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Kritik – Offenbachs "Madame Favart" in Paris Geschenk zum 200. Geburtstag

Das Stammhaus der Pariser Opéra Comique ist die Salle Favart, benannt nach dem Dramatiker Charles-Simon Favart, einem ihrer Direktoren. Dessen Gattin, die Schauspielerin Justine Favart, war um 1750 nicht nur in Frankreich ein umjubelter Star. Den beiden hat Jaques Offenbach 1878 in seinem Spätwerk "Madame Favart" ein heiteres musikdramatisches Denkmal gesetzt, das gestern Abend an der Opéra Comique zum 200. Geburtstag des Komponisten neu auf die Bühne gebracht wurde.

Szene aus "Madame Favart" an der Opéra Comique in Paris | Bildquelle: Stefan Brion/Opéra Comique Paris

Bildquelle: Stefan Brion/Opéra Comique Paris

Die Theaterwelt des 18. Jahrhunderts spielt eine Hauptrolle in Jacques Offenbachs Opéra comique "Madame Favart". Außerdem haben Offenbachs Librettisten Alfred Duru und Henri Chivot einige politisch brisante Anekdoten aus dem Leben des realen Künstlerehepaars Favart in die fiktive Handlung mit eingeflochten. Zum Beispiel eine Affäre Justines mit dem Marschall Moritz von Sachsen. Vor dem sind die Favarts geflohen. Charles-Simon versteckt sich in einem Gasthaus und Justine findet ihn, nachdem sie aus einem Kloster entkommen ist.

Die Inszenierung in Bildern

Die Fantasie der Zuschauer ist gefordert

Regisseurin Anne Kessler hat die Handlung aus dem 18. Jahrhundert in eine zeitgenössische Theaterwelt verlegt. Schauplatz des fast dreistündigen Opernabends ist eine Kostümschneiderei, in die ein spielender Junge als stummer Beobachter hineingerät. Die Schneiderinnen und Kostümbildner verwandeln sich dank weniger Requisiten in Gäste des Wirtshauses, Soldaten und Adelige, und immer bleibt die Fantasie der Zuschauer gefordert.

Maximum an musikalischer Spritzigkeit

Temporeich und in nahtlosen Übergängen wechselt das gesamte Ensemble zwischen gleichwertig gut gesprochenem und gesungenem Wort. Dirigent Laurent Campellone und das Pariser Kammerorchester bieten ein Maximum an musikalischer Spritzigkeit, wo Offenbachs Musik es verlangt, und geben den lyrischen Momenten ebenfalls ausreichend Raum. Die mit samtigem Mezzo ausgestattete Marion Lebègue verwandelt sich von einer träumenden Näherin in die kecke Justine Favart und darf im Verlauf des Abends von der Femme Fatale über die komische Alte und einen jodelnden Tirolerburschen ihre ganze Palette an Ausdrucksmitteln zeigen.  

Lohnendes Spätwerk

Als zweites Paar glänzen Anne-Catherine Gilet als Suzanne und Francois Rougier als Hector, denn "Madame Favart" erinnert nicht selten an Szenen aus Mozarts "Le nozze di Figaro", wenn sich die Paare in ihren falschen Identitäten verstricken. Schade, dass die Szene in der Kostümschneiderei mit der Zeit etwas an Reiz verliert, hier hätte ein weiterer bühnenbildnerischer Impuls nicht geschadet. Doch es lohnt sich, Offenbachs Spätwerk in Paris zu entdecken. Seine Liebeserklärung an das Genre der komischen Oper passt hervorragend an dieses Haus, und der Komponist hätte sich über das Geschenk zum 200. Geburtstag bestimmt gefreut.

Sendung: "Allegro" am 21. April 2019 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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