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Kritik - "Land des Lächelns" in Passau Liebe auf Distanz

Erst als Tragödie wurde diese Operette ein Erfolg: Franz Lehár lässt die Liebe zwischen Österreich und China scheitern, ein Kulturkonflikt, wie er nicht aktueller sein könnte. Dem Landestheater Niederbayern gelang eine berührende Inszenierung. Am 21. September feierte sie in Passau Premiere.

"Das Land des Lächelns" am Landestheater Niederbayern | Bildquelle: © Peter Litvai

Bildquelle: © Peter Litvai

Kritik zum Anhören

Wer geschäftlich in China zu tun hat, der ist ja gut beraten, sich vorher einen Mentalitätstrainer zu leisten, sonst kann sogar ein ganz normales Abendessen gründlich schief gehen. Zwischen europäischen und fernöstlichen Umgangsformen liegen halt doch ein paar tausend Kilometer. Ob die Liebe diese Entfernung ohne Weiteres überwinden kann, sei dahingestellt, Franz Lehár war da schon 1929 äußerst pessimistisch. Sein "Land des Lächelns" ist eine der ganz wenigen Operetten mit tragischem Ausgang, und so gesehen ist es ein großer Erfolg, dass am Landestheater Niederbayern in Passau am Ende so manche Träne floss.

Früher exotisch, heute alltäglich

"Das Land des Lächelns", Landestheater Niederbayern | Bildquelle: © Peter Litvai Bildquelle: © Peter Litvai Der britische Regisseur Stephen Medcalf und seine Ausstatterin Iris Jedamski zeigten die Geschichte vom Prinzen Sou-Chong und der österreichischen Gräfin Lisa als hochaktuelles Gleichnis über die Unmöglichkeit der Liebe über kulturelle Grenzen hinweg. Die Melodien sind rührselig, na klar, sie gehen zu Herzen, doch das Thema könnte nicht zeitgemäßer sein. Eine Frau findet gefallen an einem ungewöhnlichen Mann und stellt in dessen Heimat fest, dass seine Tradition und ihr Selbstbewusstsein nicht zueinander passen. Früher war das exotisch, heute ist es alltäglich, wenn auch erfreulicherweise nicht immer mit tragischem Ausgang, sondern oft mit Happy End.

Zauberhaftes China?

Es sind kleine, aber ausdrucksstarke Gesten, mit denen Stephen Medcalf die Geschichte glaubwürdig, berührend und bildstark erzählt. Gleich zu Beginn, zu den ersten Takten der Ouvertüre, schminken sich Sou-Chong, der chinesische Diplomat, und seine Schwester Mi - sie setzen also buchstäblich ein Gesicht auf. Am Ende wischen sie sich mit einem Tuch die Tränen ab - und das Make-up. Die Frage bleibt: Welches Gesicht haben sie nun verloren, mit welchem müssen sie weiterleben?

Feine Ironie und sentimentale Wehmut

"Das Land des Lächelns", Landestheater Niederbayern | Bildquelle: © Peter Litvai Bildquelle: © Peter Litvai Ein echtes Globalisierungs-Drama, das sich hier entfaltet. Kitschverdächtig sind allenfalls die Kostüme, aber wer die bunten Fotos sieht, der bekommt von dieser Inszenierung einen völlig falschen Eindruck. Choreographin Susanne Prasch lässt die Mitwirkenden wunderbar natürlich und harmonisch auftreten, das hat nichts mit Peking-Prunk zu tun, eher schon ist es feine Ironie oder noch treffender sentimentale Wehmut, die hier zu besichtigen sind.

Herrscherfigur: Großer Auftritt Sou-Chongs

Franz Lehár war gerade in seinen späten Jahren typisch österreich-ungarischer Melancholiker und Weltschmerz-Apostel, auch tief gläubig bis zum christlichen Fundamentalismus. Er komponierte nach dem Zusammenbruch des Kaiserreichs wahre Untergangsmusik, diese Grundhaltung von der Vergeblichkeit alles Irdischen kommt hier zum Tragen, und eine gute Inszenierung vom "Land des Lächelns" sollte das zumindest unterschwellig mitdenken. Dem Briten Stephen Medcalf war diese Mischung aus Pessimismus, Kitsch und Tollerei offenbar geläufig: Seine Produktion ist absolut "camp", also augenzwinkernd, grell und klarsichtig zugleich.

Endlose Prozession der Hofschranzen

"Das Land des Lächelns" am Landestheater Niederbayern | Bildquelle: © Peter Litvai Bildquelle: © Peter Litvai Der Chor unter Leitung von Eleni Papakyriakou war wie ausgewechselt, wirkte er doch sonst schon mal lethargisch und desinteressiert. Diesmal hatte offenkundig alle ihre Spielfreude, waren bestens geprobt und mit Eifer bei der Sache. Herrlich die endlose Prozession der Hofschranzen, bei der alle Beteiligten drei Mal über die Bühne eilen mussten. Dirigent Basil H.E. Coleman verschattete den Orientalismus von Lehár meisterhaft, ohne deshalb konturenlos zu werden. Traurig und ehrlich empfunden klang das, wenn auch die Raumakustik bisweilen arg hallig war. Unter den Solisten überzeugte vor allem Emily Fultz als Mi mit ihrem Charleston-Tanz und dem akrobatischen Einsatz auf dem Tennis-Parcours. Auch die aus New York stammende Kathryn J. Brown in der Hauptrolle der Lisa war von ungewöhnlich intensiver Ausstrahlung, sprachlich absolut sattelfest und stimmlich enorm präsent.

Mit der Liebe ist nicht zu spaßen

Der in New Jersey geborene Tenor Jeffrey Nardone hatte als Sou-Chong reichlich zu tun, stand fast durchgehend auf der Bühne und meisterte diese Riesen-Rolle beachtlich. Seine schauspielerisch etwas gehemmte, stimmlich auftrumpfende Art passte vorzüglich zur Rolle dieses chinesischen Potentaten, der hin- und hergerissen ist zwischen Pflicht und Neigung. So spielten zwei Amerikaner auf deutsch eine Österreicherin und einen Chinesen unter britischer Regie und britischem Dirigat von Basil H.E. Coleman. Irgendwie skurril, und ermutigend, dass das so gut klappte wie in Passau.

Sendung: "Allegro" am 23. September 2019 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (1)

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Sonntag, 22.September, 23:24 Uhr

Alfred Binder

Land des Lächelns in Passau

"Für die Augen ein Schmaus, für die Ohren ein Graus!", so würde ich den vergagenen Samstag in Passaus ehemaligem Fürstbischöflichen Opernhaus zusammenfassen.
Der Tenor Jeffry Nardone passte meines Erachtens nicht im Ansatz zu dieser Rolle des Sou Chong, er hatte ja unüberhörbar alle Mühe mit der Höhe der Partie, was er aber durch Lautstärke und Kraft zu vertuschen suchte. Jede seiner Nummern geriet zur Zuhör-Qual!
Trost für mich war seine Partnerin Kathryn j. Brown, die stimmlich wie darstellerisch eine "Glanz-Lisa" auf die Bühne brachte. Brava!!!
Das Orchester im Graben hörte sich gänzlich unmotiviert an, bei der Ouvertüre wähnte ich mich in der zweiten Probe... und durch die ständig viel zu schnellen Tempi, welche Coleman vorgab, entstand keine Minute ein Funken von "Lehar-Sound" dieser Meisterhaften und geradezu genialen Partitur.
Wäre nicht die spritzige Inszenierung und die prachtvolle Ausstattung gewesen, es wäre ein total enttäuschender Abend geworden!

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