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Carsten Brosda zum Infektionsschutzgesetz "Die Kultur zahlt einen überproportional hohen Preis"

Die Theater sehen sich bedroht von der geplanten Novelle des Infektionsschutzgesetzes. Aufführungen sollen nur erlaubt sein, wenn der Inzidenzwert 7 Tage unter 100 liegt – egal ob Veranstaltungen drinnen oder draußen stattfinden. Der Präsident des Bühnenvereins, Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda, hofft auf den Erfolg der Maßnahmen. Denn viele Theater planen, im Frühsommer draußen Bühnen aufzustellen und dort zu spielen.

Carsten Brosda mit Maske | Bildquelle: picture alliance/dpa/dpa/Pool | Christian Charisius

Bildquelle: picture alliance/dpa/dpa/Pool | Christian Charisius

Die Theater in Deutschland sind geschockt: Im überarbeiteten Infektionsschutzgesetz unterscheidet die Bundesregierung nicht zwischen der Ansteckungsgefahr drinnen und draußen. Dabei hatten viele Bühnen bereits Open-Air-Veranstaltungen für den Sommer geplant. Stattdessen sieht die sogenannte Bundesnotbremse vor: Ab einem Inzidenzwert von 100 in einem Landkreis oder einer Kommune müssen alle Kulturstätten geschlossen bleiben. Im Gegensatz etwa zu Läden, die bis zu einem Wert von 150 zumindest "Click & Meet" anbieten dürfen. Das beklagt der Präsident des Bühnenvereins, Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda, im Interview mit BR-KLASSIK.

Der Preis, den die Kultur zu zahlen hat, ist überproportional hoch.
Carsten Brosda, Präsident des Bühnenvereins und Hamburgs Kultursenator

Freiluftveranstaltungen von Bundesnotbremse bedroht

Carsten Brosda hofft, dass die drastischen Maßnahmen tatsächlich auch greifen, damit in der Folge noch weit vor dem 30. Juni 2021 die Inzidenzwerte unter 100 sinken. Für Kulturveranstaltende geht es vor allem um Planungssicherheit: "Wie komme ich gut in den Sommer hinein, und wie schaffe ich Rahmenbedingungen, die ein vernünftiges und belastbares Angebot in der nächsten Saison ermöglichen?", so Brosda. Öffnen ist zwei Tage später möglich, wenn der regional geltende Inzidenzwert bereits 5 Tage unter 100 war.

Belüftungskonzepte funktionieren

Mehrere Studien, zum Beispiel die Aerosolstudie aus Dortmund, zeigen, dass Belüftungskonzepte und Abstands-Maßnahmen in Theatern und Konzertsälen das Risiko für eine Ansteckung stark minimieren. Eine bundesweite Generalregelung wie die aktuelle Gesetzes-Novelle ermöglicht allerdings keine Ausnahmen und Einzelfallbetrachtungen, was Brosda bedauert.

Ich finde, wir müssen als Gesellschaft auch die Debatte für die Relevanz von Kunst führen, um transparent zu machen, was wir uns grade nehmen.
Carsten Brosda

Musik-LKW "Der Blaue Eumel" | Bildquelle: © Vera Laube Letztes Jahr gab es Corona - und Freiluftkonzerte | Bildquelle: © Vera Laube Entscheidend ist für den Kultursenator, dass es bei aller Notwendigkeit der Maßnahmen nicht nur um den Verlust von Einkommen für Kunstschaffende geht. Er sieht einen großen Verlust für die Gesellschaft. Denn wo keine Kulturveranstaltungen stattfinden, fände auch seltener "ein Nachdenken darüber, wie die Welt noch sein könnte" statt. Kunst bietet laut Brosda "eine Flucht in eine andere Welt, um danach wieder in der Lage zu sein, diese schwere Zeit auszuhalten."

Wir dürsten nach einem analogen Kulturangebot.
Carsten Brosda

Brosda fehlt es an Solidarität

Im Frühjahr 2020, zum Beginn der Pandemie, hat Carsten Brosda ein positives Solidarisierungsgefühl wahrgenommen, im Sinne von "allein kriege ich das nicht hin". Damals sei das Maskentragen auch eine Bekundung der Haltung "ich schütze dich und du schützt mich" gewesen. "Seit ein paar Wochen verlieren wir dieses Gefühl wieder, dass wir das nur gemeinsam schaffen", so Brosda. Auch um das wieder herzustellen, sind seiner Meinung nach physische, reale künstlerische Angebote enorm wichtig.

Es ist doch was Anderes, wenn ich vereinzelt da sitze und mit mir selbst klarkommen muss.
Carsten Brosda

Kritik an der Debatte

Carsten Brosda kritisiert im Interview mit BR-KLASSIK die Versuche, eine Debatte über das Pandemiegeschehen zu führen: "Das hat auch damit zu tun, dass die öffentlichen Orte fehlen, an denen momentan so ein Austausch stattfinden kann." Über die kurzen Öffnungen der Museen in Hamburg im März dieses Jahres erzählt Brosda: "Man hat Menschen gesehen, die richtig aufgeblüht sind. Wir sind gerade alle wie trockene Schwämme, die unbedingt wieder was aufsaugen wollen." Er hofft, dass es bei einer Öffnung "eine kreative Explosion" geben wird – und für die Gesellschaft "eine künstlerische Überwältigung, die sie so dringend bräuchte, damit sie den Kopf mal frei kriegt."

Sendung: "Leporello" am 22. April 2021 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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