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Thomas Hampson über "South Pole" Eine Geschichte von Ehrgeiz und Verzweiflung

1910 machen sich ein britisches und ein norwegisches Team auf den Weg in die Antarktis. Scott und Amundsen wollen beide zuerst den Südpol erreichen. Die Bayerische Staatsoper bringt das Wettrennen nun auf die Bühne, in der Oper "South Pole" von Miroslav Srnka. Thomas Hampson verkörpert den Amundsen.

Impressionen bei der Probe Team Amundsen mit Thomas Hampson | Bildquelle: Wilfried Hösl

Bildquelle: Wilfried Hösl

BR-KLASSIK: Welche Rolle spielt für Sie das Abenteuer? Der Künstlerberuf ist ja ein reines Abenteuer – was aber haben Ihnen in Ihrer Jugend Abenteuerromane bedeutet, welche Bedeutung hatten Scott und Amundsen?

Thomas Hampson: Gleich zu Beginn eine sehr komplexe Frage! Als fantasievoller Junge habe ich Abenteuergeschichten immer sehr gerne gelesen. Diese Geschichte – Amundsen und Scott – ist wahrscheinlich mehr als nur ein Abenteuer. Trotz meiner Begeisterung für Abenteuer war ich aber nie ein Grenzgänger. Ich habe keine Bergsteig-Erfahrung, habe keine Sahara-Wanderung hinter mir. Irgendwann möchte ich nach Nepal, aber das ist etwas anderes. Alles zu geben gehört auch im Künstlerleben dazu, keine Frage. Jedes Mal, wenn wir musizieren, geht es um diesen einen Moment. Das kann ich schon nachvollziehen. Diese Oper, die "South Pole“-Geschichte, hat einen geschichtlichen Kontext. Damit verbunden sind zwei überragende Persönlichkeiten. Aber die Oper ist eigentlich eine innere Landschaft, erzählt von Motivation, von Verzweiflung, von Ehrgeiz, von Tod und Leben. Ein gewisser metaphysischer Aspekt ist sicher vorhanden. Diese Oper zu erfahren, diese theatralischen zwei Stunden, hält uns den Spiegel vor, was ich sehr wertvoll finde. Jeder wird sich mit sich selbst konfrontieren dürfen.

BR-KLASSIK: Fangen wir mal mit der szenischen Herausforderung an. Sie spielen diese Geschichten parallel auf einer Bühne, die geteilt ist. Das ist eine besondere Form von Darstellung. Wie geht es Ihnen damit, was ist da die Herausforderung? Zumal sich da ja auch musikalisch parallele Welten auftun.

Thomas Hampson: Das ist eine sehr interessante Frage. Miroslav Srnka beschreibt seine Oper als eine "Doppeloper in zwei Akten“. Ich arbeite in meinem Universum als Amundsen, Rolando Villazón arbeitet in seinem Universum als Scott. Auf der Bühne haben wir nichts miteinander zu tun. Neuenfels hat das meiner Ansicht nach brillant erarbeitet. Wir als Amundsen-Team spielen unsere Geschichte. Wir hören kaum der anderen Gruppe zu. In der Mitte gibt es eine Linie, die bedeutet "Scott-Universum“ und "Amundsen-Universum“, und wir bleiben einfach da. Es sind parallele Universen. Aber dann kommt die Musik dazu und das hat natürlich einen Bogen, einen Hintergrund, einen Untergrund, in dem wir alle mitarbeiten. Und das ist schon sehr komplex. Sehr komplex, sehr heikel, sehr schwierig, sehr herausfordernd, aber sehr erfüllend und letzten Endes für uns selbst sehr interessant. Auch das Libretto von Tom Holloway, wie er diese Geschichte in wenige Worte gebracht hat, ist eine Kunst für sich. Das ist eine angenehme Auseinandersetzung mit diesem Text, der zu den inneren Landschaften dieser Persönlichkeiten führt. Das rechne ich ihm hoch an.

BR-KLASSIK: Wie schwer war es für Sie, sich dieser Partitur zu nähern, oder wie leicht?

Thomas Hampson: Jede Partitur hat ihre Herausforderungen. Moderne Musik ist natürlich eine besondere Landschaft. Die erste Herausforderung ist, die Sprache des Komponisten grundsätzlich zu verstehen – oder zu ahnen. Aber das ist dasselbe bei Verdi und Wagner und Puccini. Das hat einige Zeit gedauert. Jetzt verstehe ich, wie er musikalischen Ausdruck geben möchte. Es ist von der Struktur her rhythmisch sehr kompliziert. Es wird mehr eine musikalische Landschaft sein, in welcher Gedanken hörbar gemacht werden, als eine Oper im dem Sinne, wie wir das wahrscheinlich verstehen. Es gibt keinen großen Gesang, keine Arie, kein Duett. Alles ist in Echtzeit parallel in den Gedanken. Wir springen von Event zu Event in das Geschehen von den Teams und versuchen, die Auseinandersetzungen zu erläutern. In meinem Team gab es einen Streit zwischen Johansen und Amundsen. Johansen ist letzten Endes gar nicht mitgegangen. Wir zeigen hier, wie diszipliniert, wie geradlinig der Amundsen sein konnte und dass es eben durchaus Widerstand gegeben hat. Sein Team hat auf jeden Fall Zweifel gehabt, ob er recht gehabt hat. Auch in Bezug auf sein Immerweiter und sein Antreiben. Das ist gut so. Das ist interessant.

BR-KLASSIK: Die Oper „South Pole“ ist eine Auseinandersetzung mit Grenzgehern. Was nehmen Sie aus dieser Uraufführungs-Produktion in München mit?

Thomas Hampson: Einiges. Es ist ein sehr spannendes Projekt, einfach von Aufbau und Logistik her. Vor allem, dass ein großes Opernhaus, geführt von einem großen Intendanten, geführt von einem hervorragenden, allergrößten Dirigenten unserer Zeit, ein spannendes Auftragswerk ins Leben gerufen hat. Das ist auch ein spannendes Abenteuer. Auch ein Grenzgang, wenn ich das so sagen darf.

Das Gespräch führte Dorothea Hußlein für BR-KLASSIK.

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