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Kritik - Janáčeks "Schlaues Füchslein" an der Oper Frankfurt Szenische Absage an den Hymnus auf die Natur

"Im Wald fängt das Leben immer neu an" – diese finale Textzeile Leoš Janáčeks funktioniert einfach nicht mehr in Zeiten von stetiger Wüstenausdehnung, enormer Regenwaldvernichtung, allumfassender Luftverschmutzung und immer neuen Umweltsünden der wachstumsfixierten Führungs- und Funktionseliten. 2016 ist schließlich nicht das Uraufführungsjahr 1928.

Szenenbild von "Das schlaue Füchslein" an der Oper Frankfurt | Bildquelle: © Barbara Aumüller

Bildquelle: © Barbara Aumüller

Premierenkritik

"Das schlaue Füchslein" an der Frankfurter Oper

Dieser Widerspruch mag Ute Engelhardt (Regie), Stephanie Rauch (Bühnenbild), Katharina Tasch (Kostüme), Christina Becker (Video) und Mareike Wink (Dramaturgie) motiviert haben, Janáčeks "Schlaues Füchslein" mit seinen pantheistischen Zügen, der höchst reizvollen Durchdringung und wiederholten Gleichsetzung von Mensch und Tier in einem musikdramatischen Hymnus auf die ewige Natur kritisch zu sehen.

Visionen im Beton-Ambiente


Folglich geht der Vorhang nach dem orchestralen Vorspiel hoch und zeigt eine unserer Betonwüsten: unten ein banaler Kiosk, davor ein paar Sitzgelegenheiten, darüber zwei Räume der Försterwohnung. In diesem Ambiente ist das Füchslein eine junge Stadtstreicherin. Sie sprayt einen Fuchskopf auf die öden Wände. Sie tötet nicht etwa Hahn und Hennen wie im Original - die tauchen nur wie Traumvisionen aus den Wänden auf -, sondern sie beißt einen der hinzuerfundenen Söhne der Försterfamilie ins Bein und flieht in die Anonymität der Großstadt. In einer fast an das Bundeskanzleramt erinnernden Architektur hat der Pfarrer eine Vision von lauter Fat-Suit-Frauen in schwarzer Unterwäsche. Auf einem durchsichtigen Zwischenvorhang läuft dann ein Video, und der Lehrer schwebt dahinter tatsächlich auf einem Fahrrad in den Raum und radelt mit einer hübschen Blonden - im Original mit der Zigeunerin Terynka - virtuell dahin.

Bilder von der Inszenierung

Finale im Regen

Dann fährt ein Hauch von grünem Busch-Dschungel samt Schaukel herab. Der Fuchs als junger Rocker erobert die Stadtstreicher-Füchsin und heiratet sie kniend hinter der Schaukel als Kirchengestühl, woraufhin plötzlich eine wilde Tierschar herumtänzelt. Und der Wald, vor dem nun zur Seite gerückten Kiosk angeordnet: gefällte Stammstrünke, bereit zum Abtransport in die Spanplattenfabrik. Der einstige Wilderer ist zum Holzarbeiter mit Maschinensäge mutiert. Er ersticht die zuvor mit ihrer enormen Kinderschar herumalbernde Mutter Füchsin und versteckt sie unter Müllsäcken. Zum finalen Hymnus auf die ewige Wiederkehr in Wald und Natur kommt der gealterte Förster in diese Ödnis. Es beginnt zu regnen und zum Bad im Urelement Wasser singt er wie ein krank wirkendes Mannsbild von Werden und Vergehen – wobei ihn der eher uralt kostümierte Enkel des schon in der ersten Szene hereintapsenden Frosches tröstet.

Überzeugende Solistenleistungen

Nach einem vereinzelten Buh applaudierte das gelegentlich etwas konsterniert wirkende Premierenpublikum dennoch kräftig dem Kinderchor (Einstudierung: Markus Ehmann) und den Solisten - und auch dem Regie-Team. Die Janáček-Kenner fragten sich allerdings, ob nicht diese Szenerie auch der musikalischen Interpretation von Johannes Debus etwas von der vibrierenden Lebenslust-Rhythmik genommen hat. Doch Janáčeks heftige Stimmungsumschwünge, seine Tonfallwechsel wurden vom Frankfurter Museumsorchester in all ihrer kantigen Individualität adäquat realisiert. Auch wenn im Vergleich mit den fein und zärtlich gelungenen Zweierszenen zwischen Förster und Füchslein die Regie der großen Ensembles eher nur trubelig wirkten: Die Freude an allen Solisten war ungetrübt.

Dem Pfarrer etwa, vom Bassisten Magnús Baldvinsson als steife Bohnenstange dargestellt, glaubte man die erotische Klage. Beau Gibsons gemütlicher Schulmeister wirkte mit schönem Tenor dennoch so bieder, dass die vielfach besungene Zigeunerin Terynka ihm den kernigen Waldarbeiter Háraschta, gesungen von Sebastian Geyer, vorzog. Simon Neals Förster-Bariton verstrahlte zupackende Manneskraft, so dass im Regen-Finale unklar blieb, ob seine große Szene über Leben, Lieben, Vergehen und Werden nun als Hymnus oder eher als Klage verstanden werden sollte. Jenny Carlstadts jungenhafter Mezzo-Charme als Fuchs überzeugte derart, dass Füchsin Schlaukopfs Hingabe nach kurzem Zieren verständlich wirkte - und Louise Alders strahlender Füchslein-Sopran samt ihrem "Powergirl"-Spiel prägten den Abend.

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