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Neue Saison am Gärtnerplatztheater München Noch kosmopolitischer, noch diverser

Gelebte Toleranz, unterhaltsam verpackt – das könnte als Motto über dem Programm für die kommende Spielzeit des Staatstheaters am Gärtnerplatz in München stehen. Intendant Josef E. Köpplinger will in einer bunten und kosmopolitischen Mischung Menschen miteinander verbinden.

Gärtnerplatztheater von Außen im Mai 2022 | Bildquelle: © POGOZach

Bildquelle: © POGOZach

BR-KLASSIK: Herr Köpplinger, konnten Sie mit den Erfahrungen der letzten zwei Jahre Corona-Pandemie die neue Spielzeit überhaupt ohne Handbremse planen? Oder gab es doch noch einen Plan B im Hinterkopf?

Josef E. Köpplinger: Corona hatte zur Folge, dass wir Produktionen verschieben mussten. Wir haben also die nicht durchgeführten, verschobenen Produktionen jetzt in die neue Spielzeit eingebettet. Aber die Handbremse war erstmal bei der Planung angezogen, da wir immer einen Gesamtspielplan entwerfen in einem vier Genrehaus: mit Oper, Operette, Musical und Tanz. Aber trotzdem hat sich für uns ein runder Spielplan ergeben.

BR-KLASSIK: Eine hundertprozentige Auslastung ist momentan erlaubt. Wie sieht es denn generell aus, sind die Publikumszahlen mit denen vor der Pandemie vergleichbar?

Josef E. Köpplinger - Intendant des Staatstheaters am Gärtnerplatz | Bildquelle: © Thomas Dashuber Intendant des Gärtnerplatztheaters in München, Josef E. Köpplinger | Bildquelle: © Thomas Dashuber Josef E. Köpplinger: Nein, das sind sie nicht. Vielleicht nicht überraschend ist, dass die Unterhaltungsabende, also die leichtere Muse, die -  wie wir alle wissen - am Schwersten ist, dass diese Abende eindeutig voller sind als das ernste Programm. Und wo wir sonst immer um die 90 Prozent standen, haben wir jetzt – Tendenz nach oben –eine Auslastung von immerhin knapp 80 Prozent. Aber man hat auch die Verunsicherung des Publikums gemerkt: Wieviel Prozent mit Masken oder ohne Maske? Wird getestet, wird nicht getestet... Dieses Hin-und-her hat das Publikum wirklich vor eine Zerreißprobe gestellt. Allerdings ist es trotzdem gekommen und kommt auch weiter. Und das ist ein sehr gutes Zeichen für die Kunst.

Die Musiksprache ist international und Menschen-verbindend. Das wollen wir in all ihrer Buntheit in unserem Spielplan zeigen.
Josef E. Köpplinger

BR-KLASSIK: Gibt es denn jetzt für die neue Spielzeit eine Art roten Faden, der sich durchzieht, auch wenn sie alte geplante Aufführungen in die neue Spielzeit mit hineinnehmen müssen?

Josef E. Köpplinger: Ich bringe jetzt nur zwei Beispiele, die ersten zwei Produktionen. Zunächst: "The Rake’s Progress" von Strawinsky. Da ist ein russischer Komponist und ein britischer Autor. Sie schaffen aus dem Werk eines sozialkritischen englischen Malers neue Kunst für das italienische Teatro La Fenice. Und Giselle, das Ballett: Ein österreichischer Choreograf interpretiert ein französisches Ballett neu, inspiriert von einem deutschen Dichter. Sie sehen, wir wollen auf das Kosmopolitische gehen. Wir wollen aber auch auf das Diverse gehen, etwa bei der "Großherzogin von Gerolstein". Da ist ein mallorquinischer Sänger, der in die Rolle der Regentin eines europäischen Fantasiezwergstaates schlüpft, die ein deutschstämmiger Komponist anlässlich der Pariser Weltausstellung 1867 für ein französisches Publikum geschrieben hat. Wir sollten und wollten über unser Programm schreiben: Die Musiksprache ist international und Menschen-verbindend. Das wollen wir in all ihrer Buntheit in unserem Spielplan zeigen.

Mehr zum Spielplan der neuen Saison am Gärtnerplatztheater München finden Sie hier.

BR-KLASSIK: Das Thema Diversität wird an ihrem Haus sehr bewusst wahrgenommen. Ihr Haus steht ja auch in einem für München sehr bunten Viertel, das für seine Regenbogenfarben bekannt ist.

Josef E. Köpplinger: Absolut, ja. Leider muss ich sagen, verschwindet die ein oder andere bunte Bar, das ein oder andere bunte Kaffee aus dem Viertel. Und es liegt an uns, zu zeigen, dass Begegnungen aller Art spannend sein können – über die Generationen hinweg. Die Selbstverständlichkeit von Toleranz ist nicht nur ein gesprochenes Wort, sondern es muss ein gelebtes sein. Toleranz darf nicht dort enden, wo es für mich unangenehm wird. Toleranz beginnt eigentlich dort, wo es unangenehm wird.

Dass wir das alles aber auch als Unterhaltungshaus verpacken, das ist die große Herausforderung. Wie immer wollen wir den Spagat schaffen: Zwischen einer Werther-Inszenierung oder Luisa Miller und einem frühen Verdi, erstmals in Originalsprache hier am Haus. Dann spannen wir den Bogen zur Satire "Die Großherzogin von Gerolstein", wo man heikel mit dem Thema Krieg umgeht oder mit einem kriegswütigen General. Wir hätten nicht gedacht, dass es so zeitaktuell wird. Die Leute zu einer Offenheit zu bewegen, dass sie auf alle Fälle noch mehr das Vertrauen haben, ins Theater zu gehen - das ist die große Herausforderung und auch die große Freude bei der Planung einer ganzen Saison.

Sendung: "Leporello" am 4. Mai 2022 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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