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Dirigent und Komponist Zum Tod von Michael Gielen

Nicht nur als Vorkämpfer der zeitgenössischen Musik, auch als Interpret der Klassisch-Romantischen Musik galt er als einer der großen Dirigenten der Gegenwart. Michael Gielen war ein Charakterkopf - einer, der es hasste, die Dinge glatt zu bügeln, der gern diskutierte und auch zum Widerspruch herausforderte. Ein Nachruf von Bernhard Neuhoff.

Der Dirigent Michael Gielen | Bildquelle: picture-alliance/dpa

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Die Würdigung anhören

Michael Gielen wurde geliebt – nicht von allen, das war nie sein Ziel. Aber wenn er irgendwo Chefdirigent war, in Stockholm oder Cincinnati, an der Frankfurter Oper oder beim SWR-Symphonieorchester in Baden Baden und Freiburg, dann hatte er früher oder später die große Mehrheit des Publikums eben doch auf seiner Seite. Den Kampf für seine Überzeugungen scheute Gielen nie.

Es war ein sehr langer Weg, ein harter Kampf.
Michael Gielen

Michael Gielen - ein politischer Mensch

1927 wurde er in Dresden geboren. Sein Vater war Theaterregisseur, später Direktor des Wiener Burgtheaters. Seine Mutter, eine Pianistin, war jüdischer Herkunft. 1939 musste die Familie nach Buenos Aires emigrieren. Hier korrepetierte der junge Gielen am Teatro Colón, wo er sich von dem großen Dirigenten Erich Kleiber faszinieren ließ. Bei einer Demonstration gegen die argentinische Militärdiktatur wurde er 1946 von Polizisten am Kopf verletzt – Gielen, der Kämpfer. Zeitlebens blieb er ein politischer Mensch. Doch zunächst war sein Berufswunsch: Komponist.

Mein ganzes Leben hat man behauptet, ich sei zu intellektuell. Ich weiß nicht, wie man zu intellektuell sein kann.
Michael Gielen

Das Komponieren gab Gielen trotz seiner Erfolge als Dirigent nie ganz auf. In Wien wurde er in den 50er-Jahren Kapellmeister an der Staatsoper. Deren Direktor Herbert von Karajan schätzte den jungen Intellektuellen, meinte aber spitz: Dem Gielen, dem spritzt nicht das Blut aus dem Dirigentenstock.

Große Erfolge und Preise

Der Komponist der Oper "Die Soldaten", Bernd Alois Zimmermann (l.), unterhält sich mit dem Dirigenten und musikalischen Leiter Michael Gielen während einer Probe im Kölner Opernhaus am 12. Februar 1965. Die Oper nach dem gleichnamigen Schauspiel von Jakob Michael Reinhold Lanz wird am 15.2.1965 im Kölner Opernhaus uraufgeführt. | Bildquelle: picture-alliance/dpa Der Komponist Bernd Alois Zimmermann (l.), unterhält sich mit Michael Gielen während einer Probe im Kölner Opernhaus am 12. Februar 1965. | Bildquelle: picture-alliance/dpa 1965 dirigierte er die Uraufführung der Oper "Die Soldaten" von Bernd Alois Zimmermann – eine Großtat, schließlich hatte es lange geheißen, das Stück sei unspielbar. Heute gelten die "Soldaten" als Schlüsselwerk der Nachkriegszeit. Dass Gielen 2010 den Preis der Ernst von Siemens Musik-Stiftung bekam,  den sogenannten Nobelpreis der klassischen Musik, war auch eine Würdigung seines großen Einsatzes für die Neue Musik. Aus einem anderen Grund legendär ist die Ära Gielen an der Frankfurter Oper, wo er ab 1977 für zehn Jahre Maßstäbe setzte. Gielen holte Regisseure wie Hans Neuenfels und Ruth Berghaus – und gewann ein neues Publikum: Kritisch, wach, diskussionsfreudig. Aber auch begeisterungsfähig.

Gesunde Portion Eitelkeit

Gielen hat der avancierten Regie den Weg aus dem Sprechtheater in die Oper geebnet – und stand doch später modischen Schwundstufen des Regietheaters sehr kritisch gegenüber. Ihm ging es nie um den Effekt, weder auf der Bühne noch am Dirigentenpult. Gielen vermied glatten Schönklang. Er interessierte sich für die Ecken und Kanten der Werke, für ihre zeitlos aktuellen Botschaften. Egal, ob Mozart bei den Salzburger Festspielen oder zeitgenössische Musik bei den Donaueschinger Musiktagen: Dass da einer stand, der für die Sache brannte, der seinen Kopf benutzte, aber auch sein Herz sprechen ließ, wurde in jedem Takt spürbar.

Wenn man gar nicht eitel ist, kann man auch nicht Dirigent werden.
Michael Gielen

Sendung: "Piazza" am 9. März 2019 ab 08:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Radio-Tipp:

Einen Nachruf auf Michael Gielen hören Sie am 9. März ab 8:05 Uhr im Musikmagazin "Piazza".
Zum Tod von Michael Gielen ändert BR-KLASSIK außerdem sein Programm und widmet dem Musiker am 11. März um 18:05 Uhr eine Sonderausgabe der Sendung "Klassik-Stars".

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