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Debatte um Corona-Impfpflicht und 2G in Orchestern Wenn der Impfstatus das Musizieren beeinträchtigt

Kein Bereich unserer Gesellschaft kommt um die Frage nach der Impfquote herum, vor allem nicht die Kultur. Wieder müssen Kulturbetriebe in Bayern wegen der vierten Corona-Welle ihren Betrieb massiv einschränken, kämpfen oft selbst mit Covid19-Ausbrüchen. Über den richtigen Umgang mit der Pandemie wird in Orchestern viel diskutiert und auch gestritten. Impfpflicht, ja oder nein? 2G für Orchester? BR-KLASSIK-Autor Matthias Rüd hat sich in Nürnberg umgehört und mit der Deutschen Orchestervereinigung gesprochen.

Eine Medizinstudentin spritzt einen Mann in einer kommunal organisierten Impfstelle. | Bildquelle: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Martin Schutt

Bildquelle: picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Martin Schutt

Die Mathematik eines Orchesters, auch die der Nürnberger Symphoniker, könnte für Intendant Lucius Hemmer so einfach sein: 50 Musikerinnen und Musiker erzeugen auf einer Bühne, in einem Orchestergraben zusammen einen Klang. Doch so einfach ist es aktuell nicht. Durch das Kollektiv Orchester zieht sich der gleiche Riss wie durch die Gesellschaft an sich. Auf der einen Seite steht die große Mehrheit der geimpften Musizierenden, auf der anderen die ungeimpften Kollegen und Kolleginnen.

Das gemeinsame Musizieren beruht zum großen Teil auf maximalem gegenseitigen Vertrauen.
Lucius Hemmer, Intendant der Nürnberger Symphoniker

Lucius A. Hemmer, Intendant der Nürnberger Symphoniker | Bildquelle: Torsten Hönig Lucius Hemmer, Intendant der Nürnberger Symphoniker | Bildquelle: Torsten Hönig Eine schwierige Situation für den Nürnberger Klangkörper, bedauert Hemmer im Interview mit BR-KLASSIK. "Das gemeinsame Musizieren beruht zum großen Teil auf maximalem gegenseitigen Vertrauen". Dieses Vertrauen könne beispielsweise dadurch erschüttert werden, dass einige Kolleginnen und Kollegen sich nicht impfen lassen. "Sie entziehen sich dadurch dieser kollektiven Verpflichtung, für eine Sicherheit zu sorgen."

Auch für Orchester gilt: 3G am Arbeitsplatz

Die Symphoniker befolgen die vom Staat vorgeschriebenen Regeln: 3G am Arbeitsplatz. Alle Ungeimpften müssen sich täglich testen lassen, erklärt Lucius Hemmer. "Das dokumentieren wir auch und fordern es ein." Darüber hinaus werden zweimal pro Woche alle Mitwirkenden auf der Bühne getestet. Sollte ein Schnelltestergebnis positiv ausfallen, folgt unverzüglich ein PCR-Test.

"Gemeinsam gegen Corona" – Fragen und Antworten zur Impfung

"Was bringt die Impfung überhaupt, wenn ich mich trotzdem anstecken kann?", "Kann die Impfung unfruchtbar machen?", "Soll ich auf den Omikron-Booster warten?" Hier finden Sie Antworten auf Ihre Fragen zur Impfung.

Knapp 90 Prozent der Nürnberger Symphoniker sind geimpft

Die Impfquote ist bei den Nürnberger Symphonikern deutlich höher als der Bundesdurchschnitt: In der Verwaltung seien alle geimpft, so Intendant Lucius Hemmer, im Orchester knapp 90 Prozent. Die anderen 10 Prozent sorgen im Klangkörper für Diskussion. Vor allem, wenn wegen eines Corona-Ausbruchs Konzerte ausfallen müssen. Doch auch Geimpfte können das Virus prinzipiell weitergeben.

Quer durch die Bundesrepublik ist die Stimmung in den Orchestern sehr schwierig.
Gerald Mertens, Geschäftsführer der Deutschen Orchestervereinigung

Rechtsberatung für ungeimpfte Orchestermitglieder schwierig

Gerald Mertens | Bildquelle: picture-alliance/dpa Gerald Mertens, Geschäftsführer der Deutschen Orchestervereinigung | Bildquelle: picture-alliance/dpa Diese Unruhe spürt auch Gerald Mertens, der Geschäftsführer der Deutschen Orchestervereinigung. Die DOV vertritt alle Musikerinnen und Musiker der professionellen Orchester - Geimpfte, wie auch Ungeimpfte. "Quer durch die Bundesrepublik ist die Stimmung in den Orchestern sehr schwierig. Geimpfte sagen: 'Warum tut der Verband nichts dafür, dass die Ungeimpften irgendwie unter Druck gesetzt werden, sich auch impfen zu lassen?' Die Ungeimpften wiederum sagen: 'Warum tut der Verband nichts dagegen, dass wir in die Ecke gestellt und gebrandmarkt werden?'" Die Rechtsberatung für ungeimpfte Orchestermitglieder sei derzeit noch schwierig, so Mertens, da es eben noch keine Impfpflicht gibt. Unklar ist auch, was es für Folgen für den Arbeitgeber hat, wenn Musiker ohne Impfschutz freigestellt werden.

Coronafälle führen zu Konzertabsagen

Coronatest | Bildquelle: picture alliance / CHROMORANGE | Matthias Stolt Zweimal pro Woche werden bei den Nürnberger Symphonikern alle Mitwirkenden auf der Bühne getestet. | Bildquelle: picture alliance / CHROMORANGE | Matthias Stolt Fragen, die auch die Orchesterdirektorin der Nürnberger Staatsphilharmonie, Ellen Deger, umtreiben. In ihrem Orchestergraben im Staatstheater wird es bei Maximalbesetzung und 90 Musikerinnen und Musikern besonders eng. Es heißt: Zusammenrücken für den perfekten Klang. Und gerade jetzt, bei hohen Inzidenzzahlen, wird diese Enge besonders problematisch. Auch in der Staatsphilharmonie gab es zuletzt positive Coronafälle, auch hier musste das Orchester pausieren, so Ellen Deger. "Wir sind natürlich eine Gruppe von Leuten, die nur durch den engsten Kontakt arbeiten können. Wir haben jetzt anderthalb Jahre künstlerisch zurückgesteckt. Das raubt uns den Nährboden, das gemeinsame Musizieren wird problematisch."

Wenn wir irgendwann in Deutschland eine 2G- oder Impfflicht bekommen, kann es dem Kulturbetrieb nur helfen.
Ellen Deger, Orchesterdirektorin der Nürnberger Staatsphilharmonie

Banner am Balkon der Nürnberger Staatsoper wirbt für Impfung

Seit kurzem hängt am Balkon der Nürnberger Staatsoper das Banner: "Impfen rettet Leben und auch die Kultur". Das Theater macht sich klar für die Impfpflicht stark. Für Ellen Deger ist das absolut nachvollziehbar: "Wir versuchen hier Probleme zu lösen, weil es politisch keine Entscheidungen gibt. Wenn wir irgendwann in Deutschland eine 2G- oder Impfflicht bekommen, kann es dem Kulturbetrieb nur helfen. Eindeutige Ansagen aus Berlin, darauf hoffen auch die Deutsche Orchestervereinigung und die Nürnberger Symphoniker.

Sendung: "Leporello" am 8. Dezember 2021 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (3)

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Mittwoch, 15.Dezember, 00:39 Uhr

F. Sturm

Wilfried Schneider

Und wieder jemand, der nicht kapiert hat, worum es hier eigentlich geht, und der -wie die Artikelschreiber und die hier Interviewten immer noch glaubt, dass Impfen der einzige Weg aus der Pandemie heraus und die Rettung der Kultur sei. Die "Gründe für die unsinnigen Behinderungen" der Kultur sind dem Systemnarrativ längst vollständig weggebrochen. Für 3G, 2G und 2G+ gibt es keine medizinisch nachvollziehbaren Begründungen. Eine "Herdenimmunität" würde sich nur bei einer sterilen Impfung mit lang anhaltender Wirkung oberhalb ca. 70% ergeben. Da die bislang aufgefahrenen Impfstoffe dies offensichtlich nicht leisten, hat sich die Diskussion über eine Impfpflicht vom medizinischen Standpunkt her längst erledigt -vom politischen Standpunkt her allerdings offensichtlich noch nicht. Das sollte ALLEN freiheits-, kultur- und demokratieliebenden Bürgern (egal ob geimpft oder ungeimpft) zu denken geben.

Samstag, 11.Dezember, 09:56 Uhr

Wilfried Schneider

Ingolf B "Fein vorbereitet"

Ich nehme an, dass der Kulturfeind Söder Ihnen für diesen Kommentar äußerst dankbar sein wird. Leute wie Sie liefern die von ihm sehnlichst gesuchten Begründungen für seinen Feldzug gegen Kulturschaffende und Kulturliebhaber. Jeder Geimpfte mehr macht es diesem Herrn schwerer, Gründe für die unsinnige Behinderung des Betriebes von Theatern, Konzert- und Opernhäusern zu konstruieren. Also: falls Ihnen Kultur wichtig ist, lassen Sie sich Impfen!!

Mittwoch, 08.Dezember, 17:10 Uhr

Ingolf B

Fein vorbereitet

wird auch hier das Narrativ, das eigentlich überholt ist. Impfung ist kein verlässlicher Schutz, gleich gar nicht für andere. Selbstschutz erzwingen ist die Lösung? Wieso hängt man immer noch an schon aufgegebenen Inzidenzen? Gibt es mehr als eine Lösung für Corona? Darf man am Gebäude Impfwerbung machen mit unbelegte Versprechen?
2G oder Impfpflicht mag tatsächlich helfen. Der Gleichschaltung, denn die nicht Passenden werden entsorgt.
Mist, wenn über Gesundheit rein politisch befunden wird

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