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Rinaldo Alessandrini im Interview "Musik besteht aus sehr einfachen Informationen"

Am 24. Mai dirigiert Rinaldo Alessandrini das Münchner Rundfunkorchester im Konzert zum 300. Geburtstag der Kaiserin Maria Theresia von Österreich. Im Interview spricht Alessandrini über diese Musik, über die Historische Aufführungspraxis - und warum klare Ansagen für ein Orchester wichtig sind.

Dirigent und Cembalist Rinaldo Alessandrini | Bildquelle: jpc Artists

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Das Interview zum Anhören

BR-KLASSIK: In dem von Ihnen dirigierten Konzert "Musik für eine Kaiserin" mit dem Münchner Rundfunkorchester gelangen einige Symphonien zur Aufführung, die Wolfgang Amadeus Mozart als Kind komponiert hat. Was bedeutet Ihnen diese Musik?

Rinaldo Alessandrini: Dieser kindliche Mozart ist für uns eigentlich immer noch ein Geheimnis. Wenn wir uns mit seinen Stücken aus dieser Zeit beschäftigen, sind wir wirklich völlig erstaunt über die Qualität dieser Musik, die Qualität der Inspiration und auch der Emotionen. Es ist schwer vorstellbar, wie sich ein so junges Kind so schöne Melodien und so wunderbare Begleitungen ausdenken kann. Wir wissen nicht, inwieweit sein Vater an den Werken mitgewirkt hat - natürlich stand er hinter seinem Sohn, hat ihm sicherlich bei Details geholfen, auch bei der Artikulation vielleicht, und kümmerte sich um die Noten. Leopold Mozart war sehr stolz auf seinen Sohn. Man kann sich vorstellen, wie begeistert er von dem kleinen Wolfgang Amadeus war, der diese unglaubliche Musik in die Welt gebracht hat - eigentlich ein Wunder. Es ist schon ein sehr seltsames Gefühl, wenn man diese Musik spielt oder dirigiert und bedenkt, dass der Komponist gerade einmal sechs oder sieben Jahre alt war.

Mozarts Kontakte mit Italienern waren wichtig, aber sein musikalisches Konzept ist nicht italienisch.
Rinaldo Alessandrini

BR-KLASSIK: Für Sie als Italiener - wie italienisch klingt denn Mozart in diesem Alter?

Rinaldo Alessandrini: Es ist schwer zu sagen, welcher Teil von Mozart italienisch war. Wenn wir uns seine späten Opern anschauen, die Arien aus "Figaro" oder "Don Giovanni" - da ist sein Melodiekonzept sehr knifflig. Der Sänger bekommt eine Melodielinie, die vom Orchester umfangen wird; er ist ein Teil des Gesamtkonzepts, hat aber nicht die wichtigste Stimme. Oder andersherum gesagt: Das Orchester ist in Mozart-Arien sehr kompliziert und nimmt einen sehr großen Platz ein - zumindest meistens. In manchen, vor allem den langsamen Arien, versucht Mozart eine klassischere Melodielinie zu schaffen, zum Beispiel in "Porgi amor" aus dem "Figaro". Diese Arie könnte man dann als etwas italienischer bezeichnen: Es gibt eine Melodie und eine klassische Begleitung, die den Sänger unterstützt. Mozart war berühmt in Italien - er vertonte sehr vielschichtige Librettos wie die von da Ponte. Also seine Kontakte mit Italienern waren sehr wichtig, aber sein musikalisches Konzept ist nicht italienisch.

Es ist wichtig, klare Fragen zu stellen.
Rinaldo Alessandrini

BR-KLASSIK: Mit Ihrem Ensemble Concerto Italiano bewegen Sie sich auf dem Gebiet der Historischen Aufführungspraxis. Was davon bringen Sie jetzt in Ihre Arbeit mit dem Münchner Rundfunkorchester ein?

Rinaldo Alessandrini | Bildquelle: Eric Larrayadieu Rinaldo Alessandrini | Bildquelle: Eric Larrayadieu Rinaldo Alessandrini: Über historische Aufführungspraxis zu sprechen bedeutet nicht, über Musiker von einem anderen Planeten zu sprechen. Musik besteht normalerweise aus sehr einfachen Informationen - piano, forte, staccato, legato - und man kann sein Orchester bitten, den Bogen auf eine bestimmte Art zu führen. Es ist sehr wichtig, klare Fragen zu stellen. Das Orchester macht seine Sache gut, wenn man bedenkt, dass es sich um ein modernes Orchester mit modernen Instrumenten handelt. Aber heutzutage ist es üblich, dass moderne Orchester offen sind für die Erkenntnisse aus der Historischen Aufführungspraxis.

Es gibt gute Orchester und weniger gute Orchester, so einfach ist das.
Rinaldo Alessandrini

BR-KLASSIK: Das klingt ja manchmal auch unglaublich erfrischend. Als Beispiel dafür kann man Ihre Aufnahmen mit dem Orchester der Norwegischen Nationaloper nehmen. Mit ihm haben Sie Mozart-Ouvertüren eingespielt, die einen unglaublichen Drive besitzen. Bringen Sie etwas davon mit? Können wir davon etwas erwarten?

Rinaldo Alessandrini: Warum nicht? Meine Zusammenarbeit mit der Osloer Oper war sehr glücklich. Aber sie unterscheidet sich nicht so sehr von meiner Arbeit mit dem Münchner Rundfunkorchester. Es gibt gute Orchester und weniger gute Orchester, so einfach ist das. Und nochmal: Es ist wichtig, dem Orchester gegenüber deutlich zu sein was Klang oder Artikulation betrifft - einfach klar zu sagen, was man erwartet. Und es ist immer wichtig, über die Musik zu sprechen - und nicht über seltsame philosophische Fragen zur Musik. Normalerweise scheuen Orchester eine Herausforderung. Manchmal reicht es dann schon, den Blickwinkel zu verändern. Heute zum Beispiel kam die klassische Frage nach dem Vibrato aus dem Orchester. Eigentlich spreche ich dieses heikle Thema nicht an. Aber das Orchester hat mich eben gefragt: Sag uns, sollen wir mit oder ohne Vibrato spielen? Das ist ein Zeichen dafür, dass dieses Orchester ganz genau weiß, es gibt einen anderen Zugang zu Mozart.

BR-KLASSIK: Das Konzert ist überschrieben als Geburtstagskonzert zum 300. Geburtstag der Kaiserin Maria Theresia. Heißt das auch, wir tauchen ab in diese Zeit, und Sie machen aus dem Münchner Rundfunkorchester ein kaiserliches Hoforchester?

Rinaldo Alessandrini: Warum nicht? Es ist eine schöne Idee, das Orchester in so ein kaiserliches Ereignis umzuformen.

Die Fragen stellte Sylvia Schreiber für BR-KLASSIK.

Sendung: "Mittwochs um halb acht" mit dem Münchner Rundfunkorchester, live übertragen am 24. Mai ab 19.30 Uhr auf BR-KLASSIK.

Ein Konzert zum 300. Geburtstag von Maria Theresia - live auf BR-KLASSIK

Mittwoch, 24. Mai 2017 um 19.30 Uhr
Münchner Rundfunkorchester
Prinzregententheater, München

Mitwirkende
Tara Erraught (Mezzosopran)
Elmar Spier (Posaune)
Peter Matić (Rezitation)
Leitung: Rinaldo Alessandrini 

Auf dem Programm stehen Werke von Joseph Haydn, Christoph Willibald Gluck, Wolfgang Amadeus Mozart und Georg Christoph Wagenseil.

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