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Herbert Blomstedt im Interview "Mit dem Alter wird man immer freier"

Im Juli wurde Dirigentenlegende Herbert Blomstedt 90 Jahre alt - und er ist nach wie vor international aktiv, darunter regelmäßig beim Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks. Am 21. und 22. Dezember präsentiert er ein ganz besonderes Programm: Mozarts "Jupiter"-Symphonie und die selten aufgeführte Symphonie Nr. 2 des Schweden Wilhelm Stenhammar. Im Interview erzählt er, was Stenhammar von Strauss unterscheidet und mit Mozart verbindet.

Dirigent Herbert Blomstedt bei der Probe mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks | Bildquelle: © Peter Meisel / BR

Bildquelle: © Peter Meisel / BR

BR-KLASSIK: Herr Blomstedt, die drei letzten Symphonien Mozarts sind zweifellos Höhepunkte im symphonischen Schaffen des Komponisten, ja überhaupt Höhepunkte der Gattung Symphonie überhaupt. Mit ihnen stößt Mozart gewissermaßen ein musikalisches neues Tor auf. Wie sehen Sie diese Werke, worin liegen für Sie Ihre Besonderheiten?

Herbert Blomstedt: Was an diesen Symphonien besonders auffällt, ist, dass sie so verschieden sind. Sie wurden ja binnen nur weniger Wochen geschrieben, in zwei Sommermonaten. Und so kurzer Zeit so ganz verschiedene Stimmungsbilder und auch rein technisch verschieden konstruierte Symphonien - das ist schon ein Mirakel. Vielleicht fühlte Mozart auch, dass das ein Höhepunkt ist, den er nicht mehr überbieten konnte, und hat danach keine Symphonie mehr geschrieben. Er hat zwar noch drei Jahre gelebt und großartige Werke komponiert, aber eben keine Symphonien.

Das Interessante bei Mozart ist die innere Dynamik.
Herbert Blomstedt

BR-KLASSIK: In diesem Jahr ist ein Zyklus mit Beethovens Symphonien mit Ihnen und dem Gewandhausorchester erschienen. Man merkt in dieser Einspielung, wie Sie sich auch mit Historischer Aufführungspraxis beschäftigt haben. Ist das auch eine Sichtweise, mit der Sie an Mozart herangehen - auch wenn Sie natürlich jetzt keine Originalinstrumente verwenden? Aber dieser Gestus, ist der ähnlich?

Herbert Blomstedt (2005) | Bildquelle: picture-alliance/dpa Herbert Blomstedt | Bildquelle: picture-alliance/dpa Herbert Blomstedt: Ja, mit zunehmendem Alter - und ich glaube, das geht allen Musikern so - wird man auch immer freier. Man muss das so spielen, wie man spricht: Man macht nach einem Satz eine kleine Pause, macht hier ein bisschen Diminuendo am Ende der Phrase, und dann geht man weiter. Das Interessante bei Mozart ist die innere Dynamik, wie man eine Phrase spielt. Das steht alles nicht in den Noten; man muss irgendwie versuchen, den Gestus nachzuempfinden, den Mozart hatte, als er das schrieb. Es gibt Tausende Möglichkeiten, aber die einzige unmögliche Variante ist, alles gleich zu spielen (lacht).

BR-KLASSIK: Kommen wir zu Wilhelm Stenhammar - einen schwedischen Komponisten, den man in Deutschland kaum kennt. Was schätzen Sie an seiner Musik?

Herbert Blomstedt: Da gibt es viele Gründe. Stenhammars Zweite Symphonie ist unzweifelhaft sein größtes Werk, aber ich habe sie erst vor drei Jahren das erste Mal dirigiert. Ich muss gestehen, ich habe deshalb ein schlechtes Gewissen. Denn Stenhammar ist, wie Sie sagen, außerhalb der skandinavischen Länder nicht sehr bekannt. Und es wäre eigentlich nur natürlich, wenn ich als schwedischer Dirigent, der in der Welt tätig ist, diese Musik auch aufführt. Aber ich kam nicht dazu. Mit 87 habe ich dann gedacht: Jetzt oder nie, jetzt muss es passieren!

Stenhammars Generation wollte Substanz, nicht nur Farben und Stimmungen.
Herbert Blomstedt

BR-KLASSIK: Die Zweite Symphonie von Stenhammar ist 1911 bis 1915 entstanden. Man ist tatsächlich überrascht von dem musikalischen Reichtum, den man darin hört. Stenhammar hat selbst gesagt, er wollte eine nüchterne, ehrliche Musik schreiben. Was hat er damit gemeint - was glauben Sie?

Herbert Blomstedt: Das ist ein bisschen Kritik an der Entwicklung der deutschen Musik zu jener Zeit. Richard Strauss - das wollte Stenhammars Generation nicht: Sie wollte mehr Substanz haben - mehr Bach, mehr Beethoven, nicht nur Farben und Stimmungen. Sein Ideal waren Carl Nielsen und Sibelius. Stenhammars Musik ist nicht so geschickt instrumentiert wie Strauss. Das muss gelernt sein und nicht unbedingt wie Max Reger klingen, wo man merkt, wie klug und gescheit er war. Bei Stenhammar hingegen soll der Dirigent die Inhalte transportieren, ohne dass das Publikum das merkt. In dieser Weise ist er Mozart sehr ähnlich. Mozart wollte ja einerseits ein Publikum erreichen, das sehr gebildet war - aber auch die nicht so Gebildeten sollte ihre Freude haben. Und durch die Musik werden sie gebildet. Darin war auch Stenhammar ein großer Meister.

Sendung: "Leporello" am 21. Dezember 2017, 16.05 Uhr auf BR-KLASSIK
Das Interview wurde von der Redaktion an die Schriftsprache angepasst.

Herbert Blomstedt in München

Donnerstag, 21. Dezember 2017, 20:00 Uhr
Freitag, 22. Dezember 2017, 20:00 Uhr
München, Herkulessaal der Residenz

Wolfgang Amadeus Mozart:
Symphonie C-Dur, KV 551 ("Jupiter-Symphonie")
Wilhelm Stenhammar:
Symphonie Nr. 2 g-Moll

Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Leitung: Herbert Blomstedt

Live-Übertragung auf BR-KLASSIK am 22. Dezember

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