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Kritik - "Die lustige Witwe" in Augsburg Blutleeres Schauspiel

Franz Lehárs "Lustige Witwe" ist eine der erfolgreichsten und am meisten aufgeführten Operetten. Kein Wunder, hat sie doch so gute Mitsumm-Melodien wie "Da geh’ ich zu Maxim" und "Lippen schweigen, s’flüstern Geigen". Am Staatstheater Augsburg hat nun die Regisseurin Andrea Schwalbach das Stück neu inszeniert – und kann nicht überzeugen.

Die lustige Witwe in Augsburg | Bildquelle: Jan-Pieter Fuhr

Bildquelle: Jan-Pieter Fuhr

Zumindest vor der Tür ist man auf der Höhe der Zeit: Junge Schauspieler und Schauspielerinnen zeigen gerade eine Live-Performance zum Klimawandel im Augsburger Martinipark. Die Ausweichspielstätte des Augsburger Staatstheaters strahlt mit Betonwänden und LED-Beleuchtung Industrial Chic aus – ein modernes Theater, könnte man meinen. Das stimmt aber anscheinend nur halb, denn im Saal läuft mit Andrea Schwalbachs "Lustiger Witwe" nun eine vollkommen gestrige Inszenierung.

Veraltetes Frauenbild

Natürlich ist Franz Lehárs Original auch nicht unbedingt aktuell: Es spielt in Frankreich, die reiche Witwe Glawari wird von allen Männern angehimmelt, sie will aber nur den Schwerenöter Danilo. Mal will der nicht, dann will sie wieder nicht, es wird darüber sinniert, dass das Studium der "Weiber" schwer sei und klar ist sowieso, dass Frauen einen starken Mann an ihrer Seite brauchen. Soweit, so 1905.

Dorf- statt Staatstheater

Die lustige Witwe in Augsburg | Bildquelle: Jan-Pieter Fuhr Bildquelle: Jan-Pieter Fuhr Fürs Heute machen Schwalbach und ihr rein weibliches Regieteam daraus: nichts. Sie versuchen gar nicht erst, das fragwürdige Hure-oder-Dummchen-Frauenbild zu brechen, zu kommentieren oder zu ironisieren. Sexismus und Rassismus bleiben einfach so stehen. Und auch von der eigentlich bissigen Polit-Satire der Vorlage merkt man nichts. Stattdessen entscheidet sich Schwalbach für Dorftheater-Humor, bei dem es schon lustig sein soll, wenn Männer in Frauenkleidern tanzen. Zudem ist kein konsequentes Regiekonzept erkennbar: Während die eine Liebesszene trashig-überdreht mit Glitzerstaub, Feenflügeln und kitschiger Kaninchen-Handpuppe inszeniert wird, stehen Glawari und Danilo am romantischen Höhepunkt der Operette einfach nur steif in der Gegend herum. Es fehlen die schlüssigen Ideen.

Maxim als Lametta-Puff

Die lustige Witwe in Augsburg | Bildquelle: Jan-Pieter Fuhr Bildquelle: Jan-Pieter Fuhr Der altbackene und inkonsequente Anstrich setzt sich auch bei der Bühne von Nanette Zimmermann und den Kostümen von Nora Johanna Gromer fort: Der Großteil der Handlung spielt zwischen gelblichen Lilientapeten, das edle "Maxim" sieht eher nach Lametta-Puff aus. Entweder tragen die Männer Frack und die Frauen Blümchenkleider, oder alle werden aus dem "Best of Frankreich"-Kostümfundus mit Trikoloren und Baskenmützen angekleidet. Und auch die von Amy Share-Kissiov choreographierten Tanzeinlagen wirken meist ungelenk und so, als seien die meisten Tanzenden nie auf einer echten Party gewesen.

Probleme mit der Balance     

Dabei hätte die Musik mit ihren Walzern, Märschen und Can-Cans ja eigentlich alles, was es zum Mitwippen braucht. Doch hilft auch das Orchester unter Generalmusikdirektor Domonkos Héja nicht: Aus dem offenen Graben des Martiniparks tönt es meist deutlich zu laut, vom feinen Wiener Walzer merkt man nichts mehr. Dabei zeigt sich bei der Bühnenmusik und dem schmal besetzten "Lippen schweigen", dass das Orchester eigentlich die Qualität für einen zarten Romantik-Schmelz hätte.

Hauptrollen überzeugen am meisten

So kommen aber gerade die weniger stimmstarken Sänger nicht gegen das Orchester an, in den gesprochenen Dialogen versteht man sie noch weniger. Das liegt einerseits an der mäßigen Akustik der Halle und andererseits an dem blutleeren Schauspiel, bei dem keiner seine Rolle wirklich verkörpert. Jihyun Cecilia Lee als Witwe mit kräftigem Sopran und Alejandro Marco-Buhrmester als Edel-Bariton Danilo können noch am meisten überzeugen – diese Inszenierung können sie aber auch nicht retten.

Weitere Informationen

Bis Anfang Mai steht "Die lustige Witwe" in Augsburg mehrmals auf dem Spielplan. Alle Termine und Infos zum Vorverkauf sind auf der Webseite des Staatstheaters Augsburg zu finden.

Sendung: "Allegro" am 09. Dezember 2019 ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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