BR-KLASSIK

Inhalt

Kritik – Uraufführung "Les Éclairs" von Philippe Hersant in Paris Behäbiger Blitzeinschlag an der Seine

Vermutlich wird über Elon Musk schon zu seinen Lebzeiten eine Oper geschrieben werden. Im Fall des berühmten Ingenieurs, Erfinders und Namensgebers für Musks Elektro-Autos, Nikola Tesla, setzte die künstlerische Auseinandersetzung erst nach seinem Tode ein. Diverse Künstler haben sich mit ihm und seiner eigenwilligen Biografie auseinandergesetzt, jetzt widmet sich der Komponist Philippe Hersant dieser Figur in seiner neuesten Oper. Uraufgeführt wurde "Les Éclairs" am 2. November an der Pariser Opéra Comique.

Szene aus "Les Éclairs" an der Opéra Comique Paris | Bildquelle: Opéra Comique Paris

Bildquelle: Opéra Comique Paris

Hersant und Tesla, das wirkt erstmal nicht zwingend, da Innovation sowie Unberechenbarkeit nicht zu den Stärken des 1948 geborenen Franzosen zählen, während der von 1856 bis 1943 auf Erden weilende Kroate zu den merkwürdigsten und bemerkenswertesten Charakteren seiner Epoche zählte. Tesla erfand schon als Kind etwa eine Vakuumpumpe, später folgte Epochales, vor allem Maschinen zur Erzeugung von Wechselstrom und neuartige Radiogeräte. Als Mensch war Tesla schwierig und stand sich selbst im Weg, er verschlief es, Patente anzumelden und hatte panische Angst vor Menschen, vor allem vor Frauen.

Bieder und behäbig

Ein guter Opernstoff also, sollte man meinen. Vor allem, da der französische Autor Jean Echenoz das Libretto schrieb, er hatte 2010 bereits einen Roman über Tesla verfasst. Doch leider wirkt die Geschichte auf der Bühne der Opéra Comique, in der Salle Favart, reichlich bieder und behäbig. Wir begegnen einem scheuen Forscher (emphatisch gesungen von Jean-Christophe Lanièce), dessen Motivationen und Innenleben einem eher fernbleiben. Clément Hervieu-Léger, sehr gut gebuchter Regisseur und festes Mitglied der Comédie-Française, setzt auf gediegene szenische Tempi und eine ruhige, recht träge Erzählweise. Man erlebt Tesla, der im Stück Gregor heißt, in Diskussionen mit einem bedeutenden Kollegen (Thomas Edison, fein gesungen von André Heyboer). Es gibt männliche und weibliche Bewunderer, ein paar durchaus zynische Experimente mit einem elektrischen Stuhl, am Ende sitzt Tesla (beziehungsweise Gregor) traurig auf einem Gerüst und das Saallicht verlischt.

Minimalistisch inspirierte, wenig abwechslungsreiche Musik

Philippe Hersant schreibt eine oft minimalistisch inspirierte, wenig abwechslungsreiche Musik mit langen Schmelz- und Schmerzensphrasen im Orchester, ziemlich konservativer Stimmbehandlung und nur wenigen prägnanten Akzenten. Aufhorchen lässt Elsa Benoit (sie trat oft an der Bayerischen Staatsoper auf) in der Rolle der Betty. Immerhin ist alles klar und verständlich erzählt, auf inhaltlicher, szenischer und musikalischer Ebene. Musiziert wird durchwegs gut, das mittelgroß besetzte Orchestre Philharmonique de Radio France und der Chor Ensemble Aedes machen ihre Sache unter der engagierten Leitung von Ariane Matiakh toll. Doch der revolutionären Figur Tesla wird der Abend nicht wirklich gerecht.

Opulenter Abend

In der Dienstagsausgabe des Figaro hat der scheidende Intendant der Opéra Comique, Olivier Mantei, ein flammendes Plädoyer für erzählendes Musiktheater gehalten und auch darauf hingewiesen, dass gerade kleinere, konzise, unaufwändigere Stücke wie Strawinskys "Geschichte vom Soldaten" auch neue Publikumsgeschichten generieren könn(t)en. Kann man so sehen, durchaus. "Les Éclairs" bedeutet übersetzt übrigens "die Blitze" und steht gleichzeitig für überaus schwere, kaloriensatte Süßspeisen. Somit passt der Titel dann doch irgendwie, denn die Ausstattung und der Kostümfundus dieser Uraufführung ist ebenso wie die Musik ziemlich opulent.

Sendung: "Leporello" am 3. November 2021 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (0)

Kommentieren ist nicht mehr möglich.
Zu diesem Inhalt gibt es noch keine Kommentare.

    AV-Player