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Neue Erkenntnisse zu Rimskij-Korsakow-Partitur Pollen statt Hummeln

Was Forscher nie vermutet hätten: Seinen berühmten "Hummelflug" wollte Nikolai Rimskij-Korsakow ursprünglich den Allergie-Geplagten widmen. Das haben Wissenschaftler in Prag jetzt anhand eines Archiv-Fundes herausgefunden.

Nikolai Rimskij-Korsakow. Zeichnung, 1888, von Ilja Repin | Bildquelle: picture alliance/akg-images

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Nikolai Rimski-Korsakow komponierte 1899/1900 den "Hummelflug" als Einlage für eine Oper. Es wurde sein berühmtestes Stück. Nun ist eine unbekannte frühere Version dieses Werkes aus dem Jahr 1897 in den Prager Archiven aufgetaucht. Und diesem Notenentwurf nach sollte der "Hummelflug" ursprünglich "Pollenflug" heißen.

Rimskij-Korsakow widmete den "Pollenflug" Richard Heuberger, einem engen Freund und Vertrauten. Recherchen haben ergeben, dass Heuberger (1850-1914) an Husten, Atemnot und Schlafstörungen litt. Das Musikstück soll Heuberger bei seinem Komponisten-Freund in Auftrag gegeben haben: Er versprach sich dadurch die Linderung seiner Krankheitssymptome - ähnlich der Wirkung von Bachs "Goldberg-Variationen" beim Grafen Hermann Carl von Keyserlingk.

Rimskij-Korsakow - Vorreiter der modernen Musiktherapie?

Zeichnung von Pollen unter dem Mikroskop | Bildquelle: Constantine Pankin Pollen sind seit der Belle Époque als Verursacher von Allergien bekannt. Hier zu sehen in einer medizinischen Zeichnung unter dem Mikroskop. | Bildquelle: Constantine Pankin Musikwissenschaftlich betrachtet sei der Fund äußerst interessant, sagt der Generaldirektor des Tschechischen Nationalmuseums Michal Bříza. Der Fund lege die These nahe, Korsakows "Pollenflug" sei der Vorläufer seines "Hummelflugs", den Rimskij-Korsakow später in seine Oper "Das Märchen vom Zaren Saltan" eingebaut hatte. Die Motive der beiden Werke seien nahezu identisch. Zudem lasse die Komposition die Vermutung zu, Nikolai Rimskij-Korsakow hätte bewusst einen Zusammenhang zwischen Musik und ihrer heilenden Wirkung herstellen wollen - ähnlich der heutigen Musiktherapie.

Ob der Allergie-Begriff dem russischen Komponisten schon bekannt war, ist fraglich, aber nicht unwahrscheinlich. 1906, wenige Jahre nach der Komposition des "Pollenflugs", prägte der Wiener Kinderarzt Freiherr Clemens von Pirquet den Begriff. Pirquet definierte Allergie weit gefasst als "veränderte Fähigkeit des Körpers, auf eine fremde Substanz zu reagieren" und erkannte als erster, dass Antikörper nicht nur schützende Immunantworten vermitteln, sondern auch Überempfindlichkeitsreaktionen auslösen können.

Wenn Pollenflüge die Wahrnehmung vernebeln

Hummelzeichnung | Bildquelle: picture alliance / arkivi Hummel im Flug | Bildquelle: picture alliance / arkivi Juckende Nase, rote und tränende Augen und Husten: Auf den ersten Blick sind das typische Anzeichen einer Erkältung. Die Diagnose lautet aber meistens: Pollenallergie. Warum nicht jeder auf Pollen allergisch reagiert, darauf haben Wissenschaftler heute eine ganze Reihe von Antworten. Aber einen "Hauptschuldigen" gibt es nicht.

Generaldirektor Michal Bříza vom Tschechischen Nationalmuseum wird die Original-Partitur des "Pollenflugs" am 1. April 2017 erstmals der Weltöffentlichkeit präsentieren.

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