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Premierenkritik Oper Frankfurt: "Der fliegende Holländer"

Sturmwarnung in der Oper Frankfurt: Mit "Martinshorn"-Quarten und chromatisch brausendem Auf und Ab eröffnet Richard Wagner das Drama um den "Fliegenden Holländer" – und schon in der Ouvertüre sorgt das wunderbar präzise Frankfurter Opernorchester unter Dirigent Bertrand de Billy für klare Sicht. Zuverlässige Weggefährten – auch für den Holländer, der in Frankfurt durch Patrick Bannwarts imposantes Bühnenbild angekündigt wird: Eine riesige, drehende Schiffsschraube durchbricht die Nebelschwaden über der nachtschwarzen Bühne.

"Der fliegende Holländer" Oper Frankfurt | Bildquelle: Barbara Aumüller

Bildquelle: Barbara Aumüller

Der Bayreuth-erprobte Wolfgang Koch singt den verfluchten Holländer im langen schwarzen Seemannsmantel – und wird begleitet von einer bleichgesichtigen Rocker-Truppe, die auf Motorrädern an Land rollt: Mehr "Hells Angels" als "Easy Rider". Ein bisschen Parodie hat Regisseur David Bösch da im Sinn – in Anlehnung an die literarische Vorlage, auf der Wagners Oper fußt: Heinrich Heine lässt die Holländer-Fabel 1834 in seinen "Memoiren des Herren von Schnabelewopski" erzählen, mit ironischem Augenzwinkern. Wagner macht aus Spaß allerdings Ernst – was David Bösch in Frankfurt dann letztlich auch tut: Die weiß beschleierten Totenköpfe, die seine motorisierten Höllen-Engel auf Kreuze in Bierkästen gesteckt haben, lassen nichts Gutes ahnen – zumal die Bierkästen auch noch die Aufschrift "Lost" tragen.

Bilder von der Premiere

Strandbar-Ruinen und Strommasten

Verloren sind hier letztlich alle - auch die Männer des Seefahrers Daland, die die Kästen zuvor zurückgelassen haben: Gier, Alkohol, Gewalt und sexuelle Übergriffe bestimmen ihren Alltag. Ausbaden dürfen das die Frauen, die in Frankfurt zwischen desolaten Strandbar-Ruinen und Strommasten hausen. Kein Wunder, dass sich Dalands Tochter Senta aus dieser Misere nur allzu gern hinausträumt – in ein Leben mit einer Sagen-Figur, natürlich der des "Fliegenden Holländers".

Jäger auf dem Moped

Erika Sunnegårdh berührt als Senta – bei ihr eine verschubste Blonde im Blümchen-Kleid, die Bilder des Holländers unter den Arm geklemmt. Als das Idol dann leibhaftig vor ihr steht, knickt sie erst verschüchtert ein, um sich schließlich doch von ihm den Schleier aufstecken zu lassen, der hier allerdings ein schwarzer Schleier ist. Zu Tode betrübt ist dann auch Sentas eigentlicher Verlobter: Jäger Erik, der mit Jagdmesser und Gewehr auf einem Moped hereinrollen muss – was an dieser Stelle dann doch reichlich albern ist.

Plausible Bilder

Schönsänger Daniel Behle überzeugt als Erik: Ein Sensibelchen und Möchtegern-Macho in Jeansweste und mit Fetthaaren, der seine Senta erst mit Kniefall und Ring zu gewinnen versucht – bevor er doch noch grob wird. Das Gerangel missversteht wiederum der Holländer - Sentas Treueschwüre nützen da nichts. Mit einem Feuerzeug will sie sich am Ende selbst anzünden – statt dessen geht die Schiffsschraube des Holländers in Flammen auf. David Bösch beruft sich auf Wagners Uraufführungsfassung von 1843, in der es keine finale Erlösung gibt. Packend, mit überwiegend plausiblen Bildern erzählt Bösch in Frankfurt diese Dystopie, in der letztlich alle verflucht sind: Die tot Lebenden ebenso wie die lebenden Toten.

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