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Der Pianist Chilly Gonzales Ein Chamäleon an den Tasten

Klassik, Hip-Hop, House, Pop und Jazz - Chilly Gonzales hat alles drauf. Und er liebt den Stilmix. Am Samstag tritt der kanadische Pianist in München auf - wie immer in Morgenmantel und Filzpantoffeln. BR-KLASSIK hat er verraten, warum er alles Elitäre ablehnt und wer sein großes Vorbild ist.

Chilly Gonzales  | Bildquelle: picture-alliance/dpa

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Porträt

Chilly Gonzales - "The musical genius"

"Ich bin ein musikalischer Humanist. Ich denke, Musik sollte Menschen verbinden. Darum suche ich nach den Gemeinsamkeiten verschiedener Stile, statt mich auf die Unterschiede zu konzentrieren", sagt Chilly Gonzales. Der kanadische Pianist ist bekannt für seinen Stilmix. Er sieht sich selbst als musikalischen Entertainer. "Am Ende sind es doch eh immer die gleichen zwölf Noten, die wir seit Jahrhunderten auf dem Klavier spielen", so Gonzales. "Ich versuche diese Grenzen mit modernen Stilmitteln auszureizen. Ich bringe die klassische Musik in die Gegenwart."

Seidener Morgenmantel und Filzpantoffeln

Chilly Gonzales | Bildquelle: picture-alliance/dpa Chilly Gonzales in Morgenmantel am Klavier | Bildquelle: picture-alliance/dpa Besonders bescheiden klingt die Mission von Chilly Gonzales nicht. Aber vielleicht wäre das auch zu viel erwartet von einem Pianisten, der sich selbst als "musikalisches Genie" bezeichnet. Da grenzt es schon fast an Understatement, wenn er mit Dreitagebart im seidenen Morgenmantel und mit Filzpantoffeln auf die Bühne schlurft. Das Outfit ist längst zum Markenzeichen des Kanadiers geworden. Einen Frack und elegante Lackschuhe sucht man in seinem Kleiderschrank jedenfalls vergeblich. Der Pianist ist ein Entertainer, und als solcher hält er sich nicht gern an den Knigge für klassische Konzerte.

Ich bin gegen alles Elitäre.
Chilly Gonzales

Chilly Gonzales vertritt die Ansicht, klassische Musik sollte für alle da sein - auch für junge Leute. Er bewundert Johannes Brahms, weil der als Jugendlicher in Spelunken und Bordellen aufgetreten ist. Diese Nähe zu den Leuten auf der Straße würde sich auch in Brahms' Musik wiederspiegeln, sagt Gonzales: "Da gibt es fast immer einen Moment, wo du am liebsten aufstehen und auf deinem Stuhl tanzen möchtest." Typisches Beispiel seien die Ungarischen Tänze. Darin sieht Gonzales Brahms' große Stärke: "Brahms hatte einfach ein Gefühl für Rhythmus. Die Musik sollte eingängig sein und gefällig, keine Folter."

Wie sein großes Vorbild Johannes Brahms, möchte auch Chilly Gonzales Musik komponieren, die unterhaltsam ist, aber nicht beliebig klingt. Als ausgebildeter Jazzpianist versucht der Wahl-Kölner den Spagat zwischen Hochkultur und Pop. Genregrenzen kennt er dabei keine. Fast wirkt er wie ein musikalisches Chamäleon zwischen ständig wechselnden Klangfarben. Mal komponiert er Kammermusik, dann schraubt er an Elektro-Beats oder vertont Märchen von Hans Christian Andersen.

Musikalischer Cocktail - Gonzales eigenes Rezept

Aktuell spielt Chilly Gonzales in den großen Klassiksälen wie der Wiener Staatsoper oder der Elphilharmonie in Hamburg Kompositionen aus seinem dritten Album für Klavier solo. "Das sind kürzere Songs mit ein oder zwei starken Motiven", erklärt Chilly Gonzales und vergleicht seine Kompositionen mit den "Liedern ohne Worte" von Mendelssohn oder den Bagatellen von Beethoven. Nur sei bei ihm selbst alles etwas lockerer. Gonzales' Rezept ist ganz einfach: "Ich nehme die Harmonien aus der klassischen Musik, spiele aber mit dem Anschlag und der Präsenz eines Jazzmusikers - in der Struktur eines Popsongs."

Wozu passt dieser musikalische Cocktail nun am besten? Zum eleganten Abendkleid und Smoking oder eher zu T-Shirt und verwaschener Jeans? Chilly Gonzales kümmert das herzlich wenig. Die einen hören seine Stücke eben bewusst und die anderen eher als Hintergrundmusik. Gott sei sei Dank gehe das eben auch, sagt der Kanadier und schnürt sich den mattglänzenden Morgenmantel ein Stück enger.

Konzerthinweis:
Samstag, 27. April 2019, 15.30 Uhr und 20 Uhr im Herkulessaal in München.

Sendung: "Allegro" am 26. April 2019 um 6.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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