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Kritik - "Ariodante" mit Cecilia Bartoli in Salzburg Mit Hochform in der Hosenrolle

Sie gurrt, bebt, turnt atemberaubend durch die Koloraturen - Cecilia Bartoli beherrscht in Salzburg die Bühne. Bei der Pfingstausgabe der Festspiele liefert die Mezzosopranistin in Christof Loys Inszenierung von Georg Friedrich Händels Oper "Ariodante" einen eindrucksvollen Beweis ihrer Bühnenpräsenz. Unser Kritiker Fridemann Leipold erlebte den Premierenabend am 2. Juni 2017 als ein barockes Gesamtkunstwerk, das doch ganz nah am Puls unserer Zeit ist.

Opernsängerin Cecilia Bartoli als Ariodante bei den Salzburger Pfingstfestspielen 2017 | Bildquelle: © Salzburger Festspiele / Monika Rittershaus

Bildquelle: © Salzburger Festspiele / Monika Rittershaus

Händels "Ariodante" ist ein Liebesverwirrspiel mit tiefgreifenden Gefühls-Konfusionen. Im Zentrum steht ein junges Paar, Ariodante und Ginevra, deren Liebe durch die Intrige eines machtgeilen Widersachers hart auf die Probe gestellt wird. Ausgehend von der historischen Praxis, den Ariodante als Hosenrolle anzulegen und also mit einem Mezzosopran zu besetzen, entwickelt der Regisseur Christof Loy seine Inszenierung als raffiniertes Spiel mit Geschlechterrollen und wechselnden Identitäten.

Mehr als Conchita Wurst

Historische Kostüme mischen sich zwanglos mit modernen Gesellschafts-Outfits. Anfangs erscheint Cecilia Bartoli in der Titelrolle mit Ritterrüstung, später trägt sie zu Bart und wallendem Haar ein bodenlanges schwarzes Kleid - nein, der Vergleich mit Conchita Wurst ist viel zu trivial. Am Ende darf die Bartoli ganz Frau sein und ihrer Ginevra in den Armen liegen - zwei Frauen, die sich lieben.

Christof Loy zeigt tiefgründige Personenregie

Szenenbild aus "Ariodante" mit Cecilia Bartoli bei den Salzburger Pfingstfestspielen 2017 | Bildquelle: © Salzburger Festspiele / Monika Rittershaus Die Ballette - gekonnt integriert | Bildquelle: © Salzburger Festspiele / Monika Rittershaus Mit analytischem Blick, psychologisch tieflotender Personenregie und teils drastischer Figurenzeichnung hat Loy das düstere Drama Händels quasi durchchoreografiert. Sinn für Witz und Slapstick hat er auch. Gekonnt integriert der Regisseur die für diese Oper wesentlichen Balletteinlagen, die mal höfische Tänze zitieren, mal die Albträume der verstörten Ginevra mit zeitgenössischem Bewegungsvokabular zuspitzen.

Die Bühne: Gefährlich schön, klinisch sauber

Ganz heutige Menschen stehen da auf der Bühne, die der Szenenbildner Johannes Leiacker fast komplett in Schwarzweiß gehalten hat: Ein hoher barocker Salon mit vielen Türen, der nach hinten wahlweise von einem arkadischen Idyll oder der Brandmauer begrenzt wird. Manchmal würde man dem hochästhetischen, gefährlich schönen, klinisch sauberen Ambiente etwas von der Schäbigkeit der Bühnenräume Anna Viebrocks wünschen.

Ariodante in Salzburg - die Premiere in Bildern.

Cecilia Bartoli in Top-Form

Cecilia Bartoli führt faszinierend vor, wie das Gift der Eifersucht in die Seele dringt, und Liebe in Rache umschlägt. Mit ihrer umwerfenden Bühnenpräsenz und stimmlichen Power bleibt sie der Titelpartie nichts schuldig: gurrend in der Tiefe, vor Leidenschaft bebend, stilistisch perfekt und unfassbar koloraturensicher. Es ist ihr Abend – neben diesem Bühnentier haben es alle schwer.

Szenenbild aus "Ariodante" mit Cecilia Bartoli bei den Salzburger Pfingstfestspielen 2017 | Bildquelle: © Salzburger Festspiele / Monika Rittershaus Sandrine Piau (Dalinda), Christophe Dumaux (Polinesso) | Bildquelle: © Salzburger Festspiele / Monika Rittershaus Hinreißende Charakterporträts liefern die feinnervige Sandrine Piau als Rivalin Ginevras und der schrundige König des Nathan Berg. Und einen derart fokussierten und gehaltvollen Countertenor wie Christophe Dumaux als Bösewicht wird man lange suchen müssen. Norman Reinhardt gibt dem Bruder Ariodantes kernige Statur ohne Zwischentöne, und die junge, vielversprechende Kathryn Leweck muss in die Riesenpartie der Ginevra erst noch hineinwachsen.

Neues Orchester zeigt Schwächen

Zusammenwachsen muss auch noch das neue Originalklang-Ensemble Les Musiciens du Prince, das von Gianluca Capuano vom Cembalo aus handfest angefeuert wird. Trotz vieler schöner Soli herrscht ein gewisser Überdruck im Graben, manches wirkt forciert und verhetzt, immer nur vibratolose Streicher sind auch nicht schön – an Klangfarben und Homogenität können die Musiker aus Monaco fraglos noch zulegen. Aber auch so ist der Abend ein barockes Gesamtkunstwerk, das ganz nah am Puls unserer Zeit ist.

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