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War Bach ein Antisemit? Ausstellung "Luther, Bach und die Juden" in Eisenach

Martin Luther war - darüber besteht heute in der Forschung großer Konsens - ein glühender Antisemit. Das Bachhaus in Eisenach beleuchtet mit einer Sonderausstellung nun Luthers Judenhass und seinen Einfluss auf die Musik von Johann Sebastian Bach.

Das Denkmal für den Denkmal des Kirchenreformators Martin Luther in Eisenach (Thüringen) | Bildquelle: picture-alliance/dpa

Bildquelle: picture-alliance/dpa

"Bach war ein Lutheraner mit Leib und Seele. Er kannte seinen Luther, besaß zwei Lutherausgaben, hatte auch die antijüdischen Schriften," - erzählt der Direktor des Eisenacher Bachhauses Jörg Hansen. Die Juden seien auf ewig verworfen, weil sie Jesus Christus nicht als ihren Erlöser anerkennen, behauptete Martin Luther. Seine These belegt er mit dem sogenannten "Geschichtsbeweis". Der besagt, dass die Vertreibung der Juden aus Israel die gerechte Strafe sei für ihren Unglauben.

Was dachte Bach über die Juden?

Diese fragwürdige Theorie fand Johann Sebastian Bach auch in der Bibel, die er benutzte. Herausgegeben hatte sie der Theologe Abraham Calov. Quasi als Kommentar streute er Passagen aus Luthers Schriften in den Bibeltext ein. Diese Calov-Bibel - als Faksimile in der Ausstellung in Eisenach zu sehen - gibt den Einblick in Bachs Denken über die Juden. Sieben Stellen hat er angestrichen, in denen von deren Schuld bzw. Verwerfung die Rede ist. Und, so betont Jörg Hansen, diese Auffassung spiegelt sich auch in Bachs Musik wider, vor allem in der Matthäus- und Johannespassion.

"Ein Judenjunge" läutet die Вach-Renaissance ein

Bella Salomon geb. Itzig (1749–1824). Tempera auf Elfenbein, um 1800  | Bildquelle: © Mendelssohn-Remise, Berlin / Manfred Claudi Die Jüdin und Bach-Enkelschülerin Bella Salomon | Bildquelle: © Mendelssohn-Remise, Berlin / Manfred Claudi

Bach war kein Antisemit, aber als glühender Lutheraner in jedem Fall Antijudaist - das bekommen die Besucher im ersten Teil der Eisenacher Ausstellung anhand zahlreicher Dokumente vor Augen geführt. Der zweite Teil der Schau widmet sich der Wiederentdeckung von Bachs Musik im 19. Jahrhundert. Diese begann mit dem jungen Komponisten Felix Mendelssohn-Bartholdy, der bereits als Kind evangelisch getauft worden war. Bach-Enkelschülerin Bella Salomon schenkte 1823 ihrem 14-jährigen Enkel Felix Mendelssohn-Bartholdy eine Abschrift von Bachs Autograph der Matthäus-Passion. 1829 führte er das Werk zum ersten Mal nach Bachs Tod auf und läutete damit die Вach-Renaissance ein. Dabei soll Mendelssohn gesagt haben: "Was für ein wunderlicher Zufall, dass es ein Judenjunge sein muss, der den Leuten die größte christliche Musik wiederbringt!". Nach Mendelssohns Tod fertigte der Berliner Bildhauer Aurelio Micheli eine Büste des Komponisten an - und eine Büste Johann Sebastian Bachs. Beide sind im typischen klassizistischen Stil des 19. Jahrhunderts gehalten und nun in Eisenach erstmals zusammen zu sehen.

Ausstellung "Luther, Bach und die Juden"

Bachhaus Eisenach
24. Juni - 6. November 2016

Mit Dokumenten, Büchern, Notenmanuskripten und Gemälden geht die Ausstellung der immer wieder gestellten Frage nach, ob Johann Sebastian Bachs Passionen judenfeindlich sind. Der 1685 in Eisenach geborene Barockmusiker hat viele Lieder von Martin Luther (1483-1546) für seine Choräle verwendet. Der Judenhass des Reformators und sein Aufruf zur Gewalt gegen Juden fanden in den Chören Bachs seinen Widerhall.

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