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Preise beim 18. Chopin-Wettbewerb vergeben Bruce Liu aus Kanada triumphiert in Warschau

Er gehört zu den wichtigsten Musikwettbewerben weltweit, und das, obwohl – oder gerade weil – er dem Werk eines einzigen Komponisten gewidmet ist: Frédéric Chopin. Alle fünf Jahre wird der Chopin-Wettbewerb in Warschau ausgetragen. Eigentlich sollte er schon im vergangenen Jahr stattfinden, ist dann aber auch der Pandemie zum Opfer gefallen. Umso glücklicher war man darüber, dass nun die 18. Ausgabe über die Bühne gehen konnte: mit 87 jungen Pianistinnen und Pianisten aus aller Welt.

Bruce (Xiaoyu) Liu, Gewinner des 18. Chopin-Wettbewerbs | Bildquelle: Wojciech Grzędziński / NIFC

Bildquelle: Wojciech Grzędziński / NIFC

Aktuelles Gespräch zum 18. Chopin-Wettbewerb

Eigentlich war die Bekanntgabe für 23:30 Uhr angesetzt. Es wurde dann schließlich doch später als zwei Uhr nachts, bis sich der Wettbewerbsdirektor Arthur Szklener endlich an die geschätzt rund 100 wartenden Journalisten und noch mal so viele geduldig ausharrenden Fans im Foyer der Warschauer Philharmonie wandte, um das heiß ersehnte Ergebnis bekannt zu geben: Der erste Preis des Chopin-Wettbewerbs geht 2021 an den 24-jährigen Kanadier Bruce Liu.

Zwölfköpfiges Finale

Liu musste am Mittwoch (20. Oktober) nach einem drei-tägigen Finale als letzter der insgesamt zwölf Finalisten mit dem Warsaw Philharmonic unter Andrzej Boreyko spielen. Und er meisterte die Herausforderung, Zuhörer und Jury mit seiner ideenreichen und von Anfang an spritzigen Interpretation noch einmal zu fesseln. Keine ganz leichte Aufgabe: Denn zu diesem Zeitpunkt war Chopins e-Moll-Konzert bereits acht Mal über die Bühne gegangen. Aber Bruce Liu war von der ersten Sekunde an dermaßen präsent, dass das Publikum 40 Minuten lang wirklich nochmal buchstäblich auf der Stuhlkante saß.

Und packen konnte Liu auch das Orchester, nahm die Musiker und Musikerinnen mit und zeigte ihnen, was und wohin er musikalisch wollte. Ihm gelang damit genau das, was einige der übrigen elf Finalisten vermissen ließen. Auch in den anderen Runden hatte der junge Kanadier überzeugt. Doch besonders im Finale wagte er nochmals alles – und bekam prompt die Belohnung: Noch vor dem Schlussakkord quittierte das sonst durchaus kritische Publikum in Warschau seine Darbietung mit minutenlangen Standing Ovations.

Entfesselte Atmosphäre in Warschau

Die Atmosphäre beim Chopin-Wettbewerb ist bekanntermaßen eine ganz besondere. Es ist ein großes nationales Ereignis, auf das man alle fünf Jahre hinfiebert. Schon früh morgens von 8 Uhr an stehen die Menschen Schlange vor der Philharmonie, um vielleicht doch noch eines der heißumkämpften Tickets zu ergattern. Und in diesem Jahr war alles natürlich noch enthusiastischer und aufgeheizter. Es ließ sich förmlich spüren, wie hungrig die jungen Musikerinnen und Musiker und vor allem auch das Publikum nach der pandemiebedingten einjährigen Verspätung waren.

Im Chopin-Fieber

Dina Yoffe | Bildquelle: NIFC Dina Yoffe, Preisträgerin beim Chopin-Wettbewerb 1975 und in diesem Jahr Mitglied der 18-köpfigen Jury | Bildquelle: NIFC Rund einhundert Stunden Musik von Chopin während eines Zeitraums von gut zwei Wochen gab es dann beim 18. Chopin-Wettbewerb. Für Fans des Wettbewerbs bedeutet diese Überdosis, sich nach kürzester Zeit in einem richtiggehenden "Chopin-Sog" zu befinden. Trotzdem stellt sich natürlich immer wieder die Frage: Kann man junge Pianisten und Pianistinnen wirklich umfassend beurteilen, wenn sie nur Werke eines einzigen Komponisten spielen?

Jurorin Dina Yoffe meint dazu: "Ich kann vom ersten Stück an schon spüren, um was für einen Musiker es sich handelt, und das nicht nur bei Chopin. Denn wer gut Chopin spielen will, der muss jeden Tag mit Bach beginnen und sich auch gut in der Klassik und in der Moderne auskennen." Die gebürtige Lettin kennt den Wettbewerb bestens, war schon oft Jury-Mitglied und erspielte sich selbst 1975, im Siegerjahr von Krystian Zimerman, einen zweiten Preis.

Ich kann vom ersten Stück an schon spüren, um was für einen Musiker es sich handelt, und das nicht nur bei Chopin.
Jurorin Dina Yoffe

Vielseitiges Teilnehmerfeld

Dabei wehrt Dina Yoffe sich vehement dagegen, dass es nur eine einzige wahre Art gäbe, die Musik von Chopin zu interpretieren. Umso mehr schätzt sie die wirklich ganz unterschiedlichen Charaktere und Interpretationsansätze der zwölf Finalisten. Denn die waren grundverschieden. Im Spiel, in ihrer Ausstrahlung und im Ausdruck; und vor allem auch sehr unterschiedlich in ihrer künstlerischen Reife: von der jüngsten Finalisten mit grade mal 17 Jahren bis zur ältesten mit knapp 30.

Die Preise beim 18. Chopin-Klavierwettbewerb

Beim 18. Chopin-Klavierwettbewerb wurden die üblichen Statuten abgeändert: Statt der üblich zehn wurden zwölf Musiker zum Finale zugelassen – und anstelle der üblich sechs Preise wurden acht verliehen.

1. Preis: Bruce (Xiaoyu) Liu, Kanada
2. Preis: ex aequo – Alexander Gadjiev, Italien/Slowenien
2. Preis: ex aequo – Kyohei Sorita, Japan
3. Preis: Martin Garcia Garcia, Spanien
4. Preis: ex aequo – Aimi Kobayashi, Japan
4. Preis: ex aequo – Jakub Kuszlik, Polen
5. Preis: Leonora Armellini, Italien
6. Preis: J J Jun Li Bui, Kanada

Die Videos aller Teilnehmer und Runden gibt es auf der Website des 18. Internationalen Chopin-Klavierwettbewerbs zu sehen.

Sendung: "Leporello" am 21. Oktober 2021 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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Montag, 25.Oktober, 11:19 Uhr

Dr. Wolfgang Meyer

Teinehmer

Wurde bereits in den Medien darüber diskutiert, warum aus den großen Kulturnationen Deutschland und Österreich kein Musiker an diesem Wettbewerb teilgenommen hat?

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