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Hélène Grimaud auf Tournee in Bayern "Ich entdecke beim Spielen jedes Mal etwas Neues"

Hélene Grimaud ist nach einer Verletzungspause wieder auf Tour – und gibt jetzt drei Konzerte in Bayern. Wie sie die Zeit ohne die Bühne überbrückt hat, und warum Pferde durch ihren aktuellen Albumtrailer galoppieren, verrät sie im BR-KLASSIK-Interview.

Hélène Grimaud | Bildquelle: Mat Hennek

Bildquelle: Mat Hennek

BR-KLASSIK: Hélène Grimaud, auf dem Cover Ihres neuen Albums sehen Sie ganz ungewohnt aus – sie tragen da kurze Haare. Es heißt, die Frisur zu ändern, zeigt einen Wunsch nach Veränderung. War das bei Ihnen so?

Hélène Grimaud: Nein, ich glaube, das ist nur ein Klischee. Aber ich würde auch sagen: Warum nicht? Veränderungen sind immer gut. Das ganze Leben besteht aus Veränderungen. Wer mich nur vom Cover kennt und heute sieht, erkennt mich auch nicht, weil ich schon wieder ganz anders aussehe. Das Bild ist ja schon eineinhalb Jahre alt! Es ist gar nicht so einfach, immer auf dem neuesten Stand zu bleiben.

BR-KLASSIK: Sie hatten Schwierigkeiten mit Ihrer Schulter und mussten pausieren. Wie geht es Ihnen inzwischen?

Hélène Grimaud: Ich hatte einen Knorpelriss – und habe wirklich Glück gehabt. Denn es kann bis zu eineinhalb Jahren dauern, bis so etwas ausheilt. Bei mir waren es nur drei Monate. Die können einem allerdings auch wie eine Ewigkeit vorkommen. Wenn man aber währenddessen weiterarbeitet, plant und über Musik nachdenkt, vergeht die Zeit schnell. Und jetzt bin ich ja zum Glück wieder da. Seit Januar bin ich wieder auf Tournee.

BR-KLASSIK: Sie geben momentan alle zwei Tage ein Konzert und spielen Ihr neues Programm: Im ersten Teil kleine Stücke, unter anderem von Satie und Chopin, und in der zweiten Hälfte die "Kreisleriana" von Schumann. Wie schafft man es, dass die gleichen Stücke immer wieder neu und frisch klingen?

Hélène Grimaud: Genau darum geht es! Das fertigzubringen, ist man all den Menschen schuldig, die mit dem Künstler einen musikalischen Abend verbringen wollen. Tatsächlich hilft einem die Musik selbst dabei am meisten: Musik ist so vielfältig, tiefgründig und facettenreich. Dazu kommt dann auch die Inspiration des Augenblicks. Jeder Konzertsaal klingt anders, und auch jedes Publikum hat seine eigene Identität. Wenn man auf die Bühne geht, entsteht jedes Mal eine neue Art von Verbindung. All diese Aspekte zusammen machen mir es - auch nach mehr als dreißig Jahren auf der Bühne - recht leicht. Man kann gar nicht anders, als über dieses Wunder der Musik zu staunen. Ich entdecke beim Spielen jedes Mal etwas Neues. Ich kann dann noch mehr ausdrücken und tiefer in die Musik eintauchen.

BR-KLASSIK: Hat das Publikum einen Einfluss auf ihr Spiel? Spüren Sie die Energie der Zuschauer?

Hélène Grimaud: Absolut. Ich spüre jedes Mal eine Art kollektive Identität eines Publikums. Ich spüre es auch, wenn wir plötzlich gemeinsam atmen. Das passiert vor allem bei fragilen, transparenten, poetischen Stücken. Gerade bei solchen Stücken, die einen nicht wie ein Sturm mitreißen, ist eine solche Beziehung zum Publikum wichtig. Man kann es schlecht mit Worten beschreiben, aber man fühlt es regelrecht physisch – und es beeinflusst sogar das Spiel. Am magischsten finde ich die Momente, wenn man eins mit dem Publikum wird. Das merke ich durch die besondere Art der Stille. Das bedeutet nicht, dass es keinerlei Geräusche geben darf. Es geht eher um den Unterschied zwischen einer bedeutungsschwangeren und einer neutralen Stille.

Es ist fast so, als hätte die Stille einen Rhythmus.
Hélène Grimaud

BR-KLASSIK: Der Notentext ist für klassische Musiker heilig. Vermissen Sie manchmal die Freiheit, die es zum Beispiel in der bildenden Kunst gibt?

Hélène Grimaud: Nein, überhaupt nicht. Ich betrachte die Noten aber auch nicht als Last. Im Gegenteil: Ich sehe darin den Schlüssel zu den Geheimnissen der Musik. Das ist wie mit einer Welle, die nur dann hoch werden kann, weil sie sich am Felsen bricht. Der Notentext ist heilig, er ist der Schlüssel zum Werk. Ich empfinde ihn aber nicht als Grenze, sondern als Tor zum emotionalen Gehalt eines Stücks. Er bietet erst die Möglichkeit zur Interpretation. Und das ist ja das Zauberwort.

BR-KLASSIK: Im Trailer zu Ihrem neuen Album sind Pferde zu sehen – sowohl weiße Wildpferde aus der Camargue als auch ein schwarzer Rappen am Halfter. Gibt es da womöglich neben den Wölfen eine neue animalische Leidenschaft?

Hélène Grimaud: Neu ist sie nicht. Tiere haben in meinem Leben immer eine wichtige Rolle gespielt. Sie geben mir das Gefühl von Frieden und helfen mir, meine Mitte wieder zu finden, wenn ich zwischen Konzerttourneen nach Hause komme. Sie sind ideale Partner, weil Worte überflüssig sind. Eine Beziehung zu einem Tier ist viel tiefgründiger und geht über die Sprache hinaus. Es herrscht absolute Aufrichtigkeit, ohne sie gibt es keinen Austausch. Ich empfinde das als sehr wohltuend.

ZU DEN KONZERTEN

20. Mai 2019
München, Philharmonie im Gasteig

22. Mai 2019
Regensburg, Auditorium Maximum

28. Mai 2019
Nürnberg, Meistersingerhalle

Werke von Chopin, Debussy, Satie, Silvestrov und Schumann

Mehr Informationen zum programm finden Sie auf der Homepage von Hélène Grimaud.

Sendung: "Leporello" am 17. Mai 2019 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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