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Moritz Eggert zur Zukunft der Klassik "Wir müssen uns von der Nostalgie befreien"

Moritz Eggert ist nicht nur Komponist, sondern bekanntlich auch ein wilder Denker. Mit wem also könnte man besser über die Zukunft der klassischen Musik spekulieren! Wir haben es getan. Im Interview erklärt Eggert unter anderem, wieso in kommerziellen Projekten manchmal mehr disruptive Kraft steckt, als in öffentlich geförderten Unternehmungen.

Moritz Eggert | Bildquelle: © Katharina Dubno

Bildquelle: © Katharina Dubno

Falk Häfner: Moritz Eggert, erinnern Sie sich denn noch an ihr allererstes Konzert, das Sie besucht haben? Und wissen Sie noch, wie Sie es damals fanden?

Moritz Eggert: Ich bin ja quasi im Opernhaus aufgewachsen, meine Mutter war Theaterfotografin, insofern verschwimmt das so in der Erinnerung. Also, ich kann mich gar nicht an das erste Konzert oder die erste Aufführung erinnern. Es war einfach grundsätzlich so, dass ich sehr, sehr oft bei Proben dabei war und einfach Musik gehört habe. Und meine Mutter hat mich auch selbst zu Konzerten mitgenommen. Da war alles dabei: Klassik natürlich, aber auch Miles Davis oder die Rolling Stones. Das war so Teil meines Alltags.

Mehr Kommerz, mehr Veränderung?

Falk Häfner: Wenn man Ihre Musik kennt, dann weiß man, dass das alles gefruchtet hat, denn auch Sie sind jemand, der sehr heterogen unterwegs ist in seinen Stücken, auch in der Art, sie zu präsentieren. Aber jetzt treten Sie für ein Thema an, für das wir eigentlich wahrscheinlich Stunden bräuchten, nämlich: Wie kann man die Klassik in die Zukunft führen? Ja, wie, Herr Eggert?

Moritz Eggert: Ich glaube, wir müssen uns erstmal von dieser Nostalgie befreien, in der wir es uns bequem gemacht haben. Man versucht mit immer denselben Sachen einen schwindenden Kreis von Abonnenten zu halten. Und langsam merkt man, dass das so nicht mehr funktioniert. Ich habe gerade einen Artikel geschrieben, da geht es darum, dass komischerweise in kommerziellen Unternehmungen manchmal mehr Wagemut steckt, als in geförderten Unternehmen, zum Beispiel im öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Da schneidet man oft das Programm nach Zielgruppen zu, weil man politisch unter Druck steht, also unter Rechtfertigungsdruck. Dagegen bestreitet die Metropolitan Opera, die man von Deutschland aus ja eher als ein spießiges, konservatives Haus wahrnimmt, ein Drittel ihres Spielplans mit zeitgenössischen Werken.

Falk Häfner: Aber nun ist es ja nicht so, dass die Konzerte mit zeitgenössischer Musik bei uns brechend voll wären ...

Moritz Eggert: Naja, das liegt daran, weil die meisten Menschen nicht viel mit zeitgenössischer Musik zu tun haben. Es gibt ja ganz tolle zeitgenössische Musik, sehr unterhaltsame, populäre, auch reißerische Musik. Das Problem ist, dass man immer so ein Klischee davon im Kopf hat, was zeitgenössische Musik ist. Die meisten stellen sich darunter sehr, sehr trockene Avantgardemusik vor, aber das ist ja schon längst nicht mehr so.

Eggert: Bedarf nach anspruchsvoller Musik wird bleiben

Falk Häfner: Bleiben wir nochmal bei der Nostalgie: Bach, Mozart, Beethoven oder auch Messiaen - denen wird doch mit Klamauk, mit Unterhaltung nicht beizukommen sein. Es braucht doch gewisse Vorkenntnisse und Vermittlung um diese Musik an Frau, Mann und Kind zu bringen?

Moritz Eggert: Gerade die Beispiele, die Sie genannt haben, das sind doch Komponisten, die einen sehr hohen Unterhaltungswert haben. Paul Hindemith hat übrigens schon 1910 festgestellt, dass das Publikum immer älter wird. Trotzdem gab es das klassische Konzert sehr wohl. Wir dürfen auch nicht vergessen, dass andere Kulturen einen ganz anderen Bezug zur Klassik haben. In China gibt es einen riesigen Klassikmarkt, weil diese Musik dort nicht assoziiert wird mit etwas Spießigem, sondern mit etwas Revolutionärem, weil klassische Musik eben aus dem Westen kam. Für diese Menschen ist das etwas ganz Modernes und Schickes. Das bedeutet: Es wird immer einen Bedarf nach anspruchsvoller Musik geben, genauso wie es einen Bedarf nach anspruchsvoller Literatur geben wird. Das wird nie die Massen begeistern, aber die Themen, die dort verhandelt werden, sind halt sehr nachhaltig und werden uns jahrhundertelang beschäftigen.

Sendung: "Leporello" am 2. März ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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