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Kritik - "Die Sache Makropulos" an der Deutschen Oper Der Fluch des ewigen Lebens

Alt werden kommt heutzutage ja immer mehr aus der Mode, stattdessen heißt es: Jung bleiben! Das verspricht jedenfalls die Anti-Aging-Industrie, und die lebt ganz gut davon. Gut, dreihundert Jahre sind vielleicht etwas hoch gegriffen, aber womöglich wird das Leben ja schon ab 100 viel langweiliger, als mancher wahrhaben will - mit oder ohne Falten. Ab 337 jedenfalls ist es unerträglich, wie die gefeierte Sängerin Emilia Marty zu berichten weiß, die extrem langlebige Heldin in Leos Janáceks Oper "Die Sache Makropulos".

Aus David Hermanns  "Makropoulos"-Inszenierung an der Deutschen Oper Berlin | Bildquelle: Bernd Uhlig

Bildquelle: Bernd Uhlig

Als Kind fiel Elina Makropulos alias Emilia Marty sozusagen wie Obelix in den Zaubertrank und muss sich seither von Generation zu Generation durch die Welt schleppen. Kein Wunder, dass sie dabei immer kälter, zynischer, rücksichtsloser, einsamer wird, denn alle Liebhaber, alle Freunde, alle Bekannten sterben ja regelmäßig weg.

Hauptfigur mal fünf

Aus David Hermanns  "Makropoulos"-Inszenierung an der Deutschen Oper Berlin | Bildquelle: Bernd Uhlig Aus David Herrmanns Berliner "Makropoulos"-Inszenierung | Bildquelle: Bernd Uhlig An der Deutschen Oper Berlin inszenierte David Hermann das ausgesprochen textlastige, aber ungemein gedankenvolle Werk als Geschichte einer Lebedame, einer "femme fatale", die gerade mit ihrer Gefühlskälte alle Männer verrückt macht. Gleich fünf Mal steht die Titelfigur auf der Bühne: Die fabelhafte Evelyn Herlitzius singt die Emilia Marty der 1920er Jahre, gekleidet im strengen Look der damaligen Neuen Sachlichkeit. Eine bleiche Wiedergängerin, wie die Roboterfrau aus "Metropolis". Wer diese Frau früher war, das führen Statistinnen vor: In Kostümen der Renaissance, des Barock, des frühen und späten 19. Jahrhunderts. Immer zog diese Künstlerin alle Blicke auf sich, immer liefen ihr die Männer nach.

Der Putz bröckelt

Regisseur David Hermann und seinem Ausstatter Christof Hetzer gelingen eindrucksvolle, sorgsam auf die Musik choreographierte Bilder. Ein recht steriles Theaterfoyer ist auf der Bühne zu sehen, honiggelbe Wände, ein paar weiße Stuckleisten unter der Decke. Der Putz bröckelt, die Zeit hat sich hinein gefressen in diese Kulisse. Lichtdesigner Ulrich Niepel ließ diesen gespenstischen Raum schwindelerregend rotieren, wabern und flirren. Kein Wunder, dass die Kerle den Verstand verlieren: Einer erschießt sich, ein anderer will Emilia Marty ermorden, aber über Narben lacht sie nur - wie Lulu oder Pandora, all die unheilvollen Frauen, die angeblich das Laster in die Welt bringen und in Wahrheit doch nur Männerfantasien sind.

Rückhaltlos intensives Spiel

Evelyn Herlitzius wurde einmal mehr vom Publikum gefeiert, spielt sie doch rückhaltlos intensiv und somit absolut glaubwürdig. Ihre Stimme mag manchem zu hart und kalt in den Ohren klingen - für solche Rollen ist sie genau richtig. Derek Welton gab einen so intelligenten wie rücksichtslosen Baron Prus, der Emilia Marty geschickt entlarvt, ohne davon freilich, wie erhofft, zu profitieren. Dirigent Donald Runnicles verstand es hervorragend, Janáceks bisweilen ruppige, verstörende, auch mitleidvolle Partitur zum Gleißen, Schimmern und Leuchten zu bringen - als ob kaltes, fahles Licht aus dem Orchestergraben auf die Bühne fiel. Ein großartiger Opernabend in Berlin und eine überzeugende Deutung dieses tröstlichen Werks: Glücklich macht demnach nur ein begrenztes Leben, aber das ist sicher leicht gesagt ...

Weitere Vorstellungen

Donnerstag, 25. Februar 2016, 19:30 Uhr
Sonntag, 28. Februar 2016, 18:00 Uhr
Mittwoch, 27., April 2016, 19:30 Uhr
Samstag, 30. April 2016, 19:30 Uhr

Deutsche Oper Berlin
Bismarckstraße 35
10627 Berlin

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