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Der Pianist Yefim Bronfman "Neue Musik spielen - das ist wie eine neue Sprache lernen"

Yefim Bronfman ist der Widmungsträger von Jörg Widmanns "Trauermarsch" für Klavier und Orchester. 2014 bestritt er die Uraufführung - am 2. Februar interpretiert er das Werk mit dem BR-Symphonieorchester unter Mariss Jansons. Im Interview spricht der Pianist über das Werk und darüber, was Widmanns Musik für ihn speziell bedeutet.

Yefim Bronfman | Bildquelle: Dario Acosta

Bildquelle: Dario Acosta

BR-KLASSIK: Trauer und Marsch. Mit Jörg Widmann habe ich darüber gesprochen, dass das durchaus Gegensätze sein können, das Innehalten und das Marschieren. Gegensätze, sagt er, die sich aber auch bedingen. Wie ist das für Sie im Stück umgesetzt?

Yefim Bronfman: Ich kann dem Komponisten da natürlich nicht widersprechen. Selbst wenn Sie trauern, schreitet die Zeit ja trotzdem voran. Und wenn man den Marsch allegorisch verstehen will, dann ist er ja genau das: das Fortschreiten der Zeit. Dass eben alles weitergeht. Man lernt ja auch, mit der Trauer zu leben, mit den Verlusten zu leben. Aber in diesem Stück geht es ja nicht nur um die Trauer, es hat auch seine hellen, lichten Seiten, quasi schöne Erinnerungen.

Der Klavierpart ist nicht das Hauptproblem.
Yefim Bronfman über Widmanns 'Trauermarsch'

BR-KLASSIK: Der Klavierpart ist sehr fordernd, Sie haben fast keine Pause. Ist das Stück mit den großen spätromantischen und klassisch modernen Konzerten vergleichbar - also etwa mit Brahms, Rachmaninow, Prokofjew?

Yefim Bronfman: Nun, für mich ist die größte Schwierigkeit bei diesem Stück, MIT dem Orchester zusammen zu spielen. Im Orchester gibt es so viele einzelne Solisten, die jeweils mit mir zusammenspielen müssen, das ist wirklich kompliziert. Mit dem Klavierpart komme ich schon zurecht, der ist nicht das Hauptproblem. Schwierig sind übrigens auch all die feinen Nuancen. Jörg hat eine unglaublich große Vorstellungskraft, was Klänge angeht. Jede einzelne Note bedeutet bei ihm etwas. Er ist für mich deswegen auch wie eine Art "klassischer Komponist", nur mit einer neuen, modernen Sprache. Bei ihm kommt auch alles von Herzen. Das mag ich an seiner Musik und an diesem Stück speziell.

"Musik-Createure" unter sich

BR-KLASSIK: Das Stück wurde für Sie komponiert. Jörg Widmann schätzt an ihrem pianistischen Können die Gegensätze: das kammermusikalisch-sensible und die große Geste. Fühlen Sie sich da gut verstanden?

Yefim Bronfman: Oh, das ist sehr freundlich von Jörg. Was mir so an ihm gefällt: Er denkt, wenn er selber spielt, wie ein Komponist. Das ist natürlich keine Überraschung. Er weiß genau, warum eine Phrase so ist, wie sie ist. Von diesem Zugang zur Musik habe ich sehr viel mitgenommen. Jörg überlegt, wie er bereits vorhandene Musik durch sein Spiel neu entstehen lassen kann. Und er ist selbst ein "Musik-Createur", also versuchen wir mit seiner Musik dasselbe zu tun. Ich bin sehr geschmeichelt darüber, was er über mein Spiel sagt.

Natürlich weiß ich, dass subtile Verbindungen zwischen Komponist und Musiker bestehen.
Yefim Bronfman

Der Interpret als Medium

BR-KLASSIK: Haben Sie denn umgekehrt Einfluss nehmen können auf die Entstehung des Trauermarschs?

Yefim Bronfman am Flügel in Barcelona | Bildquelle: Peter Meisel Yefim Bronfman auf Tournee mit dem BR-Symphonieorchester | Bildquelle: Peter Meisel Yefim Bronfman: Mit dem Kompositionsprozess hatte ich nichts zu tun. Ich war da wirklich nicht involviert und habe mich da auch komplett zurückgehalten. Aber natürlich weiß ich, dass subtile Verbindungen zwischen Komponist und Musiker bestehen. Wenn ein Komponist einem Musiker zuhört, bekommt er sicherlich eine gute Vorstellung davon, wie ein Stück für diesen konkreten Interpreten klingen könnte. Vielleicht hat auch Jörg, als er mich spielen hörte, gedacht: Ah, das könnte so und etwas anderes anders werden. Und für einen anderen Pianisten wäre es noch etwas anders geworden. Aber ich denke doch, es ist in jedem Fall ER, der das Stück komponiert. Mich als Interpret interessiert jedenfalls nur ER, nicht ich – ich bin nur ein Medium für seine Musik.

Die innere Logik hinter der Musik

BR-KLASSIK: Naja, aber ohne dieses Medium würden wir die Musik nicht erleben. Wird so ein Werk, das speziell für einen selbst geschrieben wurde, auch so etwas wie ein "eigenes Baby"?

Yefim Bronfman: Also ich bin sehr glücklich über dieses Stück und spiele es sehr gerne. Die Menschen mögen die Musik von Jörg Widmann, sie lieben sie. Und die Musiker lieben sie auch. Ich spiele öfters mit Orchestern, die schon viele Widmann-Stücke aufgeführt haben, für die ist seine Art zu komponieren mittlerweile eine ganz normale Musiksprache. So empfinde ich es generell, wenn ich Neue Musik spiele. Das ist, wie eine neue Sprache zu lernen. Am Anfang versteht man gar nichts, und peu a peu versteht man alles. Nicht nur die Noten, sondern auch die innere Logik dahinter.

Sendung: "Konzertabend live" am 2. Februar 2018, 20.05 Uhr auf BR-KLASSIK

Widmanns "Trauermarsch" mit dem BR-Symphonieorchester

München, Herkulessaal der Residenz
Donnerstag, 01. Februar 2018, 20:00 Uhr
Freitag, 02. Februar 2018, 20:00 Uhr

Jörg Widmann:
"Trauermarsch" für Klavier und Orchester
Franz Schubert:
Symphonie Nr. 8 C-Dur, D 944 "Große C-Dur-Symphonie"

Yefim Bronfman (Klavier)
Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks
Leitung: Mariss Jansons

BR-KLASSIK überträgt das Konzert am 2. Februar live im Radio und per Video-Livestream auf BR-KLASSIK.de/concert.

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