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Zum Tod des Komponisten George Crumb Geheimnisvoll und regelscheu

Der Komponist und Pulitzer-Preisträger George Crumb ist tot. Nach Angaben seiner Plattenfirma starb Crumb im Alter von 92 Jahren in seinem Haus im US-Bundesstaat Pennsylvania. Crumb galt als einer der innovativsten Komponisten seiner Generation.

George Crumb | Bildquelle: © Rob Starobin

Bildquelle: © Rob Starobin

Zum Tod des Komponisten George Crumb

Geheimnisvoll und regelscheu

Klangforscher oder Komponist? Für George Crumb stellte sich diese Frage nie. Er war beides in einer Person. Flirrende, fantastische oder traumähnliche Klänge sind charakteristisch für seine Musik.

Crumb sah sich in der Tradition von Musik-Mystikern

Im Interview hat Crumb diesen Eindruck stets bestätigt. Musik habe für ihn ganz wesentlich eine geheimnisvolle oder mystische Dimension: "Ich vermute, dass meine eigene Musik von Komponisten wie Debussy beeinflusst wurde, von Mahler oder Bartok, weil ich diese Eigenschaften auch in ihren Werken höre. Ich kann auch noch den Amerikaner Charles Ives dazu zählen, den man als Transzendentalist bezeichnet. Auch seine Musik berührt immer wieder schattige, unwirkliche Ausdruckssphären."

Unser Ohr hört nicht symmetrisch.
George Crumb

Schon in den frühen 1960er Jahren entwickelte Crumb seinen unverwechselbaren Personalstil. Im Zeitalter des sogenannten Serialismus stand dieser Stil im Gegensatz zu den damals verbindlich scheinenden Positionen der europäischen Avantgarde. Möglicherweise hat George Crumb deshalb hierzulande erst verhältnismäßig spät größere Beachtung gefunden. Dagegen zählte er in Amerika schon viel früher zu den bekanntesten und renommiertesten Komponisten der Gegenwart.

Eklektiker anstatt Serialist 

Ein strenges Reglement war seinem Wesen fremd. Crumb orientierte sich nicht an abstrakten Denkmodellen oder systematisierenden Ordnungen. Ihn interessierten ungewöhnliche Klanglandschaften und Resonanzen. Er arbeitete mit elektronischen Sounds, experimentellen Spieltechniken und verlegte die Aufführung eines Stückes auch mal aus dem Konzertsaal in die freie Natur.

Meine Musik ist sehr von Stille geprägt.
George Crumb  

Auch die Stille nahm einen großen Raum in seinen Werken ein. "Sie ist in meinen Kompositionen ganz besonders wichtig", betonte Crumb. "Der Ausgangspunkt für ein neues Stück kann ganz unterschiedlich sein, etwa eine melodische, harmonische oder rhythmische Idee, ein Text oder auch ein ganz bestimmter Klang."

An der amerikanischen Ostküste 1929 in Charleston geboren, wuchs George Crumb in einer Musikerfamilie auf. Sein Vater war Klarinettist und Bandleader. Die Mutter spielte Cello im städtischen Sinfonieorchester. Im Alter von sieben Jahren erhielt er vom Vater Klarinettenunterricht, wechselte aber bald zum Klavier. Erste Kompositionsversuche orientierten sich an der europäischen Klassik und Romantik. Nach seinem Musikstudium an verschiedenen amerikanischen Universitäten kam Crumb 1955 nach Berlin. Dort studierte er ein Jahr bei Boris Blacher, allerdings ohne ästhetische Konsequenzen für seinen ganz eigenen musikalischen Weg. Sein internationaler Durchbruch gelang ihm 1970 mit dem Streichquartett "Black Angels". Das Stück entstand unter dem Eindruck des Vietnamkriegs. Der Titel verweist auf die mittelalterliche Darstellung des gefallenen Engels.

Finally: Rückkehr zur tonalen Klangsprache

In "Black Angels", in seinem Klavierzyklus "Makrokosmos" und anderen Stücken bewegt sich Crumbs Musik in einem Netz von vielseitigen, komplexen Assoziationen. Diese Tendenz änderte sich. In den Kompositionen der 1980er und 90er Jahre wurde Crumbs Schreibweise etwas konventioneller. Tonale Elemente und Gesetze der traditionellen Harmonielehre wurden wichtig.

Bis zuletzt glaubte Crumb nicht an ein Ende des tonalen Systems. Im Gegenteil: "Die meiste Musik auf der Welt ist und war immer schon tonal", so der Komponist. "Jene Musik, die wir als atonal bezeichnen, ist sehr überschaubar. Volksmusik, Popmusik, Alte Musik, Klassik – all das ist tonale Musik. Unser Ohr hört nicht symmetrisch. Die Atonalität geht jedoch auf symmetrische Strukturen zurück. Das Ohr liebt Asymmetrie, was nur Tonalität mit sich bringt."

Sendung: "Leporello" am 7. Februar ab 16:05 Uhr und "Horizonte" am 8. Februar ab 22:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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