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Kritik - Mozarts "Zauberflöte" am Theater an der Wien Düster, karg und edelbitter

Das Theater an der Wien hat Mozarts "Zauberflöte" prominent an den Anfang der Spielzeit gestellt. In Wien wurde das Singspiel auch uraufgeführt. Das war 1791, am Theater auf der Wien. In der Neuproduktion steht René Jacobs mit seiner Akademie für Alte Musik Berlin für einen an der Barockmusik orientierten Originalklang. Regisseur ist Torsten Fischer. Franziska Stürz war für BR-KLASSIK bei der Premiere.

Szenenfoto der Mozartoper "Die Zauberflöte" am Theater an der Wien | Bildquelle: © Herwig Prammer

Bildquelle: © Herwig Prammer

Schon in der Ouvertüre wird klar: In dieser "Zauberflöte" läuft einiges anders als gewohnt. Dialoge werden eingebaut, das Klavier zitiert dazu aus der Partitur, die Vorgeschichte wird erzählt. Auch im weiteren Verlauf der Ensembles und Arien stockt der energische Fluss der Musik bisweilen, denn Dirigent René Jacobs macht  bewusst Zäsuren und wechselt die Tempi, sodass man sowohl den Schikaneder´schen Text als auch Mozarts bekannte Melodien anders wahrnehmen muss. Auf der leeren Bühne geht zu Beginn eine große Sonne langsam unter, und die Welt versinkt in schwarzer Nacht. Tamino Sebastian Kohlhepp wird auf der mit Aschefetzen bedeckten Schräge von schwarz gewandeten Frauen bedrängt und besingt mit rundem lyrischem Tenor das Bildnis eines idealisierten Mädchens, das die schwarzen Röcke der Damen auf dem Boden freiwischen.

Rolle rückwärts am Elastikseil

Szenenfoto der Mozartoper "Die Zauberflöte" am Theater an der Wien | Bildquelle: © Herwig Prammer Bildquelle: © Herwig Prammer Der Kampf der Geschlechter interessiert Regisseur Torsten Fischer wie auch die Suche nach Liebe und Freiheit. Selbst bei Papageno verzichtet er auf bunt-verspielte Elemente. Daniel Schmutzhard sieht in der Lederhose aus wie eine futuristische Version des Schlagersängers Andreas Gabalier nach einem Waldbrand.  Seine Auftrittsarie muss er an Elastikseilen fliegend präsentieren, was inklusive Rolle rückwärts für die gesanglich souveräne Präsentation doch noch etwas mehr Routine braucht. Aber der Naturbursch bleibt die Sympathiefigur, besonders, weil er sich einer heutigen Sprache mit Mundart-Elementen bedienen darf. Tamino liebt eine willensstarke Pamina, die von Sophie Karthäuser energisch dargestellt und mit sehr feiner Stimme gesungen wird. Stimmlich herausragend ist die Armenierin Nina Minasyan als Königin der Nacht, die sich sowohl zu Tamino als auch zu Sarastro sichtbar hingezogen fühlt. Ihre Rachearie präsentiert sich als virtuoser musikalischer Höhepunkt des Abends.

Akustischer Schleier

Eine weitere Überraschung bildet der Beginn des zweiten Teils mit Mozarts Kantate "Die ihr des unermesslichen Weltalls Schöpfer ehret". Auf der Suche nach Weisheit müssen Tamino und Pamina eine Mauer überwinden, auf die in allen Weltsprachen ein Zitat aus Luigi Nonos "Intolleranza" geschrieben steht: "Lebendig ist, wer das Licht erwartet und nicht aufhört zu lieben". In der Feuer- und Wasserprobe retten beide den lebensmüden Monostatos und Menschen, die nach Flüchtlingen aussehen, in Schwimmwesten. Die neue "Zauberflöte" am Theater an der Wien gibt sich existenzialistisch düster und bringt nach einem sehr kargen Anfang im zweiten Teil starke Bilder und Aussagen auf die Bühne. Die musikalische Seite legt mehr Wert auf Interpretation als auf Brillanz, und der gedämpfte Barockklang des Orchesters wirkt wie ein akustischer Schleier über dem Werk. Dies ist ein Mozart sicher nicht nach jedermanns Geschmack, aber definitiv anders: nicht süß, sondern edelbitter.

Die Zauberflöte - Weitere Termine:

Weitere Vorstellungen im Theater an der Wien finden am 19., 21., 23., 26. und 28. September 2017 statt. Die Vorstellungen beginnen jeweils um 19 Uhr.

Sendung: Allegro am 19. September 2017, 6.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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