BR-KLASSIK

Inhalt

Ballett-Kritik: "Monade" in Nürnberg Energetischer Bewegungswirbel

Zeitgenössischer Tanz und Alte Musik, das ist die Mixtur, die im ersten Ballettabend der Spielzeit am Staatstheater Nürnberg verschmilzt, zu einer Monade, einer vollkommenen Einheit. Auf dem Programm stehen Choreographien von Mauro Bigonzetti und Ballettchef Goyo Montero.

Bühnenszene "Monade", Staatstheater Nürnberg | Bildquelle: Jesús Vallinas

Bildquelle: Jesús Vallinas

Wenn der letzte Vorhang fällt und der Applaus ausbleibt, dann hat das seine Gründe: Entweder das Stück war schlecht oder der Grund ist Goyo Montero. Was der Spanier hier auf die Bühne bringt, ist kompromisslos, bedrückend, beeindruckend. Das erste Bild gibt die Richtung vor. Im fahlen Scheinwerferlicht treten 50 Männer und Frauen in Reihen auf die Bühne, ganz in schwarz gekleidet. Wer zum Chor gehört und wer Tänzer ist, zeigt sich erst, als sich die Tänzer zwischen den Sängern hin und herwiegen, getrieben von der Staatsphilharmonie im Orchestergraben. Von oben senkt sich ein monströs wirkender Kuppelbau aus verrosteten Streben herab, die spitz in Richtung Bühnenmitte zusammenlaufen. Unter dieser Kuppel will Montero vereinen. Die große Herausforderung hierbeit sei, dass in manchen Momenten nicht erkennbar sei, wer Musiker, Sänger oder Tänzer ist, sagt Montero.

Monade ist Einheit und wir sprechen von einer Einheit durch Vielfältigkeit.
Goyo Montero

Jeder Tänzer, jeder Musiker ist anders. Und das sei die Idee hinter der Choreographie, sagt Montero. Der Zuschauer sehe nicht Tanz, nicht Gesang, nur Bewegung und Energie.

Bachs Kantaten als Inspiration

Im dichten Gewusel von 50 Menschen, die im Kreis laufen, entwickeln sich immer wieder besondere Pas de Deux zwischen einem Sänger und einem Tänzer, die sich gegenseitig anstoßen, abstoßen, sich anlehnen. Montero thematisiert abstrakt Tod, Geburt, Verlorenheit, Zusammenhalt. Den musikalischen Rahmen dafür gibt nur einer, Johann Sebastian Bach mit seinen geistlichen Kantaten. Jetzt sei die richtige Zeit, das auf die Bühne zu bringen und Fragen zu stellen, sagt der Choreograph.

Mein Vater ist im verganenen Jahr gestorben, und ich hatte alle diese Gedanken über Verlust und Verbindung als verschiedene Energiequellen.
Goyo Montero

Antiche Danze ganz bunt

Bühnenszene "Monade", Staatstheater Nürnberg | Bildquelle: Jesús Vallinas Bildquelle: Jesús Vallinas Einheit ist das Thema des Tanzabends - bei nur zwei Teilen eigentlich keine allzu schwere Aufgabe, doch im Bezug auf  Mauro Bigonzettis "Antiche Danze", das vor Monteros Monade steht, den Abend eröffnet, will das nicht so ganz gelingen. "Antiche Danze" übersetzt die beschwingten Orchestersuiten des Komponisten Ottorino Respighi mit Anleihen an die Renaissance und den Frühbarock in Bewegung. Da ergeht sich das Nürnberger Ensemble, die Tänzerinnen in stilisierten lila Ballkleider, die Männer nur in lila Hosen mit schweißglänzendem nackten Oberkörper, in rasanten Balltänzen mit durchgestreckten Armen und Beinen, raumgreifenden Hebefiguren - mit einer Prise Ironie. Immer wieder schlüpfen die Tänzerinnen aus ihrer Röcken heraus, aus Balltanz wird Körpertanz, Mann und Frau werden eins, mit kreisenden Hüften, waghalsigen Balance-Figuren. All das hat Tempo, ist schön anzusehen, ist bunt - mit tollen Lichtideen, Schattenspielen. Doch vor allem in manchen Ensemble-Balltanz-Szenen zerfasert die Nürnberger Kompanie, der letzte Schliff an Synchronisation fehlt. Und so bleibt Bigonzettis "Antiche Danze" nett anzusehen, aber eben nur nett.

Ausdruck pur

Bühnenszene "Monade", Staatstheater Nürnberg | Bildquelle: Jesús Vallinas Bildquelle: Jesús Vallinas Zurück unter Monteros dunkler Energiekuppel. Eine der besten Szenen: Eine Tänzerin steht im einzig hellen Kleid des Stücks auf einem braunen Kasten, vor ihr donnert der Chor eine Kantate Bachs, hinter ihr wiegen sich die Tänzer wie vom Sturm des Gesangs ergriffen. Es folgt ein berührender Pas de Deux. Am Ende wird sie erstickt. Kein Entkommen. Hier mitten in Goyo Monteros Bewegungskosmos können die Tänzer ihre Stärken zeigen: Zu Boden fallen wird zum Stilmittel, rasante Szenenwechsel, fliegende Hände, gebeugte Körper, athletische Verrenkungen - Ausdruck pur. Die Staatsphilharmonie spielt solide, überlässt aber dem Chor den großen Auftritt und der verdient Respekt. Sich in diesem Bewegungswirbel zu behaupten, Teil des Tanzes zu werden - eine Herausforderung, der sich die Chormitglieder schon bei der Premiere bravourös stellen, auch wenn man ihnen den Respekt oft noch etwas ansieht. Das letzte Bild von "Monade" gehört der Stille. Kein Tanz, kein Gesang, kein Orchester. Ein Tänzer sitzt verstört und allein am Bühnenrand im kalten blauen Licht, der letzte Vorhang fällt. Und dann gibt es doch noch tosenden Applaus. Der braucht aber ein paar Sekunden, bevor er einsetzt.

"Monade" - die nächsten Termine

Bis Ende Januar steht der Tanzabend "Monade" gleich mehrfach auf dem Programm im Staatstheater Nürnberg. Weitere Termine gibt es am 13., 15., 19., 22., 26. und 29. Dezember sowie 13., 15., 20. und 26. Januar.

    AV-Player