BR-KLASSIK

Inhalt

Musikunterricht im Westjordanland Geigen statt Granaten

Die 14-jährige Schahad lebt in einem palästinensischen Flüchtlingslager im Westjordanland. Wenn sie mit den Hausaufgaben fertig ist, macht sie sich durch die engen Gassen auf den Weg zum Geigenunterricht. Möglich macht den die Edward-Said-Musikschule in Bethlehem.

Geigenschülerin Schahad Junis im Flüchtlingslager Dheische bei Bethlehem am Weg zur Musikschule | Bildquelle: Bayerischer Rundfunk

Bildquelle: Bayerischer Rundfunk

Engstehende Hochhäuser, Graffiti an den Wänden, auf der Straße spielen Kinder Fußball. Ein Flüchtlingslager im Westjordanland, in der Nähe von Bethlehem - hier lebt die 14-jährige Schahad Junis zusammen mit 10.000 anderen Menschen. Viele sind arm und perspektivlos, haben im Nahost-Konflikt Gewalt erlebt, die Arbeitslosigkeit ist hoch.

Die Tochter soll es einmal besser haben

Geigenschülerin Schahad Junis im Flüchtlingslager Dheische bei Bethlehem am Weg zur Musikschule | Bildquelle: Bayerischer Rundfunk Geigenschülerin Schahad Junis im Flüchtlingslager Dheische bei Bethlehem auf dem Weg zur Musikschule | Bildquelle: Bayerischer Rundfunk Schahads Familie wohnt in einem einfachen Haus, sie hat sechs Geschwister. Ihre Eltern unterstützen ihr musikalisches Hobby. Aber sie glauben nicht daran, dass man von der Kunst je leben kann. Schahads Vater jobbt als Gastarbeiter in Israel. Er wünscht sich, dass es seine Tochter später einmal besser hat. Am liebsten wäre es ihm, sie würde Medizin studieren. Auch deshalb erinnert er erstmal daran, dass die Hausaufgaben für die Schule erledigt werden müssen.
Zum Üben steigt Schahad durch eine Luke auf das Dach des Hauses. Unter freiem Himmel, neben einem Taubenschlag findet sie die Ruhe, um ihrer größten Leidenschaft nachzugehen: der Klassischen Musik.

Auf dem Dach ist der einzige Ort, wo ich wirklich zum Üben kommen kann. Hier oben habe ich das Gefühl, als wäre ich weit draußen in der Natur.
Schahad Junis

Geigen statt Granaten | Bildquelle: Bayerischer Rundfunk

Bildquelle: Bayerischer Rundfunk

Geigen statt Granaten - wie ein Mädchen im Westjordanland Geige lernt

Dreimal in der Woche nimmt die junge Palästinenserin am Geigenunterricht der Edward-Said-Musikschule in Bethlehem teil. Dafür muss sie fast nichts bezahlen. Auch die anderen fast 2.000 Schüler dieser Einrichtung mit mehreren Filialen im Westjordanland werden finanziell unterstützt. Das Projekt wird durch Spenden finanziert, um palästinensischen Kindern und Jugendlichen den Zugang zu musikalischer Bildung zu ermöglichen. Die Geige ist Schahads Ein und Alles, sie möchte später einmal eine weltberühmte Musikerin werden.

Struktur in einem chaotischen Umfeld

Schahads Lehrer Mohamed Omar hat Musik in Paris studiert, bevor er zurück nach Betlehem kam. Er sieht in der Musikschule auch eine Schule fürs Leben. Er ist fest überzeugt, dass die Musik den jungen Menschen in ihren schwierigen Lebensverhältnissen die Struktur gibt, die ihnen im Alltag oft fehlt: "Ein Musikinstrument zu erlernen erfordert viel Disziplin, Konzentration und Organisation. Aber das familiäre Umfeld dieser Kinder ist gewissermaßen chaotisch."

Aus der Eduard Said-Musikschule sind im Laufe der Jahre zwei Orchester hervorgegangen: Als "Palästinas Nationalorchester" geben sie weltweit Konzerte. Sie sind Schahads Vorbilder, hier möchte sie auch einmal mitspielen. Dieser Kindheitstraum gibt ihr die Kraft, um mit der harten Realität, in der sie aufwächst, zurecht zu kommen.

Sendung: "Leporello" am 16. November 2018 ab 16:15 Uhr auf BR-KLASSIK

    AV-Player