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New Yorker Philharmoniker spielen wieder Mit Pick-Up und Sirenen

Die Corona-Pandemie hat die sonst so pulsierende Stadt New York schwer getroffen. Fast 24.000 Menschen sind dort bisher an Covid-19 gestorben. Den vielen Künstlern und Kulturschaffenden in New York setzt die Krise besonders zu. Musiker der New York Philharmonic haben nun ein Zeichen der Hoffnung gesetzt und sind mit einem roten Pick-Up durch die Stadt gefahren, um Freiluftkonzerte für die Bevölkerung zu geben.

Die Skyline von New York. | Bildquelle: picture alliance/ZUMA Press

Bildquelle: picture alliance/ZUMA Press

Der Herald Square in Manhatten, normalerweise voll mit Touristen aus aller Welt und Büroarbeitern in der Kaffeepause, ist halb leer. Plötzlich fährt ein großer roter Pick-up auf den ansonsten für Autos gesperrten Platz. "NY Philharmonic Bandwagon" steht darauf. Heraus klettern eine Handvoll Männer und Frauen. Mit ein paar Handgriffen bauen sie drei Stühle, ein paar Lautsprecher und Mikrofone auf, holen Instrumente heraus. Erstaunte und gespannte Passanten bilden rundherum eine kleine Menschentraube.

Hubschrauber und Sirenengeheul als Kulisse

Dann beginnt dieses ungewöhnliche Konzert der New Yorker Philharmoniker. Im Hintergrund heulen Sirenen, brummen Hubschrauber, rufen Kinder. "Für die Musiker ist das eine ganz neue Erfahrung", erklärt Anthony Roth Costanzo vom Pick-up herunter dem Publikum. Der Kontratenor hatte die Idee zu diesen Kammermusik-Konzerten.

Sonst sind wir das Orchester der Stadt, aber jetzt ist die Stadt unser Orchester.
Anthony Roth Constanzo, New York Philharmonic

Trost für eine versehrte Stadt

Die Gruppe, jede Woche besetzt mit anderen Musikern des Orchesters, fährt mit dem roten Pick-up Truck von Stadtteil zu Stadtteil, um die Musik zu den Menschen zu bringen. Neun Auftritte sind insgesamt geplant. Die Freiluftkonzerte sollen ein kleiner Trost für eine Stadt sein, die in den Monaten, in denen die Pandemie hier wütete, so viel verloren hat. Knapp 24.000 Menschen sind hier bereits an Covid-19 gestorben. 

"Meine Idee war, dass dieser Truck uns alle zusammenbringt und ein Gefühl der Solidarität in der Stadt schafft", sagt Initiator Anthony Roth Constanzo. "Mir ist klar geworden, dass Musik wirklich helfen kann, Wunden zu heilen." Die Passanten dürfen die Konzerte fotografieren und filmen und unter dem Hashtag #nyphilbandwagon in den Sozialen Netzwerken teilen.

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NYC ❤️s NY Phil Bandwagon | Bildquelle: New York Philharmonic (via YouTube)

NYC ❤️s NY Phil Bandwagon

Endlich wieder Live-Konzerte!

Auch für die Musiker ist es wie eine Befreiung, endlich wieder vor Publikum spielen zu können. Pascual Martinez ist seit 20 Jahren Klarinettist bei den New Yorker Philharmonikern. Mit ihnen hat er die ganze Welt bereist, ist regelmäßig vor Tausenden Menschen aufgetreten. Seit sechs Monaten sitzt er zuhause und spielt für sich alleine.

Das war die schwerste Zeit meines Lebens. Ich wusste überhaupt nicht, was ich tun soll.
Pascual Martinez, New York Philharmonic

Die New Yorker Philharmoniker werden frühestens am 5. Januar wieder regulär Konzerte geben. "Wir bedauern sehr, dass wir unsere Herbstkonzerte absagen mussten, aber wir hatten keine Wahl", schreibt Geschäftsführerin Deborah Borda auf der Website des Orchesters. "Wir sorgen uns um die Gesundheit und die Sicherheit des Publikums, der Musiker und Angestellten".

Finanzloch und Spendenaufrufe

Die Konzertabsagen bedeuten für die New Yorker Philharmoniker hohe finanzielle Einbußen. Das Publikum wird aufgerufen, auf eine Erstattung bereits bezahlter Tickets zu verzichten oder Geld zu spenden. Doch Deborah Borda bleibt zuversichtlich: "In den 178 Jahren haben die New Yorker Philharmoniker den US-amerikanischen Bürgerkrieg und zwei Weltkriege überstanden. Wir haben die sogenannte Spanische Grippe von 1918 überlebt. Dieses Orchester wird noch da sein, wenn das Schlimmste vorbei ist, wenn Menschen wieder zusammenkommen können, um das einmalige Erlebnis eines Live-Konzerts miteinander zu teilen."

Sendung: "Allegro" am 22. September 2020 ab 6.05 Uhr auf BR-KLASSIK

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