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Kritik - Verdis "Troubadour" in Linz Arien aus Käfighaltung

Flammen lodern, explodierende Feuerbälle wirbeln durch die Luft und Blutströme ergießen sich über die Bühne: Regisseur Gregor Horres inszeniert Verdis populäre Oper "Il Trovatore" zwar mit starken Bildern, aber ohne eine Geschichte zu erzählen. Ein teilweise wirrer Opernabend, der musikalisch glänzt.

Il Trovatore | Bildquelle: Reinhard Winkler

Bildquelle: Reinhard Winkler

Nicht wenige halten Verdis "Troubadour" (Il Trovatore) für eine reichlich konfuse Angelegenheit, und all die Kritiker haben Recht, denn tatsächlich geht es in dieser Oper um konfuse Menschen mit wirren Schicksalen, aber ist das Ganze deshalb schon unrealistisch, unglaubwürdig, wie gern behauptet wird? Leidenschaften sind meist konfus, Rachegefühle und Eifersucht oft völlig irrational, aus der Luft gegriffen, eingebildet, krankhaft oder was auch immer. Insofern muss sich in diesem Fall niemand die Mühe machen, die Handlung zu verstehen, sondern sollte bereit sein, sich den Emotionen auszusetzen, und das fiel im Landestheater Linz ausgesprochen leicht.

Explodierende Feuerbälle

Il Trovatore | Bildquelle: Reinhard Winkler Bildquelle: Reinhard Winkler Regisseur Gregor Horres und sein Ausstatter Jan Bammes versuchten erst gar nicht, aus dem sperrigen "Troubadour" eine Alltagsgeschichte, ja überhaupt eine Geschichte zu machen. Stattdessen zeigten sie Zustände, Menschen am Rande des Nervenzusammenbruchs, geliebt und gehasst bis zur Raserei. Immer wieder lodern zwischen den Säulen auf der Bühne Flammen auf, explodieren Feuerbälle, rauschen Ströme von Blut die Wände herab, alles Sinnbilder der emotionalen Hitze, die sie alle zerstört: Den eifersüchtigen Grafen Luna, den romantischen Manrico, der als lautenspielender Troubadour genauso überzeugt wie als tapferer Soldat, dessen angebetete Leonora und die geheimnisvolle "Zigeunerin" Azucena, die hier tatsächlich im Text noch so bezeichnet wird.

Political Correctness in den Übertiteln

Allerdings war in den Übertiteln mit Sternchen hinzugefügt, dass es sich beim Wort "Zigeuner" um eine historische, also nicht mehr angemessene Bezeichnung handelt. Wenn diese politische Korrektheit Schule macht, dürften demnächst noch viele Operntexte des 19. Jahrhunderts mit Sternchen auf die Bühne kommen - wobei dann allerdings nicht mehr immer ganz klar wäre, was Satire und was ernsthafte Sprachkritik ist.

Wippe zwischen Liebe und Hass

Wie auch immer: Regisseur Gregor Horres und sein Team beließen es in diesem Fall weitgehend bei der Dekoration, statt sich damit abzuquälen, den "Troubadour" irgendwie logisch erscheinen zu lassen. So liefern sich ein weißer und ein schwarzer Engel, die Liebe und der Hass, ein stummes Duell um die Seelen der Hauptdarsteller. Ein langgestreckter Käfig schwebt aus dem Bühnenhimmel herab, senkt sich wie eine Wippe mal hierhin, mal dorthin, je nach dem Gefühlszustand der Anwesenden: Arien aus Käfighaltung sozusagen.

Statische Inszenierung mit Ausdruck

Il Trovatore | Bildquelle: Reinhard Winkler Bildquelle: Reinhard Winkler Und am Ende sind natürlich alle tot, auch wenn der eine oder andere rein äußerlich weiterleben mag: Drinnen ist nach diesem Feuersturm alles erloschen, bleibt nur emotionale Asche. Für die recht abstrakte, über drei Stunden arg statische, aber eben auch kluge Inszenierung gab es nur höflichen Beifall, Ovationen dagegen für die Sänger. Die polnische Sopranistin Izabela Matuła begeisterte als Leonora mit ihrer Innigkeit, ihrem völlig unverstellten Ausdruck, an dem nichts künstlich oder aufgesetzt wirkte. Katherine Lerner war eine anrührende, zutiefst traumatisierte Azucena, Federico Longhi ein kraftstrotzender Graf Luna. Tenor Sung-Kyu Park als Manrico wollte ganz viel, hatte eine Riesenstimme, setzte aber eine Spur zu sehr auf den Effekt statt auf Wahrhaftigkeit.

Mehr als einen "Goldfinger"

Einmal mehr brillant am Pult: Dirigent Enrico Calesso, im Hauptberuf Würzburger Generalmusikdirektor. Wenn´s um Leidenschaft geht, ist er der richtige Mann: Er fiebert und leidet mit den Sängern, lebt im Text, behält alles im Auge, ohne jemals an den Noten zu kleben. Ein großartiger Opernfanatiker und behutsamer Klangästhet, der stets die richtige Balance zwischen laut und leise hält und am liebsten recht flott unterwegs ist. Kein Wunder: Im Programmheft verriet er, dass ihm James-Bond-Filme aus den sechziger und siebziger Jahren mittlerweile viel zu langsam vorkommen. Calesso hat eben mehr als einen "Goldfinger"!

Sendung: Allegro am 13. Januar 2020 ab 6.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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