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Kritik – Brittens "Sommernachtstraum" an der Deutschen Oper Berlin Weihnachtsmärchen mit Schlummerfunktion

Sonderlich erfolgreich war Benjamin Britten mit seiner nachtschwarzen Shakespeare-Vertonung aus dem Jahr 1960 nicht. Es fehlten ihm Zeit und Konzept. Gleichwohl gelang US-Regisseur Ted Huffman in Berlin eine viel beklatschte, handwerklich solide und stilsichere Bebilderung, deren Premiere am 26. Januar über die Bühne ging.

Brittens "Sommernachtstraum" an der Deutschen Oper Berlin – Szenenfoto | Bildquelle: Bettina Stöß

Bildquelle: Bettina Stöß

Versucht haben es ja einige Komponisten, aber so richtig Glück hatten die wenigsten mit Shakespeares "Sommernachtstraum" ("A Midsummer Night's Dream"). Der letzte, dem dazu ein großer Wurf gelang, war Felix Mendelssohn-Bartholdy, dessen Schauspielmusik von 1842 ja ziemlich populär wurde – vom Hochzeitsmarsch leben die Standesämter bekanntlich bis heute. So einen Erfolg landeten weder Carl Maria von Weber mit seiner Shakespeare-Oper "Oberon" noch Benjamin Britten, der sich 1960 an den "Sommernachtstraum" wagte.

Regisseur kam ohne Blessuren heraus

Gut, der damals viel gefragte Britten war auch unter extremem Zeitdruck, musste wegen eines Festivals innerhalb von nur neun Monaten fertig werden, und das ist seiner Komposition leider schlecht bekommen. Sie wird heute nur noch relativ selten aufgeführt, gilt als textschwach und musikalisch eintönig, riecht auch etwas streng nach dem Mief der fünfziger Jahre. Es ehrt also jeden Regisseur, der aus diesem rund dreistündigen Abend ohne Blessuren herauskommt, und das ist dem jungen New Yorker Ted Huffman an der Deutschen Oper Berlin zweifellos gelungen.

Radikal leere Bühne

Er und seine Ausstatterin Marsha Ginsberg zeigten den "Sommernachtstraum" auf einer radikal leeren Bühne, also buchstäblich auf "Brettern, die die Welt bedeuten", orientierten sich somit am Theater der Shakespeare-Zeit. Britten machte aus dem "Sommernachtstraum" musikalisch ein konsequent meditatives Nachtstück, das im Idealfall poetisch rüberkommt, sehr leicht jedoch einschläfernd wirken kann. Wer diese Streicher-Teppiche hört, dieses esoterische Wiegen und Wogen, der kann sich bei seinem Wecker allemal die Schlummerfunktion sparen.

Mediterranes Sommermärchen aus Montpellier

Brittens "Sommernachtstraum" an der Deutschen Oper Berlin – Szenenfoto | Bildquelle: Bettina Stöß Brittens "Sommernachtstraum" an der Deutschen Oper Berlin – Szenenfoto | Bildquelle: Bettina Stöß Als Amerikaner rückte Ted Huffman mit seiner Inszenierung optisch sehr nah an ein verspätetes Weihnachtsmärchen: Rosa Wölkchen stehen am Himmel, die käsegelbe Mondsichel leuchtet über einer Stehleiter, gegen Ende treten zwei riesenhafte Puppen auf, der Kinderchor hat viel zu tun, alles putzig, alles niedlich, allen voran der zauberhafte Puck, der herrlich durch die Luft fliegt. Das alles begeisterte die Zuschauer schon letztes Jahr im südfranzösischen Montpellier, wo das Ganze als mediterranes "Sommermärchen" wahrgenommen wurde. Jetzt, im Winter in Berlin, wärmte es auch die Herzen des sehr freundlich klatschenden Publikums, wenngleich doch ein paar Fragezeichen blieben.

Diktator mit Alkoholproblem

So wird bei Britten ziemlich deutlich die englische Klassengesellschaft vorgeführt: hier die reichen Adeligen, dort die tumben Handwerker. Ted Huffman lässt die Oberschicht in Uniformen und Kleidern der fünfziger Jahre auftreten, der Herzog scheint eine Art Diktator mit Alkoholproblem, sein Hofstaat ist total versnobt und affektiert. Die Handwerker machen sich nach Kräften lächerlich, müssen in peinlichen Trikothosen auftreten, wie sie die starken Männer vom Jahrmarkt tragen. Das sorgte zwar für Lacher, war aber nur Klamauk: Da hätte wesentlich mehr satirischer Biss gutgetan. Zur britischen Gegenwart wäre ja einiges zu sagen gewesen.

Viel zu groß angelegt

Überhaupt ignorierte Ted Huffman alle Untiefen des "Sommernachtstraums", in dem sich zum Beispiel Oberon und Titania rabiat um ein Kind streiten, das sie beide in ihrem Gefolge haben wollen, womöglich sogar sexuell begehren. Hier darf es ganz harmlos mit einem Stofftier auftreten und Vater, Mutter, Kind spielen. Insgesamt wirkte die Produktion überdimensioniert, viel zu groß angelegt, dafür, dass dieser "Sommernachtstraum" eigentlich ein Kammerspiel ist und einst für eine deutlich kleinere Bühne geschrieben wurde.

Textmassen begruben die Musik

Brittens "Sommernachtstraum" an der Deutschen Oper Berlin – Szenenfoto | Bildquelle: Bettina Stöß Brittens "Sommernachtstraum" an der Deutschen Oper Berlin – Szenenfoto | Bildquelle: Bettina Stöß Der schottische Dirigent Donald Runnicles ließ es sich als Generalmusikdirektor der Deutschen Oper Berlin nicht nehmen, diesen schwierigen Britten selbst zu übernehmen. Wunder konnte er auch nicht vollbringen, so sehr er um Spannungsbögen bemüht war. Die Textmassen begruben die sehr introvertierte Partitur immer wieder unter sich. Unter den 19 Solisten begeisterte allen voran der schottische Schauspieler Jami Reid-Quarrell als fliegender Puck, sowie der Countertenor James Hall als Oberon und die aus Trinidad und Tobago stammende Sopranistin Jeanine De Bique als Helena.

Ohne jegliche Genialität

Viel Furore wird Benjamin Brittens "Sommernachtstraum" wohl auch künftig nicht machen – wer sich vor Augen führt, was Verdi aus Shakespeares "Macbeth" gemacht hat, der wird bei dieser Oper jegliche Genialität vermissen. Aber so bildstark inszeniert wie in Berlin kann eben manchmal auch bloßes Handwerk überzeugen.

Sendung: "Allegro" am 27. Januar 2020 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Der Berliner "Sommernachtstraum"

Informationen zu Terminen, Vorverkauf und Besetzung finden Sie auf der Homepage der Deutschen Oper Berlin.

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