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Elena Urioste im BR-KLASSIK Studiokonzert Unterwegs mit Geigenkoffer und Yogamatte

Im Yoga hat die bislang vor allem in Nordamerika populäre Geigerin Elena Urioste eine Möglichkeit gefunden, Körper, Seele und Instrument in Einklang zu bringen. "Ein Musiker muss sich um seinen Körper kümmern wie ein Sportler", sagt sie im Interview. Nun war die Künstlerin im BR-KLASSIK Studiokonzert zu Gast, das Sie hier bis zum 22. Dezember nachhören können.

Elena Urioste | Bildquelle: Alessandra Tinozzi

Bildquelle: Alessandra Tinozzi

BR-KLASSIK Studiokonzert mit Elena Urioste, Geige und Michael Brown, Klavier

Wolfgang Amadeus Mozart: Sonate A-Dur, KV 526
Manuel de Falla: "Suite populaire espagnole"
Olivier Messiaen: Thème et variations
Johannes Brahms: Sonate G-Dur, op. 78

Dienstag, 15. Dezember, 20.00 Uhr
Funkhaus Studio 2

BR-KLASSIK: Sie sind Amerikanerin, überwiegend aufgewachsen in Philadelphia. Heute leben Sie in New York City. Ihr Familiennamen ist aber nicht typisch US-amerikanisch. Gibt es da noch andere familiäre Wurzeln?

Urioste: Da gibt es eine Menge Wurzeln. Ich bin in Philadelphia aufgewachsen und lebe nun seit acht Jahren in New York. Mein Vater stammt aus einer baskisch-mexikanischen Familie. Urioste ist ein baskischer Name. Meine Mutter wiederum hat sizilianische, russische und ungarische Wurzeln. Also eine bunte Mischung.

BR-KLASSIK: Sie kommen aus keiner Musikerfamilie. Wie wurde Ihr Interesse für Klassik geweckt?

Urioste: Ich habe die Violine in der Fernsehsendung "Sesamstraße" kennengelernt. Das ist auch in den USA eine sehr bekannte Kindersendung. In dieser Bildungsshow treten immer wieder berühmte Gäste auf. Als ich zwei Jahre alt war, habe ich dort Itzhak Perlman zum ersten Mal gesehen. Ich kann mich zwar selbst nicht mehr erinnern, aber meine Eltern erzählen, dass ich damals total begeistert war. Seitdem wollte ich immer eine Geige haben. Da meine Eltern selber keine Musiker sind, fanden sie das eher komisch. Ich musste noch drei Jahre warten, bis ich dann mit fünf Jahren Geigenstunden nehmen konnte.

BR-KLASSIK: Haben Sie Itzhak Perlman dann auch live erleben können oder getroffen?

Urioste: Ich habe ihn zum ersten Mal mit 19 oder 20 getroffen, als ich im Orchester in Memphis spielte. Das war mein einziger Auftritt als Orchestermusikerin. Perlman war der Solist in jener Konzertwoche. Ich war hin und weg. Es war einfach ein so tolles Gefühl, nur wenige Meter entfernt von meinem Idol zu sitzen. Er hat so wunderbar gespielt - schöner als je zuvor. Danach bin ich zu ihm gegangen, um ihn zu begrüßen. Eigentlich hatte ich mir überlegt, was ich zu ihm sagen wollte - Dinge, die er wahrscheinlich schon tausendmal gehört hat. Als ich dann vor ihm stand,  brachte ich kein einziges Wort heraus, ich habe nur gekichert und geweint. Aber es war einfach toll. Einige Jahre später bin ich ihm öfter in der Juilliard School über den Weg gelaufen. Aber auch dann habe ich meist nur verlegen gelacht.

Mit Yoga bekam ich immer mehr das Gefühl, dass die Geige ein Teil meines Körpers wurde
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BR-KLASSIK: Es machen sicher einige Musiker Yoga, aber ich habe noch keine Musiker-Website gesehen, auf der sich jemand so offen und entschieden als Yoga-Fan outet wie Sie es tun. Warum ist Yoga so wichtig für Sie?

Urioste: Ich hatte mich schon seit vielen Jahren für Yoga interessiert, es aber nie geschafft, selbst damit anzufangen. Dann habe ich einen Kurs besucht und war sofort besessen davon. Mir gefällt nicht nur die körperliche Anstrengung dabei, sondern auch dieses Gefühl von Ruhe, Stabilität und hoher Konzentration. Nach und nach wurde es für mich immer wichtiger in meinem Tagesablauf. Ich trainiere Bikram Yoga. Da dauert eine Trainingseinheit 90 Minuten. Das ist schon ein recht großer Zeitaufwand.  Aber ich habe gemerkt, dass mir dadurch das Geigen immer leichter fiel. Ich hatte mich nie richtig wohl gefühlt beim Geige spielen - so wie andere, deren Körper genau dafür gemacht ist. Das war es für mich nie. Aber als ich mit Yoga anfing, bekam ich immer mehr das Gefühl, dass die Geige ein Teil meines Körpers  wurde. Meine Hände fühlten sich kräftiger an und widerstandsfähiger. Ich bekam ein besseres Gefühl für Gleichgewicht  - meine Füße standen fester auf dem Boden. Irgendwie kamen dadurch mein Körper, mein Geist und mein Geigenspiel in Einklang. So kam mir der Gedanke, diese Nachricht an andere Musiker weiterzugeben. Ich höre von so vielen Musikern, Freunden und Kollegen, dass sie körperliche Beschwerden haben. Sie machen sich vielleicht nicht genug Gedanken über die Beziehung zwischen ihrem Körper und ihrem Musizieren. Ich glaube aber, daß man sich um seinen eigenen Körper kümmern muß, genauso wie ein Sportler. Deswegen findet man das auf meiner Website. Immerhin macht es einen großen Teil meines Tagesablaufs aus und meiner Persönlichkeit.  Ich möchte einfach, daß alle Yoga machen, weil es Musikern so guttun kann. Es ist ohne Zweifel wunderbar.

BR-KLASSIK: Machen Sie eine bestimmte Yogaübung vor einem Konzert? Gibt es ein Ritual?

Urioste: Vor Proben habe ich kein bestimmtes Ritual. Wenn das Konzert abends stattfindet, achte ich immer darauf, davor zu schlafen. Ich möchte ausgeruht und wach sein, aber nicht durch Koffein. Ich dusche heiß, um die Muskeln zu entspannen. Direkt vor dem Konzert esse ich eine Banane, wenn es geht. Dann spiele ich mich langsam ein. Ich spiele bis zu meinem Auftritt, weil ich das Gefühl habe, dass meine Finger total kalt werden, wenn ich die Geige nur fünf Minuten aus der Hand lege - was natürlich nicht stimmt. Ich spiele und versuche, mich warm und locker zu halten, bis kurz vor dem Konzert. Ich mache nicht irgendetwas Komisches oder Abergläubisches. Ganz normal: Schlafen, Banane, Einspielen.

BR-KLASSIK: Wann wurde es ernst mit der Violine? Wie entwickelte sich der Wunsch, Profimusikerin zu werden?

Urioste: Es gab keinen ganz bestimmten Moment, der mein Leben in andere Bahnen gelenkt hätte. Ich wußte schon mit fünf Jahren, daß ich Geigerin werden wollte. Aber eher aus albernen, typisch mädchenhaften Gründen. Ich fand die Vorstellung so toll, in einem schicken Kleid auf die Bühne zu spazieren. Der Glamour großer Konzertsäle hatte es mir angetan. Als ich anfing, ernsthaft Geige zu spielen, wurde mir natürlich klar, dass ich wegen der Musik Geigerin werden wollte. Ich liebte die Musik. Ich bin auch sehr gern in die Schule gegangen. Aber meine Liebe zur Musik hat so nach und nach alle anderen Vorlieben überschattet. Ab einem bestimmten Zeitpunkt war es ganz eindeutig, dass ich mit dem Geigenspiel weitermachen musste. Das war natürlich weitaus kostspieliger als die anderen Schulfächer. Aber ich bereue es nicht. Ich musste einfach Musikerin werden.

BR-KLASSIK: Haben Sie Ihre Kindheit und Jugend als ganz normal erlebt oder gab es beim Üben auch einmal Unlust und Zweifel?

Urioste: Ich liebte die Musik und das Geige spielen. Aber ich wäre sicher ein Ausnahmekind gewesen, wenn ich mit fünf oder sechs Jahren schon gern diszipliniert geübt hätte. Zu diesen Ausnahmen gehörte ich bestimmt nicht. Meine Eltern sind keine Musiker, ich bin ein Einzelkind. Ich musste alles selber herausfinden. Meine Eltern haben mich natürlich sehr unterstützt. Wir haben uns zusammen überlegt, wieviel ich täglich üben sollte, welcher Lehrer und welches Repertoire für mich geeignet wären. Das war für uns völliges Neuland. Meine Eltern waren nicht streng und ehrgeizig in Bezug auf meine Karriere, denn dies war für uns ja eine ganz neue Welt. Aber sie bestanden darauf, dass ich immer mein Bestes gab, egal ob es um die Geige, um eine Schularbeit oder ein Kunstprojekt ging. Sie haben schon gemerkt, wenn ich gerade mal Blödsinn machte und meine Zeit vergeudete. Dann kam schon mal die Frage: Meinst Du nicht, Du solltest ein wenig langsamer üben?

BR-KLASSIK: Das Studiokonzert spielen Sie mit dem Pianisten Michael Brown. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?

Urioste: Michael Brown gehört zu meinen engsten Freunden. Es ist ein wirklich großes Vergnügen, mit ihm zusammen zu spielen. Wir freuen uns schon sehr auf unser Wiedersehen in München. Wir haben uns im Sommer 2009 auf dem Ravinia Festival bei Chicago kennengelernt. Es ist ein riesiges Festival mit einem Programm für junge Streicher und Pianisten in Zusammenarbeit mit dem Steans Institute in Ravinia. Wir haben uns dort getroffen, aber damals nicht miteinander musiziert. Ich habe ihn spielen gehört und war völlig begeistert. Von der ersten Note an mochte ich seinen weichen und feinen Klang. Ich hatte das Gefühl, wir würden ein gutes Team abgeben. In New York haben wir dann einige Stücke durchgespielt. Es fühlte sich so gut und einfach an. Wir waren begeistert. Im Laufe dieses Jahres haben wir einige Konzerte zusammen gegeben. Seitdem spielen wir zusammen.

Dieses Münchner Programm könnte unter dem Motto 'Optimismus' stehen
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BR-KLASSIK: Wie arbeiten Sie? Gibt es da einen, der die Stücke auswählt?

Elina Urioste | Bildquelle: Archiv des BR Bildquelle: Archiv des BR Urioste: Das läuft sehr demokratisch ab. Keiner drängt den anderen zu einem Stück , wenn er es partout nicht möchte. Das wäre nicht okay. Es hat sich über die Jahre auch verändert. Im ersten Jahr haben wir die Programme aus unseren Lieblingswerken zusammengestellt. Sie standen nicht unbedingt in Beziehung zu einander. Aber wir konnten uns so von unserer besten Seite zeigen. Letztes Jahr haben wir aber ein Konzept-Programm gespielt. Die Idee dazu kam aus meiner Zeit beim BBC New Generation Artists Projekt. Michael und ich sind damals für die Aufnahmen dort sehr oft nach Großbritannien gefahren. Wir haben ein rein amerikanisches und britisches Programm ausgewählt. Elgar, Britten, Copland. Das war toll. Jetzt sind wir wieder bei den Stücken angelangt, die wir schon sehr lange unbedingt spielen wollten. Dieses Münchner Programm könnte unter dem Motto "Optimismus" stehen. Der Mozart ist sehr heiter, de Falla temperamentvoll, der Messiaen ist so grandios und die G-Dur Sonate von Brahms ist sowieso das göttlichste Stück überhaupt. Das ganze Programm strahlt etwas sehr Positives aus. Aber es ist jedesmal anders. Manchmal wird ein Programm um ein Werk herum gebaut, manchmal gibt es einen roten Faden.

BR-KLASSIK: Anfang kommenden Jahres wird Ihre erste CD mit Michael Brown erscheinen. Was haben Sie aufgenommen?

Urioste: Die Idee war, frühe Werke der jeweiligen Komponisten einzuspielen. Wir haben die Violinsonate von Richard Strauss aufgenommen, die er mit Anfang 20 geschrieben hat. Ravel hat seine Sonata posthume als Student komponiert. Außerdem spielen wir ein Werk von Michael, das er 2006 komponiert hat, als er fast noch ein Baby war - und eine Romanze von Amy Beach, die sie auch recht früh geschrieben hat. In allen Stücken steckt also die jugendliche Energie, und sie sind alle wunderschön.

BR-KLASSIK: Auf welche Projekte oder Konzerte freuen Sie sich in nächster Zeit ganz besonders?

Urioste: Ich freue mich wirklich sehr auf die folgenden Konzerte mit Michael und diesem Programm. Wir haben uns sehr viel damit beschäftigt und haben alle Stücke hart erarbeitet. Deshalb sind wir froh, wenn wir es jetzt noch so oft wie möglich spielen können.

Wir spielen außerdem in einem Klaviertrio - mit unserem fantastischen Kollegen Nicholas Canellakis. Es besteht erst seit Kurzem. Wir drei sind schon seit Jahren eng befreundet. Es macht unglaublich viel Spaß, zusammen zu spielen. Ich versuche, nach und nach ein paar Konzert für uns zu organisieren. Im nächsten Frühjahr werde ich zum ersten Mal John Coriglianos Chaconne aus "The Red Violin" spielen. Das ist ein grandioses Stück, und ich freue mich riesig darauf. Außerdem werde ich im Frühling in einer Reihe von Konzerten in England zum ersten Mal das Sibelius-Violinkonzert spielen und zwar mit dem Hallé Orchestra. Mit diesem Orchester werde ich dann auch im Herbst 2016 Glasunows Violinkonzert aufführen unter der Leitung von Mark Elder, den ich sehr schätze. Auf alle diese Projekte freue ich mich.

BR-KLASSIK: Haben Sie jemals daran gedacht, Orchestermusikerin zu werden?

Urioste: Ich wollte immer Solistin werden. Es passt einfach zu meinem Temperament, diese Energie spüren zu können. Man fühlt sich so energiegeladen, wenn man vor einem Orchester steht , und diese Klangwelle über einen hinwegrauscht. Man fügt sich in diese Klangwolke ein und wird dann von ihr mitgetragen.  Ich würde es allerdings nicht ausschließen, in einem Orchester zu spielen.  Es gibt einfach so viel grandioses Repertoire, das man als Solist einfach nicht spielen kann, außer man fragt den Dirigenten, ob man bei den Geigen mitspielen darf. Manchmal tue ich das tatsächlich und es ist wirklich toll. Vielleicht eines Tages ... man wird sehen.

BR-KLASSIK: Das Berufsleben als Solistin ist mit vielen Reisen verbunden, mit Allein-Sein, auch großer Konkurrenz. Wie gehen Sie mit diesen Herausforderungen um oder empfinden Sie diese gar nicht als solche?

Urioste: Als Einzelkind bin ich es gewohnt, mit mir alleine zurecht zu kommen. Ich denke, das hat mich für diese Art von Leben ganz gut gerüstet. Ich fühle mich nicht allein - es gibt ja einen großen Unterschied zwischen allein sein und sich einsam fühlen. Ich fühle mich nur selten einsam. Wenn ich mich an einem besonders deprimierendem Ort aufhalte oder das Essen nicht schmeckt, dann bin ich schon traurig. Aber ich mag das Abenteuer und das Entdecken auf eigene Faust, dann fühle ich mich ganz bei mir selbst. Natürlich reise ich auch gern mit meinen Freunden, die Kammermusik gehört so sehr zu mir. Aber wenn ich allein reise, spüre ich eine andere Seite meiner Persönlichkeit. Wenn ich nicht genug Zeit und Raum für mich hätte, würde mir das sehr fehlen.

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