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Filmtipp "Tenor" Oper in Jogginghose

Was der Tellerwäscher in New York ist, ist der Sushi-Lieferant in Paris. Im neuen Film "Tenor" des französischen Regisseurs Claude Zidi Jr. wird ein Underdog durch einen Zufall zum Opern-Newcomer. Eine fantastische Geschichte, die trotz Überspitzungen Lust auf die Oper macht.

Szene aus dem Film "Tenor" | Bildquelle: Studiocanal GmbH/David Koskas

Bildquelle: Studiocanal GmbH/David Koskas

Eigentlich sieht der Himmel über Paris an diesem Morgen klar aus. Trotzdem hat Antoines Kumpel Elio Angst vor Regen und will deswegen die nächste Sushi-Bestellung nicht ausliefern. Also muss Antoine ran – und bringt das Sushi in die prunkvolle Pariser Opera Garnier. Dort platzt der Hobby-Rapper mit Jogging-Schlabber-Look in eine Probe der Opernakademie. Und legt sich gleich mal mit einem schnöseligen Jungstudenten an. Zuerst disst Antoine ihn nach allen Regeln der Rap-Kunst, bevor er dann einen überraschend klaren "Opernton" raushaut. So schnell wie sein Vibrato kam, verschwindet Antoine auch wieder und lässt einen Gesangskurs verdutzt zurück. 

Karrierechance oder sexueller Übergriff?

Szene aus dem Film "Tenor" | Bildquelle: Studiocanal GmbH/David Koskas Antoine (Mohamed Belkhir/MB14) und Madame Loyseau (Michèle Laroque) beim Üben, Szene aus dem Film "Tenor" | Bildquelle: Studiocanal GmbH/David Koskas Ein paar Tage später. Die Gesangsdozentin Marie Loyseau lotst Antoine mit einer List zu sich nach Hause: Sie bestellt Sushi. Ab diesem Zeitpunkt bekommt Antoine Gesangsunterricht – und entpuppt sich als waschechter Tenor. Doch zuerst denkt Antoine, dass sich Marie einfach nur einen jungen Kerl angeln will. Sie legt ihm die Hand fühlend auf sein Zwerchfell, um seine Atmung zu spüren. Er wittert einen sexuellen Übergriff. 

Schließlich werden aber alle Missverständisse beseitigt und Antoine doch noch zum vollwertigen Mitglied der Opernakademie. Sein altes Ich kann und will er dennoch nicht so einfach abschütteln: Er tritt weiterhin bei Rap-Battles auf und hängt mit seiner Straßengang ab, der er aber nichts von seinem neuen Hobby erzählen will. Schließlich könnten sie ihn ja als "Opernvogel" auslachen.

Als Antoines Bruder plötzlich verhaftet wird – nach einem illegalen Boxkampf in einem Parkhaus – platzt Antoines Lügenblase und er muss sich erst das Vertrauen seiner Freunde und auch das seiner Lehrerin zurückgewinnen. Im weteren Verlauf der Geschichte wird Antoine auch klar: Es ist nicht alles Gold, was an der Stuckdecke der Opera Garnier glänzt. Er merkt, dass das Sänger-Dasein harte Arbeit bedeutet. 

Französischer Kinowitz und starke Kameraführung

Szene aus dem Film "Tenor" | Bildquelle: Copyright: Studiocanal GmbH Antoine (Mohamed Belkhir/MB14) und Madame Loyseau (Michèle Laroque) im Treppenhaus der Oper | Bildquelle: Copyright: Studiocanal GmbH Der Film "Tenor" macht vieles richtig: Mit einer starken Kameraführung in 360-Grad-Drehungen zwischen zwei Dialogen zeigt uns Regisseur Claude Zidi Jr. die Schönheit der Pariser Oper und lässt die Bühne wie eine weite Ebene der grenzenlosen Möglichkeiten wirken. Schauspielerisch ist vor allem der Hauptdarsteller ein echter Hingucker: Mohammed Belkhir – in Frankreich auch als Rapper und Beatboxer unter dem Namen MB14 bekannt, wurde 2016 in der französischen Version der Casting-Show "The Voice" entdeckt. Lässig wechselt er vom coolen Straßenrapper zum neugierigen jungen Mann, der die Opernwelt für sich entdeckt. Auch Michèle Laroque als Gesangslehrerin Madame Loyseau gibt dem Stoff die nötige Tiefe, die neben dem französischen Kinowitz genau richtig dosiert ist – außer vielleicht in der überdramatischen Szene im strömenden Regen, wenn Antoines Bruder erfährt, was dieser in seiner Freizeit macht. 

 Der Film "Tenor": EINE CHANCE FÜR DIE OPER 

Und auch, wenn Puccinis "Nessun dorma" aus der Oper "Turandot" am Ende des Films wahnsinnig kitschig wirkt und man genau weiß: Richtig realistisch ist dieser Hals-über-Kopf-Stolperer Antoines in die Opernwelt nicht wirklich – man fiebert mit diesem Underdog mit und wünscht sich einen Opernstar, der vom Himmel fällt. Und wer weiß: Vielleicht sitzt ja im Kinosessel der nächste Opern-Newcomer, der sich morgen Gesangsstunden geben lässt. "Tenor" spielt zwar mit ziemlich vielen Opernklischees – etwa mit hochnäsigen Intendanten aus dem Klassik-Elfenbeinturm – aber: Er bietet vielleicht auch die Chance, jüngere Menschen in die Oper zu locken. 

Sendung: "Leporello" am 2. November 2022 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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