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Prostestaktion gegen Corona-Maßnahmen in Holland Zum Haareschneiden in den Concertgebouw

Friseure dürfen Kund*innen empfangen, Orchester aber kein Publikum? Aus Protest gegen die strengen Corona-Einschränkungen der Kultur haben niederländische Künstler*innen den Friseursalon kurzerhand ins Konzerthaus verlegt.

19.01.2022, Niederlande, Amsterdam: Menschen lassen sich während einer Probe im Concertgebouw auf der Bühne die Haare schneiden. Geschäfte, die wegen der Pandemie geschlossen bleiben müssen, wurden aus Protest an diesem Tag in niederländischen Museen, Theater und Konzerthallen für Kunden geöffnet. | Bildquelle: dpa-Bildfunk/Peter Dejong

Bildquelle: dpa-Bildfunk/Peter Dejong

Musikberieselung im Friseursalon oder im Nagelstudio – was unter dem Namen Fahrstuhlmusik längst zum Sinnbild für möglichst anspruchslose Musik geworden ist, ist in den Niederlanden gerade hohe Kunst. Am 19. Januar sitzen die Menschen dort beim Haareschneiden etwa im weltberühmten Amsterdamer Concertgebouw und ein groß besetztes Orchester begleitet live den neuen Stufenschnitt.

Trotz Verbot öffnen die Theater ihre Türen

Was sich wie ein absurder Luxus anhört, ist eine Protestaktion niederländischer Künstler. Die derzeit sehr strengen Corona-Regeln besagen, dass etwa Friseure oder Yogalehrerinnen Kunden empfangen, aber Bühnenkünstler nicht vor Publikum auftreten dürfen. Auf diese Ungleichbehandlung haben nun um die 70 Theater und andere holländische Kulturinstitutionen reagiert – sie öffneten trotz Verbot für einen Tag die Türen ihrer Häuser. Kurzerhand erklärten sie ihr eigenes Gewerbe zur Branche der körpernahen Dienstleistungen: Haareschneiden im Konzertsaal, Nagelfeilen im Museum. Initiiert hat die Aktion der Kabarettist Diederik Ebbinge unter dem Namen "Friseursalon Theater".

Friseure dürfen arbeiten, Kulturschaffende nicht. Warum?

Es sei nicht nachvollziehbar, dass Friseure, Masseure und Kosmetiker wieder arbeiten dürfen, Schauspieler, Tänzer und Comedians aber nicht, erklärt die Schauspielerin und Kabarettistin Sanne Wallis de Vries.

Die Prioritäten sind nicht deutlich.
Kabarettistin Sanne Wallis de Vries über die niederländische Corona-Politik

Also schaffen die Kunstschaffenden des Landes für einen Tag ihre eigenen Prioritäten. Und führen ihre Kunst eben auch mal wieder vor Publikum auf – etwas, das seit dem 19. Dezember 2021 in den Niederlanden nicht mehr möglich ist. Bei der Prostestaktion – Live-Kunst zur Dienstleistung – wird aber streng darauf geachtet, die für die neue Branche geltenden Regeln einzuhalten: also Maske und eine beschränkte Kundenzahl, sowie einen obligaten Impfnachweis.

Friseurtermine im Theater – sofort ausverkauft

19.01.2022, Niederlande, Amsterdam: Menschen lassen sich während einer Probe im Concertgebouw auf der Bühne die Haare schneiden. Geschäfte, die wegen der Pandemie geschlossen bleiben müssen, wurden aus Protest an diesem Tag in niederländischen Museen, Theater und Konzerthallen für Kunden geöffnet.      (zu dpa "Protest gegen Corona-Maßnahmen: Haarschnitt und Fitness auf der Bühne") Foto: Peter Dejong/AP/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ | Bildquelle: dpa-Bildfunk/Peter Dejong Amsterdam: Menschen lassen sich während einer Probe im Concertgebouw auf der Bühne die Haare schneiden. | Bildquelle: dpa-Bildfunk/Peter Dejong

Das Publikum hat die Aktion gut angenommen – in einem Amsterdamer Theater waren die 200 Friseur-Termine innerhalb weniger Minuten ausverkauft. Hinter der lauten Prostestaktion stecken auch ernste Forderungen: Man habe ein Papier entwickelt, wie in jeder Phase der Pandemie Publikum empfangen werden könne, erklärt Jeroen Bartelse, Sprecher der Interessensgemeinschaft von Kulturschaffenden und Direktor des Utrechter Konzertzentrums Tivoli Vredenburg. Eineinhalb Meter Abstand, Masken, Impfnachweise und geringere Auslastungen nennt er als mögliche und bekannte Maßnahmen: "Auf diese Weise ist es sehr gut möglich, die Einrichtungen, die Säle, die Museen offen zu halten." Nichts anderes wollen die Künstler*innen.

Sendung: "Leporello" am 19. Januar 2022 ab 16:05 Uhr auf BR-Klassik.

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