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Musiktheater in der Psychiatrie Die Uni-Klinik als Musiktheaterbühne

Schauspieler, Sänger und Patienten agieren im Rahmen des Psychatrie Musiktheaters "Korridor" miteinander, die am Freitag in Räumlichkeiten der Klinik für Psychatrie und Psychotherapie der Universität München ihre Premiere erlebt. Im Interview mit BR-KLASSIK erklärt Regisseurin Caitlin van der Maas, warum auch die Zuschauer besonders gefordert sind.

Szenenbild aus "Korridor" der Klinik für Psychatrie und Psychotherapie der Universität München | Bildquelle: András Mezei Walke

Bildquelle: András Mezei Walke

Psychatrie-Oper

Regisseurin Caitlin van der Maas schickt Sänger und Publikum in den "Korridor"

BR-KLASSIK: Besucher einer Klink in Gestalt von drei Schauspielern, drei Sänger sowie Patienten treffen in dieser Performance aufeinander. Wie war das für die echten Patienten der Klinik, sich selbst zu spielen?

Caitlin van der Maas: Die Psychiatrie hat sich als Spielort angeboten: als Begegnung zwischen Kunst und Klinik. Die Patienten haben eine unglaubliche Lust an Theater und Kunst und der Auseinandersetzung damit. Für uns war es vor allem interessant zu gucken, wie man vom Begriff "Krankheit" ein Bild und eine Umsetzung finden kann, die für alle um uns herum konstruktiv ist. Krankheit kann man ja eigentlich schwer darstellen - man möchte es eigentlich auch nicht.

BR-KLASSIK: Auf dem Flyer zum Stück steht der Text: "Ein Mann steht und betrachtet eine Rose. Er steht zu nah, um sie richtig sehen zu können. Er steht zu weit entfernt, um sie riechen zu können." Dieser kleine Text scheint das Zentrum des Stücks zu sein, er taucht immer wieder auf.

Caitlin van der Maas: Der Text soll zeigen, dass das Verhältnis [zu einem Objekt] sich ändert, wenn der Geist andere Wege geht. Wenn die Fantasie und die Gedanken in einer anderen Umgebung sind - oder sich eben nicht im Jetzt und Hier befinden, sondern ganz praktisch an dem Ort, um den es geht. Wenn wir durch die verschiedenen Räume der Klinik wandeln, ändert sich die Atmosphäre und man bekommt eine andere Körperhaltung.

BR-KLASSIK: Als Zuschauer sitzt man nicht von Anfang bis Ende auf einem Stuhl, es gibt keine Bühne. Man bewegt sich durch Korridore. Ändern sich diese Wege in den 10 Vorstellungen jeden Abend oder gibt es eine bestimmte Choreografie?

Regisseurin Caitlin van der Maas | Bildquelle: Judith Buss Bildquelle: Judith Buss Caitlin van der Maas: Ja, es gibt eine feste Choreografie. Die Zuschauer werden von allen Darstellern, von Sängern, Schauspielern und dem Chor geführt. Sie begleiten die Zuschauer und instruieren sie auch immer wieder. Wir versuchen diese Wanderung auf eine spielerische Art zu machen. Es ist nicht so, dass man einfach so von Ort zu Ort geht. Der Weg, der zurückgelegt wird, soll auch der Weg jedes einzelnen Zuschauers werden. Mit seinen eigenen Gedanken und Erfahrungen, die er sammelt in diesen "Korridoren".

BR-KLASSIK: Da muss man sich ja ganz schön einbringen als Zuschauer!

Caitlin van der Maas: Dafür lassen wir die Zuschauer aber ansonsten total in Ruhe. Sie müssen nicht partizipieren, nicht mitspielen, von ihnen wird nur das Mitgehen gefordert. Natürlich gibt es Aufzüge und alles ist zugänglich. Und es gibt natürlich auch Stühle für diejenigen, die nicht so lange stehen können.

BR-KLASSIK: In welchem Verhältnis stehen denn die Sprechstimmen zu den Gesangsstimmen?

Caitlin van der Maas: Das ist tatsächlich in dieser Räumlichkeit besonders, weil die Akustik in der Klinik sehr speziell ist. Sie hat etwas kirchliches, finde ich. Eine Akustik, in der sich Sprech- und Singstimme fast fließend mischen können.

BR-KLASSIK: In eine Klinik zu gehen macht man ja nicht gerne freiwillig. Und zu sagen: Ich gehe jetzt in eine psychiatrische Klinik. Das gibt schon einen besonderen Kick - oder?

Caitlin van der Maas: Ich denke, es lohnt sich total! Es wird das Bild davon verändern, was wir von so einer Klinik halten. Was wir denken, dass sie ist.

BR-KLASSIK: Wird es auch verändern, was wir als "normal" oder "verrückt" empfinden?

Caitlin van der Maas: Ich hoffe es. Das ist immer ein spannendes Gebiet: Vieles kann man einfach als "menschlich" einstufen. Das Menschliche ist der verbindende Faktor. Und man kann diesen Menschen, der im Zentrum steht, dann in Bezug setzen: zur Rose oder zur Umgebung, zu den Räumlichkeiten oder zu anderen Menschen. Ich denke. das bleibt ein zentraler Punkt der Menschen - solange die Roboter uns noch nicht übernommen haben (lacht).

Das Gespräch mit Caitlin van der Maas führte für BR-KLASSIK Sylvia Schreiber.

Aufführungen von "Korridor"

Uraufführung: 05.02.2016, 19:30 Uhr, LMU Klinik für Psychatrie und Psychotherapie
Weitere Vorstellungen: 06./07./10./11./14./15./18./20./21.02.2016, jeweils 19:30 Uhr, LMU Klinik für Psychatrie und Psychotherapie

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