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Der Intendant der Elbphilharmonie im Gespräch "Konzerthausprojekte brauchen ihre Zeit"

Bereits zum zweiten Mal war das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks in diesem Jahr in der Elbphilharmonie zu Gast, in wenigen Wochen wird es ein weiteres Mal dort auftreten. Christoph Lieben-Seutter, Intendant des Hamburger Konzerthauses, spricht im Interview über die besondere Beziehung zum BR-Symphonieorchester - und was für einen neuen Konzertsaal notwendig ist.

Generalintendant der Elbphilharmonie Christoph Lieben-Seutter | Bildquelle: picture-alliance/dpa

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Das Interview in voller Länge zum Anhören

BR-KLASSIK: Herr Lieben-Seutter, das BR-Symphonieorchester gastiert ja in dieser Saison dreimal in der Elbphilharmonie - zweimal mit Mariss Jansons und jetzt mit Bernard Haitink. Wie kam es zu dieser kleinen Residenz des Orchesters?

Christoph Lieben-Seutter: Wir haben eine durchaus besondere Beziehung zu diesem Orchester. Aus mehreren Gründen: Nicht zuletzt war Mariss Jansons schon seit über zwölf Jahren an dem Projekt Elbphilharmonie interessiert. Als ich seinerzeit - da war ich noch beim Wiener Konzerthaus - nach Hamburg berufen wurde, hat er gleich angerufen und gesagt: wie spannend! In München habe er auch etwas mit einem Konzerthaus geplant, nun wolle er kommen und in der Elbphilharmonie auftreten. Da haben wir mehrere Konzerte mit dem Orchester in Hamburg geplant - die dann nicht in der Elbphilharmonie stattfinden konnten, weil die noch nicht fertig war. Und deswegen waren das BR-Symphonieorchester und Mariss Jansons, als es dann endlich soweit war, in der Pole-Position. Und was noch hinzu kommt: Ich bin ein großer Verehrer von Bernard Haitink, der sich rar macht. Er ist ja alles andere als ein Jetset-Pultstar. Aber gerade diese Seriosität und diese Klarheit, mit der er zur Sache geht, hat mich immer sehr beeindruckt. Ich kann mir kaum etwas Besseres wünschen: Es ist die erste offizielle Aufführung des Brahms-Requiems in der Elbphilharmonie - und dass die unter seiner Leitung stattfindet, ist für mich ganz wunderbar.

Es gibt viele Nebensächlichkeiten, die dann aber doch für einen runden Betrieb entscheidend sind.
Christoph Lieben-Seutter

Zu starke Fokussierung schadet

BR-KLASSIK: Schlagen wir den Bogen zum Konzerthausprojekt in München. Es hat ja hier in der Elbphilharmonie diverse Mängel gegeben: einen Mangel an Damentoiletten, Stolpersteine bei den Treppen, relativ lange Wege vom Backstagebereich. Es gibt auch kein eigenes Rundfunkstudio. Was kann München aus den Planungsfehlern in Hamburg vielleicht lernen?

Der neue Generalintendant der Elbphilharmonie, Christoph Lieben-Seutter, posiert am 7. Juni 2006 in Hamburg vor dem Kaispeicher A, auf dem die Elbphilharmonie errichtet werden soll.  | Bildquelle: picture-alliance/dpa Christoph Lieben-Seutter, der Intendant der Elbphilharmonie | Bildquelle: picture-alliance/dpa Christoph Lieben-Seutter: Da muss ich ein bisschen was relativieren. Erstens: Es gibt ein eigenes Rundfunkstudio. Viele der Dinge waren zudem ganz leicht behebbar: Nicht so gut sichtbare Treppenstufen haben wir einfach besser markiert, seitdem sind sie gut sichtbar. Selbst die Anzahl der Damentoiletten ist ausreichend; allerdings sind sie tatsächlich nicht optimal verteilt im Gebäude. Da gibt es Engpässe, das stimmt. Was man generell lernen kann, ist, dass man sich nicht ausschließlich fokussieren sollte - einerseits auf ein spektakuläres Äußeres und auf der anderen Seite auf die Akustik des Saales. Die Akustik stellt natürlich das Herz eines Konzerthauses dar - keine Frage, die hat höchste Priorität. Aber dazwischen liegen ganz viele Themen: die Foyers in ihrer Gestaltung und Anmutung, die Brauchbarkeit der Garderoben, die Bars mitsamt der Funktionalität der Gastronomie dahinter. Es gibt viele "Nebensächlichkeiten", die dann aber doch für einen runden Betrieb Tag für Tag eigentlich entscheidend sind.

Es zahlt sich immer aus, bis zur letzten Steckdose alles vorher definiert zu haben.
Christoph Lieben-Seutter

Frühe Planung verhindert Kosten

BR-KLASSIK: Der bayerische Landtag hat dem Münchner Konzerthausprojekt jetzt eine zweijährige Planungsphase verordnet, sodass der Baubeginn wahrscheinlich erst 2020 stattfinden kann. Das ist vermutlich sinnvoll, um eine derartige Kostenexplosion wie in Hamburg zu vermeiden.

Christoph Lieben-Seutter: Ja, wobei die Kostenexplosion in Hamburg ganz spezifische Gründe hatte. Da ist man eindeutig zu schnell losgelaufen und hat sehenden Auges Verträge geschlossen, obwohl die Planungen noch nicht fertig waren; man hat sich das irgendwie schön geredet. Das war ein kapitaler Fehler, der gleich zu Beginn passiert ist. Es zahlt sich immer aus - im Kleinen oder Privaten genauso wie bei ganz großen Bauprojekten - wirklich bis zur letzten Steckdose alles vorher definiert zu haben, bevor man Aufträge vergibt. Das sollte man sicher auch in München so machen. Generell brauchen Konzerthausprojekte ihre Zeit. Mein Pariser Kollege, dessen Philharmonie auch einige Jahre später als geplant aufgemacht hat, prognostizierte mir damals schon: Du wirst sehen, das kostet zehn Jahre Deines Lebens, bis das Ding steht. Und so war es dann auch.

Sendung: "Leporello" am 12. März 2018 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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