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Pretty Yende im Porträt Extreme Rolle als Befreiungsschlag

Sie wird als schillernder Nachwuchsstar der Opernwelt gefeiert: Die Sopranistin Pretty Yende aus Südafrika. Auf den großen Bühnen zwischen Mailand und New York brilliert sie in der Figur der Lucia aus der gleichnamigen Oper "Lucia di Lammermoor" von Gaetano Donizetti. Ab 9. Juni kann man sie nun in ihrer Paraderolle auch an der Bayerischen Staatsoper erleben.

Sopranistin Pretty Yende singt Lucia | Bildquelle: © Gregor Hohenberg

Bildquelle: © Gregor Hohenberg

Interview mit der Sopranistin Pretty Yende

Pretty Yende lebt ihren Traum. Ja, das klingt kitschig, bedeutet aber eiserne Disziplin, innere Stärke und viel Mut. Aufgewachsen ist Pretty Yende in der Provinz Südafrikas. Die heimische Folklore ist die erste Musik, mit der sie in Berührung kommt. Dass sie singen kann, bemerkt sie schon früh. Und dann hört sie, ganz zufällig, in einem Werbespot einer britischen Airline das "Blumenduett" aus Delibes' Oper "Lakmé". Sofort ist sie von den Klängen fasziniert und schon am nächsten Tag war die Sache beschlossen: Pretty Yende will nun Opernsängerin werden.

Sprung nach Europa

Keine zehn Jahre später, direkt nach ihrem Studium am South African College of Music, wagt sie dann den Sprung nach Europa. Ihr Mut zahlt sich aus: In kurzer Zeit gewinnt sie nicht nur mehrere Gesangswettbewerbe, sondern erhält auch die Zusage zur Gesangsakademie an der Mailänder Scala. Der internationale Durchbruch scheint vorprogrammiert: Mailand, New York, Paris, Zürich – die heute 34-Jährige singt an vielen großen Häusern. Neben diversen Partien in Opern von Bellini und Rossini singt sie seit einigen Jahren immer wieder die Rolle der Lucia Ashton in Donizettis Oper "Lucia di Lammermoor". Eine kräftezerrende Partie, die ihr stimmlich wie schauspielerisch einiges abverlangt.

Die Partie der Lucia ist eine besondere Herausforderung. Ich hätte nicht gedacht, dass ich sie je singen würde.
Pretty Yende

Reise durch die menschliche Seele

Doch Pretty Yende beweist Stärke und zeigt, dass sie auch die großen dramatischen Partien beherrscht. An der facettenreichen Figur der Lucia wächst sie, und dies bereits seit ihrer ersten Produktion im Jahr 2013 in Kapstadt. Von der großen Bandbreite der Emotionen lässt sie sich dabei nicht einschüchtern. Das stünde der fokussierten Sopranistin, die akribisch die inneren Gefühlsregungen ihrer Rolle studiert, auch gar nicht. Zwischen Freude und Verzweiflung, Wut und Enttäuschung: Pretty Yende begibt sich immer wieder auf eine Reise durch die menschliche Seele.

Wir Künstler sind der Ausdruck der Emotionen. Wir geben uns ganz hin, manchmal bis an die Grenzen des Möglichen.
Pretty Yende

Distanz zur Rolle

Die Sopranistin Pretty Yende | Bildquelle: picture alliance / Photoshot Pretty Yende | Bildquelle: picture alliance / Photoshot In kürzester Zeit hat sich die Sängerin auch musikalisch enorm entwickelt. Dies wird in der Münchner Produktion zu hören sein, in der sie ihre eigene Kadenz am Ende der bekannten Wahnsinnsarie der Oper präsentieren wird – eine speziell für ihre Stimme zugeschnittene musikalische Zutat, die Yendes ganz persönliche Interpretation der Figur darstellt. Im Vergleich zu anderen Inszenierungen erlebt der Zuschauer an der Bayerischen Staatsoper eine Lucia, die sehr viel stärker und selbstbestimmter handelt. Um sich im Probenprozess, bei allen emotionalen Höhen und Tiefen, nicht selbst zu verlieren, hilft es der jungen Sopranistin, die nötige Distanz zur Figur zu wahren. Was ihr leicht fällt, denn die private Pretty Yende ist so ganz anders als die entrückte Frau Lucia, die am Ende der tragischen Geschichte vollkommen die Fassung verliert.

Offene künstlerische Grenzen

In ihrer Heimat Südafrika wird die junge Sopranistin jetzt schon als ein Vorbild gesehen. Immer mehr junge Frauen lassen sich von ihrem Märchen inspirieren und kämpfen, wie sie, für ihre Träume. So ist die Figur der Lucia für Pretty Yende mehr als nur eine Rolle. Sie ist ein Befreiungsschlag für sie als Sängerin, stellvertretend für viele und eine Botschaft an die Opernwelt: Die Grenzen des Möglichen sind geöffnet, für Sängerinnen und Sänger jeglicher Hautfarbe.

Sendung: "Leporello" am 06. Juni 2019 ab 16:05 Uhr auf BR-KLASSIK

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