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Kritik - "Don Carlo" auf Gut Immling Eisige Welten inmitten einer Idylle

Unter dem Motto "Paradiesische Zeiten" hat am Samstag das Immling Festival auf dem idyllischen Gut des Intendanten Ludwig Baumann bei Bad Endorf im Chiemgau begonnen. Als erste von vier Opernpremieren stand Giuseppe Verdis "Don Carlo" auf dem Spielplan: Eine große Herausforderung für alle Beteiligten, denn diese Oper verlangt nach fünf hervorragenden Solisten und leistungsstarkem Chor. Und ausgerechnet bei der Premiere mussten Chefdirigentin Cornelia von Kerssenbrock und auch der Tenor der Titelpartie krankheitsbedingt absagen.

Don Carlo auf Gut Immling | Bildquelle: Vladimir Klejch

Bildquelle: Vladimir Klejch

Draußen Blütenpracht, saftige Wiesen und goldener Sonnenschein – drinnen eine eisige Welt mit Mönchen in grauen Kutten, einem kalten Grabstein und verdorrtem Baum.

"Don Carlo" auf Gut Immling | Bildquelle: Vladimir Klejch Szene aus "Don Carlo" auf Gut Immling | Bildquelle: Vladimir Klejch

Stefano Simone Pintors kühl durchdachte Inszenierung von Verdis "Don Carlo" auf Gut Immling setzt einen scharfen atmosphärischen Kontrast zum idyllischen Spielort. Lediglich die Raumtemperatur in der ehemaligen Reithalle und das sich für wenige Auftritte öffnende Haupttor liefern spanisch-mediterranes Flair für diese nicht etwa in Island, sondern in Spanien spielende Oper. Sogar zum liebliche Blüten besingenden Frauenchor schneit es auf die weiße Schräge der schlichten, einem Eisberg gleichenden Bühne von Ludwig Baumann und Walter Ulrich. Dessen Videoeinspielungen beleben zusammen mit den Lichteffekten von Arndt Sellentin das Geschehen mehr als die einheitsgrauen, sehr schlichten Kostüme von Kerstin Rossbander.

Optimale Tempi und ideale Balance

Umso glutvoller wirkt Verdis Musik aus der Hand von Lorenzo Coladonato. Der in Mailand ausgebildete Dirigent lockt aus dem Immlinger Festivalorchester einen beachtlich schönen Klang, liefert optimale Tempi und die ideale Balance für die extrem exponierten Solisten. Auch mit dem kurzfristig eingesprungenen Tenor Hector Lopez harmoniert das Orchester perfekt. Leider schwankt Lopez in seiner Stimmgebung zwischen wunderbar strahlenden Tönen und plötzlich matten Passagen. Anna Patrys als in dieser Inszenierung schwangere Elisabetta, die auf der Bühne eine Fehlgeburt erleiden muss, hat außergewöhnlich zarte Piani zu bieten, gibt aber doch etwas zu viel bei den dramatischen Ausbrüchen, und Oleksandr Pushniak fehlt als sehr lyrischer Filippo noch etwas Kern. Durchweg glänzend präsentieren sich Slawomir Kowalewski als ehrenhafter Marquis Posa, Gelu Dobrea als Furcht einflößender Großinquisitor und Kate Allen als jugendliche Prinzessin Eboli.

Die Inszenierung in Bildern

Herrliche Musik bei Sonnenuntergang

"Don Carlo" auf Gut Immling | Bildquelle: Vladimir Klejch Szene aus "Don Carlo" auf Gut Immling | Bildquelle: Vladimir Klejch

Als Hauptrequisite nutzt Regisseur Pintor schlichte Holzstühle, auf und zwischen die man sich setzten kann, die aber auch zum Scheiterhaufen beim Autodafé aufgetürmt werden können. Keiko Obai singt dazu effektvoll auf der Empore zur Harfe als Stimme vom Himmel. Der Festivalchor Immling gestaltet die großen wie die kleinen Chorszenen musikalisch großartig, blitzsauber auch die Prozessionen der Mönche durch den Zuschauerraum. Der Komplexität des Werkes wird man in Immling in allen Bereichen gerecht. Warum es die vieraktige Fassung mit Material aus der Urfassung sein muss, lässt sich diskutieren, denn sie birgt nicht nur für die Sänger ein paar verzichtbare Längen. Wenn in den Folgevorstellungen die 30 Minuten Premieren-Eröffnungsreden wegfallen, ist das auf jeden Fall ein Gewinn, dann erlebt man gute drei Stunden herrliche Musik in geschmackvoll-schlichter Inszenierung – und den einzigartigen Immlinger Sonnenuntergang in der Pause.

Verdis "Don Carlo" auf Gut Immling

Musikalische Leitung: Lorenzo Coladonato
Inszenierung: Stefano Simone Pintor

Infos zu Terminen und Vorverkauf finden Sie auf der
Homepage des Festivals.

Sendung: "Allegro" am 18. Juni ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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