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Ein Fels in der Jazz-Brandung Zum Tod des Jazz-Pianisten Paul Bley

Er war ein großer Meister der Klarheit – und konnte in langen improvisierten Strecken Spannung schaffen wie nur die wenigsten anderen Jazz-Pianisten. Wie seine Tochter diesen Dienstag mitteilte, ist der kanadische Musiker Paul Bley am 3. Januar zu Hause im Kreise der Familie gestorben. Er war 83 Jahre alt.

Paul Bley | Bildquelle: imago / Leemage

Bildquelle: imago / Leemage

Seit den 1960er-Jahren gehörte Bley zu den weltweit geschätzten, ganz großen Improvisatoren des Jazz. Seine herausragenden Qualitäten gerade in der Dimension des Solo-Klavierspiels im Jazz zeigte er souverän und höchst gelassen zuletzt auf der 2014 erschienenen Solo-CD "Play Blue": Die darauf enthaltenen,  sechs Jahre zuvor mitgeschnittenen Live-Stücke waren das, was Fans des zeitgenössischen Jazzklaviers von Bley seit Jahrzehnten erwarteten: musikalische Gebilde von hohem Reiz.

Seine Musik klang zärtlich und monumental zugleich. Sie war kantig – und dabei lyrisch. In Momenten fast verspielt – und immer kompromisslos. Sie war die Musik eines Monolithen. Eines Musikers, der sich in der weiten Landschaft des Jazz wie ein unverkennbarer Fels ausnahm. Bley spielte im Laufe seiner rund sechs Jahrzehnte währenden Karriere mit Lester Young, Ben Webster, Sonny Rollins, Charles Mingus, Chet Baker, Jimmy Giuffre, Charlie Haden, Paul Motian, Lee Konitz, Pat Metheny, Jaco Pastorious und vielen anderen mehr: lauter Leuchttürme des Jazz seit der Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts. Bley selbst könnte man – mindestens für Mitmusiker und Bewunderer eines hochkomplexen Jazz, der nie auftrumpfte – ebenfalls in diese Kategorie einordnen: ein Musiker mit konstanter, aber stiller Leuchtkraft.

Dieser am 10. November 1932 in Montreal geborene Pianist war ein Unverwechselbarer. Einst der poetischste Vertreter des Free Jazz, wurde dieser Musiker mit den hervorstechenden dunklen Augenbrauen und den markanten Gesichtszügen zu einem, bei dem stilistische Diskussionen müßig waren: ein ruhiger Souveräner, der ganz eigene musikalische Skulpturen formen kann. Nicht von ungefähr war er es, der 1972 bei dem Label ECM mit dem Solo-LP "Open, to love" aufhorchen machte als einer mit neuem ästhetischen Anspruch – und langem gestalterischem Atem. Das war noch bevor Bleys Kollege Keith Jarrett als zeitgenössischer Klavier-Rhapsode Furore machte und zur berühmtesten Figur dieser Art des Jazz wurde. Hätte Popularität etwas mit Gerechtigkeit zu tun, wäre Paul Bley nicht viel weniger berühmt geworden als Jarrett.

Sperriger Fels niemals klischeehafter Töne

Doch auch im Duo mit Bassist Gary Peacock und im Trio mit Peacock und Schlagzeuger Paul Motian hat Paul Bley Maßstäbe gesetzt. Mit fünf lernte Paul Bley ursprünglich Geige, mit elf machte er bereits einen Konservatoriumsabschluss. 1949 übernahm Bley die Rhythmusgruppe des kanadischen Klavier-Giganten Oscar Peterson. Wenig später ging er nach New York, machte 1949 eine Platte mit dem Saxophon-Revolutionär Charlie Parker, anschließend folgte die Zusammenarbeit mit anderen Größen der damaligen Zeit, wie Art Blakey, Charles Mingus, Chet Baker. Große Resonanz hatte er auch als kammermusikalisches Pendant des Leaders im Trio des Klarinettisten Jimmy Giuffre. Und: Er galt eine Zeitlang auch als eine zentrale Figur der "Oktoberrevolution des Jazz" in New York von 1964 an. Doch dieser Free-Jazzer und Revolutionär war einer der besonders lyrischen seiner Art. Bleys Nachnamen kennt man auch noch von einer anderen, weltbekannten Gestalt des zeitgenössischen Jazz: Paul Bley  war in den späten fünfziger Jahren mit der als Pianistin und Komponistin berühmt gewordenen Carly Bley (einst Carla Borg) verheiratet, die seinen Familiennamen behielt.

Wer Paul Bley je in einem Konzert erlebt hat, wurde Zeuge von Abenden, die eine soghafte Schönheit entfalteten. Etwa in den 80er-Jahren konnte man ihn bei der Internationalen Jazzwoche in Burghausen erleben, in der Aula eines Gymnasiums. Und dort nahm er die Hörer mit seiner unnachahmlichen Ruhe wie selbstverständlich gefangen. Hypnotisch waren die Stücke bei diesem Auftritt zuweilen, fast schon Trance-Musik, eines aber keineswegs: soft und modisch.

Paul Bley auf BR-KLASSIK

Einen Nachruf auf Paul Bley gibt's am Donnerstag, 7. Januar, im Musikmagazin Leporello ab 16.05 Uhr. Auch die Jazztime widmet ihre Sendung am 7. Januar dem kanadischen Jazz-Musiker.

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