Nach der ersten Wahl am 11. Mai, bei der sich das Orchester auf keinen Nachfolger für Simon Rattle einigen konnte, war ein nächstes Treffen ursprünglich für Herbst dieses Jahres angesetzt worden. Nun aber trafen sich die Berliner Philharmoniker am Sonntag zu einer geheimen Versammlung, um in einem zweiten Anlauf einen neuen Chefdirgenten zu wählen. Und diesmal hat sich das Orchester nach rund drei Stunden geeinigt - auf Kirill Petrenko. "Ich umarme das Orchester" - das waren laut Orchestervorstand Peter Riegelbauer die ersten Worte Petrenkos am Telefon, als den Dirigenten die Neuigkeit erreichte.

Man kann es gar nicht in Worte fassen, was in mir gefühlsmäßig vorgeht: Von Euphorie und großer Freude bis zu Ehrfurcht und Zweifel ist da alles drin.
Kirill Petrenko

Petrenko verspricht, er werde seine ganze Kraft mobilisieren, diesem außergewöhnlichen Orchester ein würdiger Leiter zu sein. Er sei sich der Verantwortung und der hohen Erwartungen bewusst. Vor allem erhoffe er aber vom gemeinsamen Musizieren viele Momente des künstlerischen Glücks, die die harte Arbeit belohnen und das Künstlerleben mit Sinn erfüllen sollen. Die Entscheidung für den medienscheuen Kirill Petrenko begründet das Orchester mit den großen künstlerischen Stärken des russischen Dirigenten:

Diese künstlerische Entscheidung gilt einem Musiker, bei dem Partitur und Werk immer im Vordergrund stehen - und nicht die eigene Person.
Peter Riegelbauer, Orchestervorstand der Berliner Philharmoniker

Medienscheuer Dirigent

Kirill Petrenko gilt als eines der größten Talente seiner Generation. Der medienscheue Dirigent hat sich bislang vor allem auf Oper spezialisiert. Kirill Petrenko war erstmals im Jahr 2006, danach noch 2009 und 2012 als Gastdirigent bei den Berliner Philharmonikern aufgetreten; ein Engagement mit Mahlers Sechster für 2014 musste er krankheitsbedingt absagen. Zunächst wurde in der Presse behauptet, die Berliner hätten Petrenko diese Absage verübelt: Er sei für die Rattle-Nachfolge aus dem Rennen. Doch offenbar sieht das eine Mehrheit im Orchester anders.

Absage von Thielemann und Nelsons

Bisher galten Christian Thielemann und Andris Nelsons als Spitzenkandidaten für die Nachfolge von Simon Rattle. Allerdings hatten sich die Berliner Philharmoniker bei ihrer Zusammenkunft am 11. Mai für keinen der beiden entscheiden können. Wie die "Welt" berichtet, hätten mittlerweile allerdings sowohl Christian Thielemann als auch Andris Nelsons mitteilen lassen, sie stünden den Berliner Philharmonikern nicht mehr für den Posten des Chefdirigenten zur Verfügung.

Schon beim ersten Mal habe Kirill Petrenko einen bleibenden Eindruck bei den Berliner Philharmonikern hinterlassen, bestätigte der Orchestervorstand. Die Frage war demnach nicht, ob, sondern wann Petrenko wieder eingeladen werden sollte. Sicher ist, dass sich die Berliner Philharmoniker in ihrer Außendarstellung kräftig umstellen müssen: Auf den Mediendarling Rattle folgt mit Petrenko ein fast mönchisch-zurückgezogener, hochempfindlicher Kunstfanatiker.

Alle Chefdirigenten der Berliner Philharmoniker

1887 - 1892: Hans von Bülow
1895 - 1922: Arthur Nikisch
1922 - 1934 und 1952 - 1954: Wilhelm Furtwängler
1956 - 1989: Herbert von Karajan
1990 - 2002: Claudio Abbado
2002 - 2018: Simon Rattle
??? - ???: Kirill Petrenko
(derzeit wird verhandelt, wann Petrenko in Berlin beginnen wird)

Petrenkos Werdegang

Geboren wurde Petrenko 1972 im russischen Omsk. Mit elf Jahren debütierte er dort am Klavier mit dem Symphonieorchester der Stadt. 1990 zog er mit seiner Familie ins österreichische Vorarlberg, weil sein Vater eine Stelle als Geiger beim dortigen Symphonieorchester erhielt. 1995 gab er bei diesem Orchester, gerade 23 Jahre alt, sein Debüt als Operndirigent. Er studierte zunächst am Landeskonservatorium in Feldkirch, danach in Wien unter anderem bei Uroš Lajovic, Myung-Whun Chung, Edward Downes, Péter Eötvös und Semyon Bychkov.

Ab 2001 folgten Debüts an großen Häusern wie der Wiener Staatsoper, am Royal Opera House Covent Garden, der Pariser Operá National, der New Yorker MET, an der Bayerischen Staatsoper, in Frankfurt, beim Maggio Musicale Fiorentino und in Dresden. Von 2002 bis 2007 war Kirill Petrenko als Generalmusikdirektor an der Komischen Oper Berlin unter Vertrag, seit der Saison 2013/2014 erfüllt er diese Position an der Bayerischen Staatsoper.

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