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Kritik - Uraufführung "Momo" in München Verloren in dieser Welt

Michael Endes "Momo" ist eine zeitlose Geschichte über den Wert der Zeit. Der Märchenroman wurde schon häufig vertont, verfilmt und auf die Theaterbühne gebracht. Am Münchner Gärtnerplatztheater kam am 16. Dezember Wilfried Hillers neue Musiktheaterversion zur Uraufführung, die Nicole Claudia Weber in Szene gesetzt hat.

Anna Woll (Momo) | Bildquelle: Christian POGO Zach

Bildquelle: Christian POGO Zach

Die Kritik anhören

Verschlungene Kantilenen, langgezogene Sehnsuchtstöne spielt die Flöte zu Beginn von Wilfried Hillers neuem Musiktheaterwerk nach Michael Endes "Momo". Zu den hauchdünnen Melodiefäden zeigt sich auf der Drehbühne des Münchner Gärtnerplatztheaters ein kleines Ruinenfeld, das nur schwer als altes Amphitheater zu erkennen ist. Eine bunte Touristengruppe folgt dem fröhlich trällernden Fremdenführer Gigi, den Maximilian Mayer mit strahlendem Tenor versieht. Ein paar schöne Arien hat Wilfried Hiller ihm komponiert, wohingegen Chor und Kinderchor des Gärtnerplatztheaters sich durch etwas arg verschobene, chromatische Linien kämpfen müssen und sehr schnell wieder von der Bühne verschwinden. So geben es die 18 Bilder von Wilfried Hiller und seinem Librettisten Wolfgang Adenberg vor, und Regisseurin Nicole Claudia Weber hält sich sehr genau daran. Momos Welt wird sehr klar abgezirkelt, und der Fantasie erschreckend wenig Raum gegeben. 

Die Inszenierung in Bildern

Momo singt nicht

Die Hauptfigur des Stückes singt nicht. Ihr Name wird in Hillers Tonsprache zu einem lang gezogenen Seufzer in der Kehle der anderen. Anna Woll sieht als Momo mit ihren vielen Unterröcken und dem Zauselhaar ein bisschen wie Ottfried Preusslers "Kleine Hexe" aus: Verloren in dieser Welt wirkt sie, und leider gibt ihr Wilfried Hiller kein markantes oder berührendes instrumentales Profil. Das zauberhafte, stille Wesen des Mädchens, das so gut zuhören kann, wird in dieser Musiktheater-Neuversion musikalisch nicht neu erfahrbar. Umso schärfer zeichnet der Komponist den Anführer der Zigarre qualmenden Zeitfresser: Mit messerscharfen, extremen Koloraturtönen, die eine Königin der Nacht blass erscheinen lassen, bezirzt die Sopranistin Ilia Staple als erster Grauer Herr die Menschen und stiehlt diesen sehr erfolgreich die Zeit.

Kaum dramatische Spannung

Der Hüter der Zeit, Meister Hora, hat ebenfalls keine eigene Stimme, sondern wird von dem sich auf faszinierende Weise verrenkenden Matteo Carvone getanzt. Die Sprache verleihen ihm Chor- und Solostimmen aus dem Off. Eigentlich eine schöne Szene, wäre sie nicht im Verhältnis zum restlichen Geschehen viel zu lang geraten. Das Spiel mit dem Zeitgefühl auf der Bühne ist tückisch. Ein sich verschiebendes Zeit-Raum-Gefüge mag sich irgendwie nicht herstellen lassen. Trotz der unter Michael Brandstätters souveräner Leitung gewaltig heraufbeschworenen Schlagwerk- und Blechbläsercluster, kommt nur wenig dramatische Spannung auf, und lustig wird es nur kurz im zweiten Teil, wenn Gigi eine Schlagersänger-Parodie zum Besten gibt. Trotz der sich durch Videoprojektion zum Uhrwerk umformierenden Bühnenelemente, der liebevoll gestalteten Schildkröte Kassiopeia und den grellen Leuchtkragen der Grauen Herren – auch dieser neuen Musiktheaterversion von Michael Endes "Momo" fehlt etwas, um an den Zauber und die zeitlos emotionale Kraft der Literaturvorlage heranzureichen.

Informationen zu den Aufführungen gibt es unter gaertnerplatztheater.de.

Sendung: "Allegro" am 17. Dezember 2018 ab 6:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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