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Machtkampf bei den Salzburger Festspielen Wackelt Kristina Hammers Posten?

Drama hinter den Kulissen: Wurde Kristina Hammer, Präsidentin der Salzburger Festspiele, entmachtet? Was an den Gerüchten dran ist und was die Personalkämpfe für das Festival bedeuten.

Festspiel-Präsidentin Kristina Hammer am Mittwoch, 24. November 2021 | Bildquelle: picture alliance / BARBARA GINDL / APA / picturedesk.com | BARBARA GINDL

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Gerade gingen die Salzburger Festspiele durch die Medien wegen einer arbeitsrechtlichen Klage eines Chorsängers. Jetzt steht die Frage nach dem nicht ganz optimalen Verhältnis von Festspielpräsidentin Kristina Hammer und Intendant Markus Hinterhäuser im Raum.

Seit 2021 Präsidentin: Die Wirtschaftsjuristin Kristina Hammer

Wer ist Kristina Hammer? So lautete die erstaunte Frage von allen Seiten, als am 24. November 2021 das Kuratorium die neue Präsidentin der Salzburger Festspiele präsentierte: Sie hatte sich unter 32 Bewerberinnen und Bewerbern überraschend durchsetzen können und war einstimmig gekürt worden. Mittlerweile hat man die 1968 in Karlsruhe geborene, studierte Deutsch-Schweizerin zumindest oberflächlich kennengelernt. Sie wollte erst nach einer Orientierungs- und Einarbeitungsphase für Interviews zur Verfügung stehen: Der promovierten Wirtschaftsjuristin und Managerin wurden ihre Erfahrung in Branding, Marketing und PR gutgeschrieben.

Und jedenfalls auch ihre "Kulturaffinität", wie das so nobel und zugleich schwammig heißt – zuletzt bewiesen im Vorstand der Freunde des Opernhauses Zürich. Sie sei mit Salzburg von Kindesbeinen an vertraut und habe damals zusammen mit ihren Großeltern auch Proben unter Herbert von Karajan miterlebt, hieß es.

Nur Männer an der Festspielspitze? Nicht mehr zeitgemäß

Präsidentin der Salzburger Festspiele 2022 | Bildquelle: picture alliance / Karl Schöndorfer / picturedesk.com | Karl Schöndorfer Bildquelle: picture alliance / Karl Schöndorfer / picturedesk.com | Karl Schöndorfer Vor der entscheidenden Sitzung des siebenköpfigen Kuratoriums mit seinen fünf stimmberechtigten Mitgliedern, von denen vier der ÖVP zugeordnet werden können, hatte freilich allgemein eher die Salzburger Landtagspräsidentin Brigitta Pallauf (ÖVP) als Favoritin gegolten – ganz zu schweigen davon, dass auch dem Landeshauptmann Wilfried Haslauer (ÖVP) immer wieder Ambitionen nachgesagt wurden. Aber, wie Helga Rabl-Stadler, die nach 27 Jahren als Präsidentin Abschied nahm, mehrfach betont hat: Ein "Triumvirat" im alten Sinne, also ein rein männlich besetztes Direktorium, sei einfach nicht mehr zeitgemäß – denn Markus Hinterhäuser als Intendant und Lukas Crepaz als Kaufmännischer Direktor würden ja ihre Funktionen behalten. Wollte man eine allzu offensichtlich parteipolitisch zuordbare Lösung vermeiden? Immerhin hat Haslauer im Juni 2023 seine dritte Landtagswahl zu schlagen, und die politische Landschaft Österreichs ist im Lichte alter und neuer Skandale allgemein eher volatil geworden. Haben die Grünen, auf Bundesebene in Koalition mit der ÖVP, ihr Veto eingelegt? Da kam die von einem Personalberater als kompetent gepriesene Überraschungskandidatin Hammer gerade recht – und bot auch der Opposition keine Angriffsfläche.

Neue Aufgaben für die neue Festspielchefin

Am 1. Januar 2022 hat Kristina Hammer ihr Amt angetreten. Einige Wochen später wurde in der Kuratoriumssitzung eine neue Geschäftsordnung verabschiedet: Die neue Festspielpräsidentin war von diesem Zeitpunkt an nicht nur, so wie ihre Vorgängerin Rabl-Stadler, für Sponsoring, Protokoll und Presse verantwortlich, sondern auch für Marketing und Vertrieb (inklusive Kartenbüro). Das lag insofern nahe, als Hammers Expertise in diesen Feldern anerkannt wurde und Crepaz mit der anstehenden Sanierung und dem Ausbau der Festspielhäuser (geplanter Beginn: 2025) ohnehin Enormes zu schultern hat.

Gerüchte über Entmachtung von Kristina Hammer

Salzburger Festspiele 2022 Premiere der Oper "Der Barbier von Sevil Die deutsche Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Ehemann Joachim Sauer und Festspielpräsidentin Kristina Hammer. | Bildquelle: picture alliance / Franz Neumayr / picturedesk.com | Franz Neumayr Bildquelle: picture alliance / Franz Neumayr / picturedesk.com | Franz Neumayr Bald jedoch hieß es hinter vorgehaltener Hand, dass es gelinde gesagt nicht ganz rund laufe an der Festspielspitze, vor allem zwischen Hammer und Hinterhäuser. Die Salzburger Nachrichten zitierten den Salzburger Bürgermeister Harald Preuner (ÖVP) mit dem Eindruck, dem zufolge "das Innenverhältnis im Direktorium eher suboptimal" sei. War Hammer überfordert? Wenig später, im Februar 2023, führte das nun zu einer weiteren Änderung der Geschäftsordnung, wonach die Zuständigkeit für Medien und Pressebüro von der Präsidentin abgezogen und dem Intendanten zugeordnet werden – also Hinterhäuser. Schon zuvor war von einer geplanten "Entmachtung" Hammers zu lesen. Bürgermeister Preuner, derzeit Vorsitzender des Kuratoriums, war nach der Sitzung am 28. Februar 2023 freilich einer der ersten, die betonten, es gebe nun "keinerlei Animositäten" mehr, die Adaptierung der Geschäftsordnung sei, so Preuner gegenüber den Salzburger Nachrichten, "ohne Diskussion geflutscht, also zur Kenntnis genommen worden und somit erledigt". Von Anfang an sei geplant gewesen, die Aufgabenteilung nach einem Jahr einer Evaluierung zu unterziehen und "die auf Helga Rabl-Stadler stark zugeschnittene Geschäftsordnung" allenfalls anzupassen. Im Übrigen sei damit nicht etwa ein bislang nie da gewesener Zustand geschaffen worden: Denn schon 1992 bis 2016 sei die Presseabteilung unter die Kompetenzen des Intendanten gefallen.

Streit in der Festspielleitung: eine Chronologie

Das waren übrigens bewegte Zeiten, in denen die Salzburger Festspiele definitiv nicht nur mit künstlerischen Leistungen Schlagzeilen machten: Auf den streitbaren Gerard Mortier (1991–2001) und den kalmierenden Peter Ruzicka (2001–2006) war Jürgen Flimm (2006–2010) gefolgt, aber vorzeitig aus dem Amt geschieden, weil es ihn an die Berliner Staatsoper Unter den Linden zog.
Markus Hinterhäuser, damals Konzertdirektor, hat interimistisch übernommen (2010–2011). Danach kam Alexander Pereira (2011–2014), der wegen des Budgets mit dem Kuratorium notorisch im Clich lag und dessen Vertrag gleichfalls vorzeitig aufgelöst wurde, weil er parallel zu den Festspielen auch die Mailänder Scala leiten wollte.
Die Festspielsommer 2015 und 2016 wurden im Duo geleitet, von Präsidentin Helga Rabl-Stadler und Schauspielchef Sven-Eric-Bechtolf. Erst mit Hinterhäusers Intendanz, angetreten am 1. Oktober 2016, sollte hinter den Kulissen Ruhe eintreten. Bis jetzt.

Mit den Änderungen "geht eine Stärkung der Kernkompetenzen von Präsidentin Kristina Hammer – Repräsentation, Fundraising sowie Vertrieb, Marketing und PR – einher", endet die Presseaussendung zur genannten Sitzung. Also wieder alles eitel Wonne? Jedenfalls habe sich das Direktorium bei besagter Sitzung dem Vernehmen nach entspannt und amikal gezeigt, betonte Preuner laut SN. Zu offiziellen Wortmeldungen oder gar Beschuldigungen war es bei der ganzen Angelegenheit ohnehin nie gekommen. Dabei wollen die Festspiele es auch belassen.

Entmachtungen sehen anders aus

Fazit: "Entmachtungen" sehen anders aus. Wenn eine Person neu in ein Führungsgremium eintritt, dann muss sich die Zusammenarbeit neu aufstellen und angepasst werden – auch durch die Verteilung der Aufgabenbereiche inklusive Evaluierung nach passender Zeit. Die Festspielstruktur sieht außerdem vor, dass das Direktorium nach laufend erfolgenden gemeinsamen Beratungen mit einer Stimme nach außen hin auftritt. Wie schnell sich das alles einspielt und wie gut, hängt von den handelnden Personen ab.

Konflikte gehören zum Festspielbetrieb

Ganz allgemein gesprochen: Zu glauben, bei der Entscheidungsfindung an der Spitze eines Festspielbetriebs würde es nicht auch hin und wieder emotional "menscheln", wäre naiv. Ohne ein Klischee bedienen zu wollen: Dazu ist Markus Hinterhäuser einfach zu sehr Künstler. Und im Optimalfall ist auch der Streit eine Form von Kultur – und das Aushalten und Austragen von Konflikten ein produktiver Prozess.

Steigende Auslastung in Salzburg

Trotzdem: Kristina Hammer muss nun an der Aufgabe der Festspielpräsidentschaft wachsen. Gelegenheit hat sie dafür gewiss so lange, wie an der Kasse Schönwetter herrscht und die Sponsorengelder fließen. Die Kartenverkäufe weisen aktuell eine Steigerung von 13 Prozent im Vergleich zur selben Zeit im Vorjahr aus. Das beruhigt vorerst.

Erst geschmäht, dann geliebt: Helga Rabl-Stadler

Trost könnte ihr der Blick in die Festspielgeschichte bieten: Wie böse wurde seinerzeit über ihre Vorgängerin geschimpft, als diese noch Anfängerin war! Vor allem Gerard Mortier – dessen Kaderschmiede übrigens nicht nur Hinterhäuser entstammt, sondern auch eine Reihe wichtiger, hochkompetenter Festspielmitarbeiter*innen von heute – wusste wenig mit ihr anzufangen. Aber die einst als "Dirndlverkäuferin aus der Getreidegasse" Geschmähte konnte sich schließlich zur "Muttergottes der Festspiele" entwickeln.

Ein weiter Weg, gewiss – aber keiner, der unmöglich wäre.

Sendung: "Allegro" am 3. April ab 06:05 Uhr auf BR-KLASSIK

Kommentare (1)

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Montag, 03.April, 11:05 Uhr

Fred Keller

WACKELT KRISTINA HAMMERS POSTEN?

Man sagt im Falle seiner Abwahl, will der Landeshauptmann Festspiel Präsident werden. Er war beim Rauswurf Dresdner und Thielemann die treibende Person u n d die Salzburger sind gerne unter sich.

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