BR-KLASSIK

Inhalt

Janina Fialkowska in Kempten Pianistin mit Chopin im Blut

Die Musik von Chopin begegnete ihr schon im Kindesalter und ließ sie nie wieder los. Eigentlich wollte Janina Fialkowska Juristin werden, dann entdeckte Arthur Rubinstein ihr Talent, das sie vor allem Chopin widmete. Nostalgie und Rhythmus seien wichtig in dieser Musik. Am 9. Mai spielt die inzwischen 72Jährige Pianistin ein Konzert in Kempten.

Janina Fialkowska | Bildquelle: © Michael Schilhansl

Bildquelle: © Michael Schilhansl

BR-Klassik: Janina Fialkowska, am Sonntag konnten Sie ihren 72. Geburtstag feiern. Erst einmal herzlichen Glückwunsch, nachträglich!

Janina Fialkowska: Danke schön! Ich habe versucht, das zu vergessen, aber Dankeschön (lacht).

BR-Klassik: Sie seien eine geborene Chopin-Interpretin, das hat der große Arthur Rubinstein über Sie einmal gesagt. Schon 1982 ist dieser wunderbare amerikanische Pianist gestorben. Wann und wie sind Sie denn auf ihn gestoßen?

Janina Fialkowska: 1974 wurde ich zum ersten Rubinstein-Wettbewerb nach Israel geschickt. Eigentlich studierte ich da schon Jura in Montreal. Aber der kanadische Rundfunk hat gesagt: bitte, wollen Sie nach Israel gehen und Kanada in diesem Wettbewerb repräsentieren. Und ich habe gedacht, das ist meine Gelegenheit, Rubinstein kennenzulernen war, denn er war mein Held. Ich hatte nicht erwartet, seine Hand zu schütteln, aber ich kam ins Finale und er hat mich nach dem Wettbewerb gefragt: Wo spielst Du? Und ich habe gesagt: Ich habe in meinem ganzen Leben noch kein Konzert gespielt, nur vor Studenten. Und dann hat er gesagt: Okay, ich helfe Dir. Und das war's.

Jurorin beim Arthur-Rubinstein-Wettbewerb

BR-Klassik: Und Sie waren ja auch gerade wieder in Tel Aviv beim Arthur-Rubinstein-Wettbewerb, nämlich als Jurorin, einer der ausgesprochen renommierten Klavierwettbewerbe weltweit. Was hatten Sie denn für einen Eindruck nach den Corona-Jahren - wie war das Niveau?

Janina Fialkowska: Das Niveau war sehr, sehr, sehr hoch muss ich sagen. Alle diese jungen Leute haben gewartet und gewartet während dieser zwei Jahre Corona und waren sehr, sehr gut vorbereitet. Es ist natürlich anders als vor 50 Jahren. Wir spielen jetzt anders. Es ist die Technik und die Geschwindigkeit und die Präzision, das ist unglaublich im Moment. Aber manchmal vermisse ich ein bisschen Persönlichkeit. Die Jungen haben fast keine Zeit, sich zu entwickeln. Im Alter von 18, 19 Jahren machen sie eine CD oder ein Livestreaming, sie müssen so jung und so früh perfekt sein! Und das ist anders, bei uns war das nicht so.

Das Geheimnis von Chopin - Nostalgie und Rhythmus

BR-Klassik: Ich fürchte, das ist der Fluch unserer Zeit, das war natürlich zu Chopins Zeiten anders - das ist ja der Mann, dem Sie quasi ihr ganzes Leben immer wieder gewidmet haben. Sie haben gerade auch eine neue CD mit Chopin aufgenommen, und Sie werden bei ihrem Konzert in Kempten auch die Militärpolonaise und sein Scherzo Nr.4 spielen. Worin liegt denn das Geheimnis Chopinscher Klaviermusik, was meinen Sie?

Janina Fialkowska: Bei Chopin sind zwei Sachen sehr wichtig: einmal hatte er immer das Gefühl, im Exil zu sein, diese Nostalgie für Polen. Man findet das überall in seiner Musik, es gibt Polonaisen oder Mazurken. Und das zweite ist der Rhythmus. Man kann das natürlich lernen, aber es ist einfacher, wenn man das im Blut hat. Und fürs Chopinspielen brauchen wir viel lyrische, schöne Klänge und Melodien. Und auch das ist eine Erkenntnis: der Flügel, den Chopin gespielt hat, war ein Pleyel aus dem Jahr 1848. Was moderne Flügel nicht mehr haben, sind die vielen, vielen Farben im Mezzopiano und Piano und Mezzoforte. Ich finde das sehr interessant und versuche das immer an unseren modernen Flügeln zu finden. Chopin hat niemals sehr, sehr laut gespielt. Er war zu schwach. Er war einer der besten Pianisten seiner Zeit, aber er war ein sehr kranker Mann und konnte nicht laut spielen. Er hat in seinem ganzen Leben nur 30 Konzerte gespielt.

Chopin von Anfang an

BR-KLassik: Janina Fialkowska, Sie stammen zwar aus Kanada, aber Sie haben polnische Vorfahren. Meinen Sie, das hat Ihnen geholfen, auch Chopins derart überzeugend großartig zu spielen, wie Sie es tun?

Janina Fialkowska: Das frage ich mich auch - vielleicht! Vielleicht, weil es bei uns zu Hause immer viel Chopin gab. Wir haben uns oft große, polnische Tanztruppen angeschaut, die häufig nach Montreal gekommen sind. Nach dem zweiten Weltkrieg sind viele ältere, bekannte Flüchtlinge nach Montreal gekommen, aus der Aristokratie, viele Prinzessinnen, Prinzen - viele Generäle und Intellektuelle waren Flüchtlinge in Montreal. Und ich habe diese Leute gekannt. Und ich habe diese Atmosphäre vom alten Polen als junges Mädchen gespürt. Und ich denke, das alles zusammen hat mein Chopin-Verständnis geprägt.

BR-KLassik: Janina Fialkowska spielt am 9. Mai um 20 Uhr im Theater in Kempten ein Recital, außerdem Werke von Schubert, Brahms und Ravel. Vielen Dank, Frau Fialkowska für das Gespräch. Und ein schönes Konzert!

Janina Fialkowska: Danke.

Sendung: "Leporello" am 9. Mai 2023 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (1)

Kommentieren ist nicht mehr möglich.

Dienstag, 09.Mai, 12:33 Uhr

Sabrina Bergmann

Bravo

Danke, daß Sie auf dieses Konzert aufmerksam machen. Frau Fialkowska spielt hier so selten. Dabei ist eine brilliante und meiner Meinung nach völlig unterschätze Pianistin. Einfühlsame Interpretationen wie ihre muss man lange suchen. Ich freue mich schon sehr auf das Konzert!

    AV-Player