Tadschikistan, ein persisch-sprachiges Land in Zentralasien. Seine traditionelle Musik ist der Shashmaqam, und zu Sowjetzeiten hat der Komponist Ziyodullo Shahidi einen Nationalstil in der Kunstmusik begründet. Eine musikalische Reise von der Hauptstadt Dushanbe in die Bergregion des Pamir.
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Türkisblaue Seen und wildromantische Täler zwischen den monumentalen, schneebedeckten Gipfeln des Fan- und des Pamir-Gebirges. Auf den schmalen, kurvenreichen Straßen gibt es Schaf- und Ziegenherden genauso wie Lastwagen, Busse und sonstige Fahrzeuge. Die lebhafte Hauptstadt Dushanbe fasziniert mit ihrer Mischung aus Sowjetarchitektur und orientalischem Flair.
Die Sprache ist eine Variante des Persischen, die Schrift jedoch als ein Relikt aus der Sowjetzeit Kyrillisch. Tadschikistan ist ein Land der Gegensätze, in dem die verschiedensten kulturellen Einflüsse zusammenkommen, und das sich vor allem mit seinen Ursprüngen in der persischen Kultur identifiziert.
All das spiegelt sich auch in der Musik wider. So gibt es einerseits die ländlichen Gesänge aus der wilden und schwer zugänglichen Bergregion des Pamir im Osten des Landes, andererseits wird im Westen die klassische Musiktradition des Shashmaqam gepflegt. Diese Musik gründet sich auf dem Maqam-System der arabisch-persischen Musik, ein modales Tonsystem mit meist improvisierten Melodielinien. Shashmaqam bedeutet soviel wie „sechs Maqame“, also sechs Modi, auf die die Stücke aufbauen. Die Texte kommen oft aus der mystischen Lyrik der Sufis, etwa von Rumi, und handeln von weltlicher und spiritueller Liebe.
„Die Situation der tadschikischen Kultur ist etwas kompliziert. Tadschikistan stand immer etwas marginalisiert da inmitten der anderen Länder drumherum gerade wegen seiner gemischten, vielfältigen Kultur und als persischsprachiges Land ist es im Gegensatz zu anderen Ländern aus diesem Kulturkreis relativ klein“, sagt die aus Dushanbe stammende Literaturwissenschaftlerin Munira Shahidi. Sie ist die Tochter des wichtigsten Komponisten des Landes, Ziyodullo Shahidi, der in Tadschikistan einen Nationalstils in der Kunstmusik begründet und 1961 die erste tadschikische Oper komponiert hat, Komde und Madan. Außerdem ist er der Schöpfer zahlreicher Lieder, die mittlerweile zum allgemeinen Kulturgut zählen. „Die Lieder sind heute fest in der tadschikischen Kultur verankert. Die Leute denken immer, das sind traditionelle Volkslieder und kennen den eigentlichen Komponisten gar nicht“, so Ziyodullo Shahidis Enkelin Farangis Nurulla-Khoja, die selbst Komponistin ist und heute in Kanada lebt.
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Komde and Madan
Die Lieder meines Vaters waren die Hits zu Sowjetzeiten.
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Ziyodullo Shahidi wurde 1914 in Samarkand geboren, das seinerzeit noch Teil des Russischen Kaiserreichs war und heute in Usbekistan liegt. Seine Karriere als Komponist spielte sich komplett zu Sowjetzeiten ab, und gerade deshalb wollte er mit seiner Musik dem tadschikischen Volk eine eigene Identität geben und eine Stimme verleihen. „Die Lieder meines Vaters waren die Hits zu Sowjetzeiten. Damals haben viele der sogenannten Mächtigen und Funktionäre noch nicht einmal die Essenz dieser Lieder verstanden und sie haben sie trotzdem gesungen.“ Munira Shahidi hat in ihrem Elternhaus in Dushanbe ein Museum zu Ehren ihres Vater eröffnet. Es ist mittlerweile zu einem Ort der Begegnung geworden ist, an dem die tadschikische Kultur gepflegt wird. Man rezitiert Dichter der persischsprachigen Welt wie Hafiz, Avicenna, Biruni und Bedil oder seine eigenen Poeten wie Kamoli Chuchandi aus dem 14. und Rudaki aus dem 10. Jahrhundert. Außerdem werden immer wieder Konzerte veranstaltet.
An einer Akademie in Dushanbe wird die seit alters her überlieferte Musiktradition des Shashmaqam an die nächste Generation weitergegeben. Nachdem diese Musik zu Sowjetzeiten eher vernachlässigt wurde, erlebt sie heute wieder einen Aufschwung. „In den späten 1920er Jahren haben die sowjetischen Kulturpolitiker damit begonnen, europäische Musikformen in Zentralasien einzuführen und damit einhergehend ein Ausbildungssystem, bei dem die Studenten Musik durch Notation lernten und nicht durchs Hören. Die Kulturpolitik der Sowjetunion sah in diesem neuen Musikleben einen vielversprechenden Ersatz für die ‚rückwärtsgewandte‘ einheimische Musik“, so Abduvali Abdurashidov, der in seiner Akademie für Shashmaqam genau diese einheimische Musik zu neuem Leben erweckt hat und ganz traditionell alte Techniken und Stile unterrichtet. Abdurashidov ist auch ein Meister der Sato, der tadschikischen Langhalslaute, die ähnlich wie ein Cello jedoch mit einem Bogen gestrichen wird.
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Eine ganz andere Musik hört man jedoch in der abgelegenen Bergregion des Pamir: den Falak, einen oft getragenen, fast wie eine Klage wirkenden Gesang, dem etwas Mystisches anhaftet. Tatsächlich ist er inspiriert von der Lyrik der Sufis, und die Lieder kreisen um das irdische Leiden und die göttliche Liebe. Oft wird a-cappella gesungen, ansonsten werden die Gesänge auch begleitet von Instrumenten, die typisch sind für die Musik des zentralasiatischen Hochgebirges: von der Nay, einer Flöte, dem Gijak einer Fiedel, oder der Dombra, einer Laute.
Dichtung und Musik kennen keine Grenzen
Sei es nun der Shashmaqam, der Falak oder die Kompositionen von Ziyodullo Shahidi, die Musik ist ein Teil der tadschikischen Identität. Heute sind die Menschen stolz auf ihre Wurzeln in der persischen Kultur, die zu Sowjetzeiten Jahrzehnte lang in den Hintergrund gedrängt wurde. Man rezitiert seine Dichter und singt die alten Melodien. Der Pamir, dieses grenzenlose und heutige Staatsgrenzen überwindende monumentale Gebirge, beherrscht die Landschaft, und der Klang der Musik rührt her aus einem Gebiet, das weit über die Grenzen des heutigen Tadschikistan hinausgeht. Munira Shahidi bringt es auf den Punkt: „Ich bin Tadschikin und ich bin Perserin. Ich mag diese Grenzen nicht und ich finde, Dichtung und Musik kennen keine Grenzen. Wir müssen diese Dinge lieben und pflegen, dadurch bekommen wir Mut und Stärke.“
Am 14. Mai um 23:05 Uhr auf BR-KLASSIK und hier online abrufen.