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Tenor Joseph Calleja im Interview "Lieber was Echtes, als was Perfektes"

Er ist einer der gefragtesten lyrischen Tenöre. Am 26. Januar ist Joseph Calleja in "Meine Musik" zu Gast. Im BR-KLASSIK-Interview spricht er über Rollen, die vielleicht noch kommen, die Sauna auf Schloss Elmau sowie seine Heimat Malta und ihre wirklich besondere Küche.

Opernsänger Joseph Calleja | Bildquelle: © Universal Music

Bildquelle: © Universal Music

BR Klassik: Vor ein paar Tagen haben Sie ein Foto gepostet mit dem Titel: "München friert". Ist der Sommer für einen Sänger angenehmer?

Joseph Calleja: Ich bin nun mal in Malta geboren, und dort herrscht einfach ein sehr moderates Klima: also grundsätzlich hohe Luftfeuchtigkeit, was gut für die Stimme ist, gut für die Nebenhöhlen. Da ist München natürlich ganz anders, speziell jetzt im Winter, wenn es draußen kalt ist und drinnen wie wild geheizt wird. Da trocknet die Luft aus. Und das mögen die Stimmbänder gar nicht. Also muss ich ein bisschen mehr aufpassen als sonst. Aber mittlerweile fühle ich mich schon sehr wohl hier in München. Hier zu singen ist wie daheim.

Erkältung ist ein lästiges Thema

BR Klassik: Wie halten Sie es denn mit den Tenor-Klischees in Sachen Kälte? Schal, kein Händeschütteln, immer Angst vor Erkältung?

Opernsänger Joseph Calleja | Bildquelle: © Simon Fowler / Universal Music Joseph Calleja | Bildquelle: © Simon Fowler / Universal Music Joseph Calleja: Nein, nein, so bin ich gar nicht. Einer meiner Lieblingsorte ist ganz in der Nähe von München: Schloss Elmau, wo es auch gute Konzertreihen gibt, ganz abgesehen von der wunderschönen Landschaft. Im Hotel gibt es eine Sauna und ein Außenbecken – und gerade jetzt im Winter nutze ich das sehr gerne, also auch wenn es draußen Minusgrade hat. Aber das Klischee mit dem Krankwerden im Winter stimmt schon. Allerdings nicht weil die Kälte automatisch ansteckende Viren bringt, sondern wegen der Trockenheit. Wir sind näher zusammen, weil alles drinnen stattfindet, und insgesamt ist unser Immunsystem einfach angreifbarer – ein lästiges Thema.

Das Ideal der mediterranen Stimme

BR Klassik: Sie bezeichnen selbst ihre Stimme als mediterran. Was bedeutet das denn?

Joseph Calleja: Wärme, Großzügigkeit, Sonne, Meer und auch eine gute Portion Temperament. Das kann man schon in meiner Stimme wiederentdecken.

BR Klassik: Spiegelt sich das auch in der Farbe wider?

Joseph Calleja: Ich glaube nicht. Ich bin eben ein lyrischer Tenor, klar, vielleicht wird daraus mal ein Spinto. Aber wichtiger als die Farbe ist der Ausdruck! Nehmen Sie berühmte Vorbilder: Del Monaco, Corelli, Pavarotti, sie alle hatten eine mediterrane Stimme; aber waren doch so unterschiedlich. Was sie alle konnten, war, Gefühle auszudrücken. Dafür muss man nicht im Mittelmeerraum geboren sein. Hören Sie sich den gebürtigen Schweden Jussi Björling an, der hatte eine der berühmtesten mediterranen Stimmen überhaupt.

Ich würde sterben dafür, irgendwann einmal Otello zu singen.
Joseph Calleja

BR Klassik: Ihre neue CD ist eine reine Verdi-CD. Sie haben zwar vorher auch schon Verdi gesungen, aber hier probieren Sie vor allem Rollen aus, die Sie wohl in der Zukunft noch singen werden?

Joseph Calleja: Ganz genau. Ich denke, dass ich alle diese Opern – "Trovatore", "Aida", "Don Carlos" und auch noch "Forza del destino" – sicher singen werde. Bei "Otello"? Großes Fragezeichen. Ich weiß noch nicht, ob sich meine Stimme genügend dorthin entwickelt. Die Farbe habe ich allerdings. Wenn Sie sich die Aufnahme anhören, werden Sie feststellen, dass wir technisch nicht nachgeholfen haben: keine Mikrofone, kein Fake. Ich bestehe darauf, dass meine Aufnahmen mit so wenigen Hilfsmitteln wie möglich gemacht werden. So sind sie auch nicht in jeder Sekunde perfekt. Aber ich möchte lieber was Echtes haben, als was Perfektes. Wenn Aufnahmen nur noch aus Schnitten bestehen, bleibt nur Perfektion, keine Seele.

Aber die Farbe für den Otello ist da. Ob sie sich so weiter entwickelt, dass sie überzeugt, werden wir sehen. Vielleicht bis ich Ende 40 oder 50 oder noch älter bin. Das hängt von meiner Gesundheit und von vielen anderen Dingen ab. Aber ich würde sterben dafür, irgendwann einmal Otello zu singen.

Zugang zur Musik mit der Joseph Calleja Foundation

BR Klassik: Sie haben in Malta die Joseph Calleja Foundation gegründet. Was ist Ihr Ziel?

Joseph Calleja und Sonya Yoncheva in Bellinis "Norma" am Royal Opera House Covent Garden | Bildquelle: ROH / Bill Cooper Bildquelle: ROH / Bill Cooper Joseph Calleja: Wir haben zwei Aufgabenbereiche: Zum einen fördern wir maltesische Künstler, und zwar aus allen Bereichen der Darstellenden Künste. Dafür singe ich regelmäßig bei Benefizveranstaltungen, die Maltesische Bank unterstützt uns auch sehr großzügig. Und zum anderen sammeln wir für Projekte, um benachteiligten Kindern, Zugang zur Musik oder generell zur Kunst zu ermöglichen. Wir gehen an Schulen, in Dörfer, die abgeschnitten sind, an Waisenhäuser. In Malta ist es wie überall: Wenn es einige gibt, die viel Geld haben, wächst die Kluft zu denen, die weniger und gar nichts haben. Und wir versuchen uns dagegenzustemmen. Ein Grund, warum wir auch viele private Spenden bekommen, ist, dass wir alle ehrenamtlich arbeiten, und jeder Cent ohne Abzüge direkt den Projekten zugutekommt. 

BR Klassik: Sie reisen viel um die Welt. Inwiefern haben Sie sonst noch Bezug zu Ihrem Heimatland?

Joseph Calleja: Ich bin offizieller Kulturbotschafter des Landes: mit Diplomatischen Pass. Ich liebe mein Land sehr, da bin ich durchaus patriotisch, was nicht mit nationalistisch verwechselt werden darf. Valletta gehört zu den schönsten Städten der Welt. Und das sage ich nicht, weil ich von dort komme, sondern weil es stimmt. Ganz Malta hat so viel Geschichte, so viel Architektur, so viel natürliche Schönheit, es ist ein sehr spezieller Ort, den es zu entdecken gilt, und der unbedingt zum kulturellen Europa gehört. Und in dieser Rolle werden wir in dem kommenden fünf bis zehn Jahren noch wachsen.

BR Klassik: Und wie schaut es mit der maltesischen Küche aus?

Joseph Calleja: Schauen Sie mich doch an, dann wissen Sie, wie ich dazu stehe (lacht). Die Maltesische Küche vereint viele Rezepte der mediterranen Küche. Es gibt natürlich italienische Einflüsse, ein bisschen französisch hier, afrikanisch dort. Und wenn es etwas gibt, was bei uns wirklich fantastisch ist, dann ist es unser Honig. Ich züchte übrigens selber Bienen, die meinen ganz eigenen Honig machen, der unglaublich ist. Und das Brot natürlich, das darf ich nicht vergessen. Sie haben gutes Brot hier in Deutschland, aber traditionell hergestelltes maltesisches Brot ist was Besonderes. Es hält zwar nur wenige Stunden, bevor es hart und nicht mehr so gut schmeckt, aber frisch, glauben Sie mir, ist es mit das Beste weltweit.

Eine Stunde Gespräch mit Joseph Calleja können Sie am Samstag, 26. Januar 2019, erleben: Meine Musik ab 11:05 Uhr auf BR-KLASSIK.

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