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Kritik - "La Favorite" mit Elīna Garanča Starke Stimme, karge Bühne

Die Tragik der Frauenrolle, zerrissen zwischen geistlichen und weltlichen Werten, steht im Fokus von Donizettis "La Favorite". Mezzosopranistin Elīna Garanča verlieh der stolzen, schönen Léonor am Sonntag bei der Premiere an der Bayerischen Staatsoper ihre Stimme und glänzte virtuos - in sündig rotem Samtmantel. Eine Kritik von Franziska Stürz.

Szenenbild aus Donizettis "La Favorite" an der Bayerischen Staatsoper | Bildquelle: © Wilfried Hösl

Bildquelle: © Wilfried Hösl

Zwei Menschen finden keinen Ort für ihre Liebe. Sowohl die Gesetze der Kirche als auch der Gesellschaft geben ihnen keine Chance. Von Trockeneis umwabert begegnen sich Léonor und Fernand im leeren, düsteren Bühnenraum zur Ouvertüre. Ein seltsam kitschiges Bild zu Beginn einer Inszenierung, deren karge Optik für den restlichen Abend von Alexander Müller-Elmaus kalten, fahrbaren Gitterwänden und asketischen Kirchenstühlen geprägt wird. Die Gesellschaft, ob geistlich oder weltlich, steckt - leider einmal mehr - in alltäglich faden Business-Kostümen von Kirsten Dephoff. Immerhin, die metallenen Wände werden manchmal durchsichtig und zeigen bewundernswert stillhaltende Statistinnen als verklärte Madonnen und einen Gekreuzigten. Und dann gibt es noch den Königshof, an dem sich Elsa Benoit als wunderbar timbrierte Inès mit den Hofdamen des Chores eigentlich ganz gut amüsiert.

Kammerspielartige Intimität und glänzende Elīna Garanča

Amélie Niermeyer verzichtet erstaunlicherweise vollkommen auf einen Kontrast zwischen der höfischen und der geistlichen Welt. Überall die gleichen hässlichen Holzstühle, auf denen sich die Sänger zu platzieren haben. Niermeyer arbeitet lieber in kammerspielartiger Intimität die Charaktere heraus. Im großen Münchner Opernhaus sind diese Details auf große Entfernung sicher nicht leicht zu erkennen, aber wer nah genug sitzt, kann sich vom intensiven Spiel aller Solisten fesseln lassen. Allen voran glänzt Elīna Garanča stimmlich bestens in Form und virtuos gestaltend als stolze, schöne Léonor im sündig roten Samtmantel.

Stimmlich edel und schlank

Mariusz Kwiecień verleiht dem König Alphonse mit leider etwas abgedunkeltem Bariton angemessen dandyhafte Arroganz und glänzt schauspielerisch in einer originellen Pantomime zur Ballettmusik, in der er sich mit Léonor einen Kinofilm ansieht. Matthew Polenzani bleibt als Fernand immer stimmlich edel und schlank und verkörpert den bedauernswert unreifen, zwischen Frau und Kirche schwankendenen absolut glaubwürdig. Die verlorene Ehre treibt ihn augenblicklich zurück in den Schoß der Kirche, in die Arme der vielfach hinter den Gitterwänden wartenden bleichen, schmerzensreichen Mutter Maria.

Harmonie der Gegensätze

Karel Mark Chichon holt mit dem bayerischen Staatsorchester die pastosen, dunklen Klänge der Partitur besonders eindrucksvoll hervor, folgt den Solisten mit großem Gespür und hält die mächtigen Chorszenen und Ensembles mit großer Flexibilität zusammen. Die erste Münchner Staatsopern-Premiere der Spielzeit ist musikalisch opulent und szenisch eher karg - und somit eigentlich ganz im Sinne von Donizettis Idee der Harmonie der Gegensätze.

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