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Kantate gegen Schwulenhetze Schwedisches Orchester vertont Hassmail

Ein Konzert des Helsingborger Symphonieorchesters mit Werken von LGBT-Komponisten regte einen Zuschauer so auf, dass er eine Beschwerdemail an das Orchester schickte, selbstverständlich anonym. Der Tenor Rickard Söderberg parierte, indem er die Hass-Kommentare aus der Mail als Textvorlage für eine Neu-Komposition verwendete.

Tenor Rickard Soderberg | Bildquelle: © Erik Lunack

Bildquelle: © Erik Lunack

"Warum müssen Sie uns arme Leute dieses Schwulentum aufzwingen?" schreibt der anonyme Schwulen-Hasser unter anderem in seiner Mail an das Helsingborger Symphonieorchester. Der schwedische Tenor und Schwulen-Aktivist Rickard Söderberg zeigte sich entsetzt über das Ausmaß der Intoleranz. Solche Worte seien zum "schreien, weinen und verrückt werden", sagte Söderberg dem kanadischen Radio-Sender CBC-Radio. Doch dann wollte er den Inhalt der Mail in "etwas Schönes" verwandeln. Aus Beschimpfungen wurde nun eine Kantate.

Der "Schwulen-Zug" nimmt Fahrt auf

Gay-Paraden findet der Autor der Mail "zum Kotzen". Außerdem wirft er dem Orchester vor, "auf den Schwulen-Zug" aufzuspringen. "Schwulen-Zug" ist nun auch der Titel der neuen Kantate von Rickard Söderberg. "Ich glaube, wir können uns nicht weiterhin gegenseitig anfeinden", sagt der Aktivist, der als "gaytenor" auch auf Instagram aktiv ist. "Wir müssen etwas anderes tun. Wir müssen dieses Programm ändern". In den Sätzen der Hassmail entdeckte der Musiker poetisches Potential. Er kontaktierte den Komponisten Frederik Österling, der sofort mit an Bord war.

Auszug aus der anonymen Mail

"…Warum müssen Sie uns arme Leute dieses Schwulentum aufzwingen? In unserer Bevölkerung sind es doch nur ein paar Prozent, die es vorziehen, sich in der Homosexualität zu wälzen. Und die stellen sich die ganze Zeit zur Schau, überall in unserer kleinen Stadt. Man ist ihrer langsam überdrüssig. Viele Jahre lang hatten wir ein Abonnement am Konzerthaus. Aber wenn HSO (Helsingborgs Symphonieorchester) auf diesen Zug aufspringt, den Schwulen-Zug, steigen wir aus und bleiben euren Konzerten fern."

Hass als Poesie

Laut Österling tun die Musiker mit dieser Komposition nun genau das, was von einer Kunst-Institution erwartet wird: Sie reflektieren das Zeitgeschehen durch die eigene Kunst. "Ich möchte in diesen Zug einsteigen, er klingt fantastisch", freut sich Söderberg. Die Kantate wurde bereits uraufgeführt. Der anonyme Mail-Troll war über Zeitungsannoncen eingeladen worden, blieb dem Konzert aber fern. Söderberg kommentierte: "Ich glaube nicht, dass der Autor dieser Mail ein böser Mensch ist. Er ist einfach jemand, der etwas mehr Liebe in seinem Leben braucht".

Sendung: "Piazza" am 2. Juni 2018 ab 08:05 in BR-KLASSIK

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